Die Faszination der Shopping-Tempel

Warum ziehen uns überlebensgroße Shoppingtempel mit Prunkarchitektur an, was entzückt uns an der bunten Überfülle von orientalischen Märkten, wieso verführt uns kunstvoll arrangierte und präsentierte Ware? Dass der zeitgenössische Mensch ein Konsumtier ist, sagen die Soziologen schon längst, und dass der Konsument nicht nur aufgrund rationaler Bedürfnisse einkauft, sondern auch durch schöne Sinneseindrücke und positive Gefühle zum Kaufen gebracht werden kann, weiß die Wirtschaft auch schon seit jeher.
Der Medientheoretiker und Unternehmensberater Christian Mikunda, der sich schon seit Jahren mit Marketing und Emotionen beschäftigt, versucht nun diesen Zusammenhang systematisch zu erklären. Sein neues Buch "Warum wir uns Gefühle kaufen. Die 7 Hochgefühle und wie man sie weckt" – selbst ein verführerisch präsentiertes Werk auf schwerem Papier gedruckt und mit Goldlettern auf dem Einband – bietet eine Klassifizierung der kommerziell nutzbaren Hochgefühlen.

Mikunda geht von sieben Hochgefühlen aus, die er von den traditionellen christlichen sieben Todsünden ableitet (und aus nicht völlig zwingenden Gründen mit englischen Namen versieht): Zunächst gibt es "Glory", das ist das Hochgefühl, das wir haben, wenn wir erhabenen Naturphänomenen wie den Wasserfällen des Iguazu oder großartigen Tempelanlagen oder eben auch übergroßen Shopping Malls gegenüberstehen, es ist die für Mikunda die gereinigte Form des Hochmuts.

"Joy" nennt er sodann den Freudentaumel, die sinnliche Lust am Überfluß und an der Verschwendung und das positive Gegenstück zur Völlerei.

"Power" ist drittens die Kraftstärke der geballten Faust des siegreichen Sportlers, das Gefühl von Macht und Muskeln – und die gute Art des Zorns.

"Bravour" ist viertens die positive Variante von Neid, unsere Bewunderung für Raffinesse und Virtuosität – sei es in der Technologie eines Autos oder im Bravour-Spiel eines Geigenvirtuosen.

"Desire" nennt Mikunda fünftens die gereinigte Form der Gier, unser Begehren nach Produkten, auf die man uns gespannt macht, für die wir angeheizt werden und für die wir ein Jagdfieber entwickeln.

"Intensity" leitet Mikunda sechstens von Wollust ab, es ist die nicht-sexuelle Verzückung, die einen etwa beim Hören besonders intensiver Musik übermannen kann.

"Chill" schließlich kommt von Trägheit, es ist das Gefühl der Entspannung, dem wir etwa in Sessellandschaften in Buchkaufhäusern gerne nachgehen, die uns zum Verweilen einladen.

Mikunda beschreibt alle diese positiven Gefühle und die sie auslösenden Situationen und Produkte ausführlich und mit zahllosen Beispielen und Anekdoten aus seinen eigenen Reisen zu den Zentren des Kommerzes, von Japan bis Dubai, von Wien bis Rio de Janeiro. Diese Weitschweifigkeit ist vielfach anregend und manches ist sehr einleuchtend; etwas gar leichtfertig geht Mikunda allerdings mit seinen Grundannahmen um.

Dass die katholische Kirche in basalen negativen, aggressiven und sexuellen Emotionen ein Problem sah, heißt ja nicht, dass wir die heute noch als Todsünden auffassen sollten und noch immer nur ihre gereinigte Form akzeptieren können; auch dass der Mensch letztlich nur mittels solcher sublimierter, positiver und wünschenswerter Gefühle gelenkt werde, ist nicht so selbstverständlich, wie Mikunda anzunehmen scheint: Gerade negative Emotionen wie Neid oder Konkurrenzgefühle sind empirisch gesehen auch starke Konsumanreize.

Und da Mikunda überdies auch nicht im Ansatz ein Problem in der vollständigen Kommerzialisierung der begrenzten Resource Erde zu sehen scheint, ergibt sich bei ihm letztlich doch ein etwas allzu harmonisches und positiv-freundliches Bild des globalen Kommerzes. Trotzdem: Wer eine Erklärung dafür sucht, warum dieser so gut funktioniert, wie er es tut, wird bei Mikunda sicher viel Anregendes finden.

Besprochen von Catherine Newmark

Christian Mikunda: Warum wir uns Gefühle kaufen. Die 7 Hochgefühle und wie man sie weckt
Econ Verlag, Berlin 2009
272 Seiten, 29,90 Euro