Die Filmstarts der Woche

Von Hans-Ulrich Pönack |
Der amerikanische Spielfilm "Flug 93" zeichnet die Ereignisse in dem Flugzeug nach, das am 11. September 2001 nicht sein von den Terroristen geplantes Ziel erreichte. Der Abschlussfilm eines Regiestudenten "KussKuss" erzählt von einer Scheinheirat, aus der Liebe wird. In dem Disney-Film "Tierisch wild" gehen New Yorker Zootiere auf die Suche nach einem Löwenkind.
"Flug 93"
USA 2005, Regie: Peter Greengrass, Hauptdarsteller: David Alan Basche, Liza Coton-Zayas, ab 12 Jahre

"Flug 93" von Paul Greengrass (B+R), einem britischen Autor und Filmemacher, der 2002 mit seinem politischen Nordirland-Drama "Bloody Sunday" den "Goldenen Berlinale-Bär" gewann und 2004 mit dem Action-Kracher "Die Bourne Verschwörung" wiederum (diesmal genremäßig) sehr angenehm auffiel.

Bei dieser 15 Millionen Dollar teuren Co-Produktion (USA/GB/Fr) handelt es sich um den ersten ("Quasi"-)Hollywoodfilm, der das Thema "11. September 2001" behandelt: Während zwei Passagierflugzeuge das World Trade Center zerstören und eine dritte Maschine ins Pentagon rast, stürzt ein viertes gekapertes Flugzeug mit Kurs auf Washington, das Weiße Haus, auf ein freies Feld in Pennsylvania ab, nachdem die Passagiere Widerstand geleistet haben.

Was sich während dieses Fluges in diesem Flugzeug abgespielt hat, rekonstruiert dieser 111-minütige Film, der sich jeder Glorifizierung, jedes Heldentums, jeder Heroisierung, jedem ("Rambo"-)Patriotismus enthält sowie sich auch einer etwaigen Starbesetzung, einem Star-Ensemble versagt. Sondern nüchtern-dokumentarisch die bitteren Fakten nachblättert, bei denen es kein Happy End geben kann.

Greengrass hatte vorher "seine Hausaufgaben" bestens erledigt: Er studierte den Report der "9/11"-Kommission, hörte sich die Stimmen-Aufzeichnungen aus dem Cockpit an, studierte die Protokolle der Fluglotsen, führte mehr als 100 persönliche Gespräche mit dem beteiligten Luftfahrt- und Militärpersonal sowie mit Familienmitgliedern und Freunden der Opfer.

Wichtig waren zudem auch die Aufzeichnungen der letzten Telefongespräche, die von den Insassen der Maschine geführt wurden. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Ein hervorragendes, sensibles, nervenaufreibendes filmisches Mahnmal. Schwer kino-verdaulich, aber wichtig, bedeutsam, informativ-spannend, wütend wie sehr traurig machend. Natürlich.

"Ausgezeichnet, aber unerträglich", urteilte z.B. die "New York Daily News". Wie gesagt, ohne namhafte Hollywood-Akteure, stattdessen wurden echte Stewardessen und Piloten für die Rollen besetzt. Einige der Fluglotsen hier sind genau die, die auch am 11.9.2001 Dienst hatten. Der Chef der Bundesflugbehörde "Federal Aviation Administration" (FAA), Ben Sliney, der just an jedem schicksalhaften Tag seinen neuen Job antrat, spielt sogar sich selbst. Die Skepsis gegenüber diesem ("Hollywood"-)Spielfilm-Projekt vorher erweist sich Gott sei Dank als unbegründet: "Flug 93" ist die exzellente Aufarbeitung schlimmer aktueller Zeitgeschichte.

"KussKuss"
Deutschland/Schweiz 2005, Regie: Sören Senn, Hauptdarsteller: Saïda Jawad, Axel Schrick

"KUSSKUSS" von Sören Senn, ist dessen erfreulich unkonventioneller Abschlussfilm (Regie-Diplomfilm) an der Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" in Potsdam. Erzählt wird die hintergründig-lakonische Geschichte einer couragierten Ärztin, die ihren Freund zur Scheinheirat mit einer sich "illegal" in Deutschland aufhaltenden jungen Frau als Algerien drängt. Doch aus dem anfänglichen Akt der Nächstenliebe entsteht "richtige" Liebe.

Tragikomische Melancholie über ein aktuelles deutsches Gesellschaftsthema zwar mitunter konstruiert und nicht immer nachvollziehbar wirkend, aber auch mit erfrischend-lockeren Gedanken und Pointen begleitet. Lief auf zahlreichen internationalen Festivals und wurde wegen seiner angenehm-unangestrengten Art und den ungewöhnlichen Zwischentönen hervorgehoben und gelobt. Carina Wiese als Ärztin Katja ist eine Entdeckung.

"Tierisch wild"
USA 2006, Regie: Steve "Spaz" Williams

"Tierisch wild" von Steve "Spaz" Williams, einem bei vielen Hollywood-Produktionen innerhalb des Trick-Teams mitarbeitenden Cartoonisten/Zeichner, der hier sein Animations-Regie-Debüt vorzeigt. Dabei kommt einem die Story aus Filmen wie "Madagascar" oder "Findet Nemo" bekannt vor: New Yorker Zoo-Tiere machen sich auf die gemeinsame Suche nach einem abgehauenen Löwen-Sohn. Landen schließlich auf einer Vulkaninsel und müssen sich dem ungewohnten Wildnisleben "stellen".

Disneys zweiter "eigener Film" ohne den Hitgaranten Pixar ("Toy Story" usw., den er aber inzwischen bekanntlich für viele Millionen Dollar "eingemeindet" hat) kommt mit vielen (ordentlichen) Effekten daher, ist also visuell ganz interessant, lahmt aber in Sachen Ideen, Pointen, Originalität. Einige Randepisoden werten die rührselige Show ein bisschen auf, insgesamt aber ein nur mageres, bescheidenes Animationsvergnügen.