Die Familienpolitik von Schwarz-Rot

Von Jacqueline Boysen |
Was waren das für Zeiten, als Helmut Kohl dereinst in sonderbarer Artikulation von der Familie predigte, aber an Zuwendungen außer dem Kindergeld höchstens mittelbare Hilfen wie Eigenheimzulagen oder später das BAFöG Familien mit Kindern, wie es so schön hieß, zugute kamen!
Dem Nachfolgekanzler war Familienpolitik irgendwie nicht sexy genug, immerhin aber passte er den Familienbegriff der Realität im Lande an. Berufstätigen Müttern, Alleinerziehenden und Patchworkfamilien wurde aus dem gesellschaftlichen Abseits herausgeholfen.

Dass dennoch weder Scheidungsraten, noch die Zahl der Kinderlosen sinken und dass das Armutsrisiko kinderreicher Familien sich nicht eindämmen lässt, ist beschämend und eine Hypothek, mit der die neue Regierung belastet ist.

Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen präsentiert sich nun als Tausendsassa und will all diese Übel mit etatistischen Eingriffen abstellen. Offenbar schlägt sie hier und da – sicherlich in bester Absicht – über die Stränge: Schon in Genshagen, wird kolportiert, habe die Kanzlerin ihr vorrechnen müssen, wo die Grenzen ihrer Bemühungen liegen und wo Frau von der Leyen auf dem Holzweg ist.

Die jetzt diskutierten steuerlich absetzbaren Kinderbetreuungskosten sind nur für denjenigen von Vorteil, der Steuern zahlt. Wer aber von staatlicher Unterstützung leben muss, dem wird so nicht geholfen. Wohl schafft der Staat hier einen Anreiz für junge Eltern, ihrem Beruf nachzugehen, aber letztlich auch keine auch Arbeit. Das Resultat: Erwerbstätige Eltern sind im Vorteil gegenüber jenen, die keine Arbeit haben und doch besonderer Hilfe bedürften. Weder der vorliegende Gesetzentwurf noch die weitergehenden Forderungen einzelner SPD- oder CSU-Politiker, die auch Betreuungskosten für Kleinkinder komplett auf die Steuer anrechnen wollen, lösen diesen Konflikt – ein Konflikt, auf den immerhin schon das Bundesverfassungsgericht hingewiesen hat: Zwischen Erwerbstätigen und Erwerbslosen darf es keine steuerliche Ungleichbehandlung geben.

Die Bundesfamilienministerin fühlt sich an die Beschlüsse der Kabinettsklausur im Interesse ihrer guten Sache offenbar nicht gebunden: Sie plädiert für kostenfreie Kindergartenplätze – das fällt ihr leicht, da ihr Budget davon nicht betroffen wäre, sondern die Kassen von Kommunen und freien Trägern. Sicher wäre der kostenlose Kindergarten für alle ideal. Aber Kommunen und Kirchen, Wohlfahrtsverbände und wer noch Kitas unterhält – sie alle schwimmen nicht im Geld. Und also würde der Gratis-Besuch des Kindergartens wieder jene Eltern begünstigen, die eigentlich zahlen könnten. Diese Ungerechtigkeit kennen wir vom Studium: die Gemeinschaft finanziert die teure Ausbildung von Akademikern.

Über all dem sollten wir nicht vergessen: Geld ist nicht alles. Auf die Qualität der Kinderbetreuung kommt es an und darauf, dass der Staat dort Geld gibt, wo es nötig ist. Stabilität in Familien aber kann auch die familienpolitische Musterschülerin Ursula von der Leyen nicht erkaufen.