Die Filme wuchsen mit den Protagonisten

Von Waltraud Tschirner · 25.08.2011
Kurz nach dem Mauerbau 1961 machte sich Winfried Junge auf in Richtung Oderbruch und begann seinen Dokumentarfilm "Die Kinder von Golzow". Die Kinder wurden erwachsen, die Mauer fiel, doch Winfried Junge blieb und drehte weiter.
Warum Winfried Junge ausgerechnet an die Oder ging, das erklärte sein renommierter Dokumentarfilmziehvater Karl Gass später einmal so:

"Das war damals der erste Film eines jungen Assistenten, der die Filmhochschule absolviert hatte. Und wir sind nach dem Prinzip vorgegangen: Es arbeitet sich zunächst am leichtesten mit Kindern. Wir haben uns orientiert - um keine Vorzeigeprojekte im Film zu präsentieren - in einer Gegend, die es am schwersten hatte: nämlich der Oderbruch. Weil wir der Überzeugung waren, dass sich im Laufe der Jahre etwas entwickeln würde, was mit Entwicklung und Fortschritt im Sozialismus etwas zu tun hat."

Und wie es sich entwickelte. Erst gab es Kurzfilme, dann wurden die filmischen Dokumente aus Golzow immer länger - wuchsen quasi mit den Kindern, die sich auch immer pointierter in Szene setzten:

"Wenn man immer schweigend 'Ja und Amen' sagt, dann wird ja auch nichts geändert oder jemandem damit geholfen."

Die Kinder wurden erwachsen, die Mauer fiel – Winfried Junge blieb, hatte mittlerweile seine Cutterin und Ehefrau Barbara mit ins Boot geholt, man drehte weiter und weiter. Auch die internationale Filmwelt kannte inzwischen den Doppelbegriff Golzow-Junge und wollte mehr.

Nicht alle Protagonisten waren gleichermaßen erbaut von der dauernden Anwesenheit der Kamera. Einige verweigerten sich, für andere wurden die Dreharbeiten zur Verhandlungssache:

Filmausschnitt: "Die Kinder von Golzow"
"Die Frage ist eben die, wie weit er geht, der Einblick in die Familie. Solange es der Arbeitsplatz ist, da geht es ja noch, aber wenns denn in Richtung Schlafzimmer marschiert."

Und für manche der "Kinder von Golzow" blieb der Wunsch, auch endlich ihr Lebensporträt zu kriegen lange unerfüllt – wie für Eckhard – zwar hatte er vollstes Verständnis.

"Ich war nicht so von Anfang an der Liebling - der Star so im Porträt. Eben mehr so im Hinterhalt."

Aber, dass ihm da bisher etwas ganz Wertvolles vorenthalten worden war, das war ihm genauso klar.

"Klar - ein zusammenhängender Film über sich selber wäre mal nicht schlecht."

Links bei dradio.de:

"Ästhetik des Vertrauens" - Winfried Junge über seine Langzeitdokumentation "Die Kinder von Golzow"
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