Die Frage nach dem richtigen Leben
Ein Blick auf die Titelblätter von Zeitschriften zeigt das herrschende Ideal vom Menschen: Jung, schön, gut gelaunt und wohlhabend sollen sie und er schon sein. Früher hielten die Menschen anderes für erstrebenswert. Andreas Schlieper mustert die Ideale in seinem Buch "Der Traum vom besseren Menschen. Streifzug durch die Geschichte unserer Hoffnungen".
Der Untertitel weckt hohe Erwartungen: Er verspricht Unterhaltsamkeit, obwohl über den besseren Menschen und die bessere Welt seit jeher die Klügsten nachgedacht haben. Denn die vermeintliche Krone der Schöpfung ist schließlich ein Mangelwesen. Anders als jedes Tier ist es für die Herausforderungen des Lebens nur unzureichend eingerichtet und erfindet sich daher seit Menschengedenken Hilfsmittel: zum Trost, zur Ernährung, zur Befriedung, zur Unterwerfung der Natur und der Nachbarn.
Nach einem kurzen Blick auf unsere beklagenswerte Lage besieht sich Schlieper die Tugend- und Moralideale in unseren geistigen und materiellen Hilfsmitteln Religion, Philosophie, Staat, Pädagogik, Naturwissenschaften sowie (am Rande) Wirtschaft. Das Unternehmen ist, obwohl auffälligerweise die Ästhetik resp. die Kunst fehlt, sympathisch größenwahnsinnig.
Schließlich waren sich nicht einmal die antiken Philosophen einig, wie das tugendhafte Leben aussehen sollte: Indem man durch das Denken die ewigen, unwandelbaren Ideale erkennt und wie die Götter zu Ruhe und Gelassenheit inmitten alltäglicher Wirren findet? Oder indem man sich von den Zwängen der Triebe befreit und so den Zustand der Freiheit erreicht? Ganz zu schweigen vom frühen Christentum, das den Menschen in die Erbsünde verstrickt sieht, und ihm dennoch ansinnt, Gottes Ebenbild zu werden oder doch zumindest einer seiner Engel.
Die Lage wird nicht übersichtlicher, als mit der Individualisierung in der Neuzeit Religion und Philosophie an Bedeutung verlieren, während das Individuelle, die Naturwissenschaften, das Konkrete, der Alltag, die Praxis in den Vordergrund rücken. Denn nun mit vervielfältigen sich die Antworten auf die Frage nach dem richtigen Leben erst recht.
Diese Pluralisierung stellt Schlieper vor gewaltige Probleme. Schon in den ersten Kapiteln bleibt er seinem Thema nur mit Mühe treu. In der zweiten Hälfte nehmen seine Warnungen vor benachbarten "Labyrinthen" manchmal überhand. Dennoch kann der ausgesprochen beredte Autor manche mit dem Thema nur entfernt zusammenhängende Anekdote nicht für sich behalten - etwa die von den Holzwürmern, gegen die die Kirche im Mittelalter einen aufwändigen Prozess mit schlussendlicher Verurteilung zu ewiger Verdammnis führte, weil sie den Stuhl eines Bischofs zernagt hatten und dieser, mit Todesfolge für den Würdenträger, zusammengebrochen war.
Dass der 1951 geborene Schlieper, der bis 2004 für die Landesregierung Nordrhein-Westfalens tätig war, bei nur 350 Seiten auswählen muss, ist selbstverständlich. Seine Auswahlkriterien teilt er jedoch nicht mit. Schwerpunkte seines philosophischen Schmökers sind das Hochmittelalter und die Aufklärung. Eher wie auf dem Niveau von Wilhelm Weischedels "Die philosophische Hintertreppe" wirken manche Ausführungen zur Antike, und auch in den letzten 200 Jahren ist Schlieper deutlich weniger bewandert. Karl Marx wird mit Beschlüssen des V. Parteitags der SED 1958 zusammengespannt, dann folgen noch Arnold Gehlen und wenige Sätze von Niklas Luhmann.
In allgemeiner Weise spricht sich Schlieper gegen die Unterwerfung des Menschen unter ökonomische Zwecke aus, gegen Euthanasie und für Menschenrechte. Ansonsten aber ist von der Gegenwart nur die Rede in den meist abfälligen, oft unvermittelten Nebenbemerkungen zu den Taliban, dem Kopftuch, Piercing und Plateausohlen. Der schöngeistige Konservative nimmt die Ideale der Gegenwart nicht ernst, er entwickelt keine Fragestellung aus ihnen. Daher streift sein Streifzug alles nur: Das Buch ist eine Flucht in eine bessere Welt, zu Vorstellungen von besseren Menschen.
Rezensiert von Jörg Plath
Andreas Schlieper: Der Traum vom besseren Menschen. Ein Streifzug durch die Geschichte unserer Hoffnungen
wjs Verlag. Berlin 2007
360 S., 24,90 Euro
Nach einem kurzen Blick auf unsere beklagenswerte Lage besieht sich Schlieper die Tugend- und Moralideale in unseren geistigen und materiellen Hilfsmitteln Religion, Philosophie, Staat, Pädagogik, Naturwissenschaften sowie (am Rande) Wirtschaft. Das Unternehmen ist, obwohl auffälligerweise die Ästhetik resp. die Kunst fehlt, sympathisch größenwahnsinnig.
Schließlich waren sich nicht einmal die antiken Philosophen einig, wie das tugendhafte Leben aussehen sollte: Indem man durch das Denken die ewigen, unwandelbaren Ideale erkennt und wie die Götter zu Ruhe und Gelassenheit inmitten alltäglicher Wirren findet? Oder indem man sich von den Zwängen der Triebe befreit und so den Zustand der Freiheit erreicht? Ganz zu schweigen vom frühen Christentum, das den Menschen in die Erbsünde verstrickt sieht, und ihm dennoch ansinnt, Gottes Ebenbild zu werden oder doch zumindest einer seiner Engel.
Die Lage wird nicht übersichtlicher, als mit der Individualisierung in der Neuzeit Religion und Philosophie an Bedeutung verlieren, während das Individuelle, die Naturwissenschaften, das Konkrete, der Alltag, die Praxis in den Vordergrund rücken. Denn nun mit vervielfältigen sich die Antworten auf die Frage nach dem richtigen Leben erst recht.
Diese Pluralisierung stellt Schlieper vor gewaltige Probleme. Schon in den ersten Kapiteln bleibt er seinem Thema nur mit Mühe treu. In der zweiten Hälfte nehmen seine Warnungen vor benachbarten "Labyrinthen" manchmal überhand. Dennoch kann der ausgesprochen beredte Autor manche mit dem Thema nur entfernt zusammenhängende Anekdote nicht für sich behalten - etwa die von den Holzwürmern, gegen die die Kirche im Mittelalter einen aufwändigen Prozess mit schlussendlicher Verurteilung zu ewiger Verdammnis führte, weil sie den Stuhl eines Bischofs zernagt hatten und dieser, mit Todesfolge für den Würdenträger, zusammengebrochen war.
Dass der 1951 geborene Schlieper, der bis 2004 für die Landesregierung Nordrhein-Westfalens tätig war, bei nur 350 Seiten auswählen muss, ist selbstverständlich. Seine Auswahlkriterien teilt er jedoch nicht mit. Schwerpunkte seines philosophischen Schmökers sind das Hochmittelalter und die Aufklärung. Eher wie auf dem Niveau von Wilhelm Weischedels "Die philosophische Hintertreppe" wirken manche Ausführungen zur Antike, und auch in den letzten 200 Jahren ist Schlieper deutlich weniger bewandert. Karl Marx wird mit Beschlüssen des V. Parteitags der SED 1958 zusammengespannt, dann folgen noch Arnold Gehlen und wenige Sätze von Niklas Luhmann.
In allgemeiner Weise spricht sich Schlieper gegen die Unterwerfung des Menschen unter ökonomische Zwecke aus, gegen Euthanasie und für Menschenrechte. Ansonsten aber ist von der Gegenwart nur die Rede in den meist abfälligen, oft unvermittelten Nebenbemerkungen zu den Taliban, dem Kopftuch, Piercing und Plateausohlen. Der schöngeistige Konservative nimmt die Ideale der Gegenwart nicht ernst, er entwickelt keine Fragestellung aus ihnen. Daher streift sein Streifzug alles nur: Das Buch ist eine Flucht in eine bessere Welt, zu Vorstellungen von besseren Menschen.
Rezensiert von Jörg Plath
Andreas Schlieper: Der Traum vom besseren Menschen. Ein Streifzug durch die Geschichte unserer Hoffnungen
wjs Verlag. Berlin 2007
360 S., 24,90 Euro