Die Folgen des Klimawandels umverteilen

Von Claudia van Laak · 18.09.2007
Das Hilfswerk der katholischen Kirche Misereor, das Potsdam Institut für Klimaforschung und die Versicherung Münchener Rück starten eine gemeinsame Kampagne. Sie wollen ein gerechtes Modell eines weltweiten CO2-Handels entwerfen. Gleichzeitig hofft man, dass sich hierzulande ein stärkeres Bewusstsein für den eigenen aufwändigen Lebensstil entwickelt.
Es geht um das große Ganze. Um nicht weniger als die Zukunft unseres Planeten. Und um die Moral: Können wir, die Reichen, es uns eigentlich erlauben, weiter auf Kosten der Armen zu wirtschaften? Wir sind maßgeblich verantwortlich für den Klimawandel, unter dem Afrika, Asien, Lateinamerika zunehmend leiden. Eine Steigerung des Bruttoinlandsprodukts um 1 Prozent bedeutet: der Ausstoß des klimaschädlichen Gases CO2 steigt ebenfalls um ein Prozent. Die Konsequenzen erläutert Ottmar Edenhofer. Er ist Chefvolkswirt des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung:

" Entweder wir würden weltweit weiterhin eine Kohlenstoffschuld akkumulieren, und zwar in einem Ausmaß, dass die globale Mitteltemperatur um 5 Grad steigt, oder, wir müssten einen global deal, der ziemlich ungerecht wäre, abschließen, der besagt, dass wir verbieten, den armen Ländern reich zu werden und wirtschaftliche Entwicklung einzugehen, oder es müssten die reichen Länder auf wirtschaftliche Entwicklung verzichten, das wäre auch keine Petitesse, mit den entsprechenden sozialen Konflikten, die auftauchen würde, wenn sie in erheblichem Umfang auf wirtschaftliche Entwicklung verzichten. "

Keine guten Aussichten. Ziel muss es also sein, die wirtschaftliche Entwicklung abzukoppeln vom CO2-Ausstoß. Möglich wäre dies mit neuen technologischen Entwicklungen wie zum Beispiel mit der Abtrennung und anschließenden unterirdischen Verpressung von CO2, das bei der Verstromung von Braunkohle entsteht. Ob diese Technologie in großem Maßstab funktioniert, wird derzeit noch erforscht. Die Zeit drängt. Der Klimawandel konterkariert bereits jetzt unsere Arbeit, sagt Josef Sayer. Der Theologe ist Hauptgeschäftsführer von Misereor und hat lange Jahre in Lateinamerika gearbeitet, unter anderem als Pfarrer in einem Slum von Lima:

" Unsere Partner, wir haben 5000 Partner weltweit, berichten uns immer häufiger von extremen Wettererscheinungen weltweit. Wie Dürren, Stürme, Missernten. Sie leiden immer häufiger darunter,
die Ernten werden risikoreicher, deshalb müssen wir in der Entwicklungszusammenarbeit dort immer wieder stärker reagieren. Und darum versuchen wir, in dem interdisziplinären Projekt die Problematik auf den Tisch zu bringen. "

Josef Sayer nennt ein Beispiel - die Biokraftstoffe. Die Europäische Union und die deutsche Bundesregierung unterstützen die Gewinnung von Treibstoff aus nachwachsenden Rohstoffen. Europa macht sich dadurch weniger abhängig vom Erdöl, gleichzeitig sind Biokraftstoffe ein Beitrag zum Klimaschutz. Die Biokraftstoffe werden gefördert, ohne auf die Konsequenzen für die Menschen in den ärmsten Ländern zu achten, kritisiert der Misereor-Geschäftsführer.

" Auf deren Kosten wird die Biomasse produziert. Da gibt es eine echte Konkurrenz zwischen Biosprit und Ernährungsfragen, Fragen der Beheimatung auch, wie viele Menschen werden vertrieben, weil Großkonzerne Ländereien aufkaufen, um dann Sprit zuzuliefern. Da müssen wir eintreten als Misereor, das wir sagen, da gibt es ein Lebensrecht der Menschen im Süden. "

Die ungerechte Globalisierung ein wenig gerechter machen - das haben sich Misereor und das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung PIK gemeinsam vorgenommen. CO2 muss einen Preis haben - schlägt Hans-Joachim Schellnhuber vor - Leiter des PIK und Berater der Bundesregierung in Klimafragen. Ein weltweiter Handel mit CO2-Zertifikaten würde den Klimawandel und die Armut gleichzeitig bekämpfen.

" Der Handel mit nicht erfolgten Emissionen, das heißt diejenigen, die nicht so stark Emissionen benötigen, verkaufen sie an die anderen und würden dafür entlohnt werden. Das würde zum Beispiel dem afrikanischen Kontinent einen unglaublichen Schub geben, mehr als die gesamte klassische Entwicklungshilfe seit dem Zweiten Weltkrieg. "

In dem jetzt gestarteten Forschungsprojekt wollen Wissenschaftler ein solches, möglichst gerechtes Modell eines weltweiten CO2-Handels entwickeln. Misereor-Geschäftsführer Sayer hofft außerdem auf ein Umdenken in Deutschland:

" Mehr Bewusstsein in der Bundesrepublik für unseren aufwändigen, ressourcenreichen Lebensstil. Dadurch, dass Wissenschaft, Wirtschaft und Kirchen zusammenkommen, ist es leichter, Bewusstsein hinzubekommen, indem wir auch die Betroffenen in den Südkontinenten mit einbeziehen. "

Wie schwer es ist, Interesse für die Fragen zu wecken, zeigte die heutige Auftaktveranstaltung. Zur Pressekonferenz waren gerade einmal vier Journalisten erschienen.