"Die Familie steht für mich an erster Stelle"
In der Diskussion um das Grundsatzprogramm und die Neuausrichtung ihrer Partei hat die thüringische Landtagspräsidentin, Mitglied in der Grundsatzprogramm-Kommission, Dagmar Schipanski, den Erhalt der konservativen Werte in der CDU betont. Als Professorin und Mutter von drei Kindern sehe sie sich dabei als Vertreterin der modernen CDU. Das sei ein Ausbruch aus dem traditionellen Familienbild, welches die Frau am Herd sehe.
Frank Capellan: Zum Interview begrüße ich nun die Landtagspräsidentin von Thüringen, Dagmar Schipanski, Christdemokratin und Mitglied in der Grundsatzkommission ihrer Partei. Ich grüße Sie!
Dagmar Schipanski: Guten Morgen, ich begrüße Sie recht herzlich.
Capellan: Frau Schipanski, wir wollen darüber reden, wohin sich die CDU in den kommenden Jahren programmatisch entwickeln könnte. Da hat es ja in den vergangenen Wochen bemerkenswerte Äußerungen geben, wenn ich zum Beispiel an Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble denke, der sagt, schwarz-grün darf nicht weiter tabuisiert werden. Hat es Sie eigentlich überrascht, dass ausgerechnet Schäuble diese Debatte angestoßen hat?
Schipanski: Es hat mich nicht überrascht, dass Herr Schäuble diese Debatte angestoßen hat, weil Herr Schäuble ja jemand ist, der in unserer Partei die Probleme sehr sorgfältig analysiert und schon häufig mal zu ganz unkonventionellen Lösungen gekommen ist.
Capellan: Aber steht nicht gerade Wolfgang Schäuble für konservative Werte, die es möglicherweise doch schwer machen, sich ausgerechnet den Grünen zu nähern?
Schipanski: Wolfgang Schäuble steht für konservative Werte, so wie wir alle in der CDU. Die Grünen haben, finde ich, nur einen einzigen Teil sich herausgenommen aus diesen konservativen Werten, das heißt, sie haben die Natur in den Vordergrund gestellt, aber konservativ sein heißt ja wesentlich mehr gesellschaftliche Bereiche dann zu umfassen.
Capellan: Welche zum Beispiel?
Schipanski: Für mich steht an erster Stelle die Familie, die einen sehr hohen Stellenwert seit eh und je in der Programmatik der CDU hat und ich betone das so, weil ich eine der Frauen bin, die, glaube ich, typisch sind für die moderne CDU. Ich bin ein fester Familienmensch, bin fest in meiner Familie verankert, habe aber ein Leben lang auch einen Beruf ausgeübt und nicht gerade einen anspruchslosen. Ich habe immerhin eine C4-Professur an der Universität für Festkörperelektronik.
Capellan: Aber gerade wenn wir das Beispiel Familie nehmen, erleben wir da nicht – insbesondere nun auch in der Union –, dass sich dort das traditionelle Familienbild verändert? Also, die Frau kümmert sich um die Kinder, der Mann bringt das Geld nach Hause, das gilt doch auch für Christdemokraten nicht mehr, oder?
Schipanski: Nein, das habe ich ja gerade betont, denn wenn ich sage, dass ich eine C4-Professur innehabe und eine fünfköpfige Familie, dann bedeutet das natürlich einen Aufbruch aus dem traditionellen Familienbild, das die Frau am Herd sieht. Nein, das Familienbild, das wir vertreten, ist trotzdem konservativ. Konservativ heißt für mich: Prüft alles, was bestehend ist, bewahrt das Gute, aber verändert weiter, denn unsere Welt verändert sich weiter. Und dieses veränderte Familienbild, das die CDU in ihrem Grundsatzprogramm verankert hat, hat eine Wertigkeit in der Familie an sich. Wie jetzt die Familie sich die Arbeit aufteilt, wie sie mit den Kindern umgeht, das hängt von der Verantwortung der einzelnen Familienmitglieder ab, und es heißt ja auch nicht, dass man unbedingt die Verantwortung für die Kinder dem Staat übergibt, nein. Die Eltern übernehmen die Verantwortung für die Kinder und später Kinder für die Eltern. Das heißt, der ideelle, der geistige Zusammenhalt in einer Familie ist ganz wesentlich und wichtig und der wird in unserem Programm betont.
Capellan: Sie spüren aber sicherlich auch, welchen Widerstand es da in Teilen Ihrer Partei ja auch dagegen gibt. Also, die CDU will auf der einen Seite moderner werden, zugleich aber Wurzeln und Werte bewahren, wie Sie das gerade geschildert haben. Da stellt sich die Frage vor allen Dingen nach der CSU, wird die da mitziehen?
Schipanski: Die CSU wird bei uns mitziehen, denn wenn Sie mal eine Analyse sehen, wie viele Frauen gerade in Bayern berufstätig sind und wie viele dort sowieso schon in kleinen und mittelständischen Betrieben arbeiten, in Familienbetrieben, wo immer die Frau mitgearbeitet hat, dann erscheint Ihnen auch ein ganz anderes Bild von Bayern. Ich war sehr erstaunt, ich habe mal eine Analyse gesehen, da haben die Süd-Länder, also, Österreich, die Schweiz und Bayern, eine Analyse gemacht über Frauenbeschäftigung. Und da war Bayern an der Spitze. Das heißt also, wir sollten auch unser Bild, unseren Blick auf die Realitäten einfach anders fassen.
Capellan: Wenn man sich diese Wandlung, gerade mit Blick auf Familienpolitik, vor Augen hält, worüber wir hier gerade gesprochen haben, dann wäre ja schwarz-grün durchaus eine Option, oder nicht?
Schipanski: Ich gehe davon aus, dass wir bei der nächsten Wahl einen sehr hohen Stimmenanteil erringen werden, und dann wird man sehen, welche Koalition man eingeht. Es ist für mich viel zu früh und sehr vorschnell, jetzt eine Koalition schon anzupeilen.
Capellan: Auf der anderen Seite kann man ja feststellen, dass insbesondere die Sozialdemokraten, aber auch zum Teil die Christdemokraten durch diese Große Koalition in Berlin an Wählergunst verlieren, vor allem die Linke scheint ja das Parteiengefüge derzeit durcheinander zu bringen. Ist die Zeit der großen Volksparteien abgelaufen?
Schipanski: Im Moment sieht das Bild in der Gesellschaft sehr differenziert aus. Es kommt, für meine Begriffe, in der Zukunft darauf an, diesem differenzierten Bild klare Konturen zu geben und diese klaren Konturen haben wir mit unserem Grundsatzprogramm geschaffen. Und deshalb gehe ich davon aus, dass auch die CDU wieder zu einer großen Bindungskraft für sehr große Teile der Bevölkerung kommen wird und das heißt, dass die Zeit der großen Volksparteien nicht vorüber ist, aber natürlich kleinere Gruppierungen immer eine Rolle spielen werden.
Capellan: Die Christdemokratin Dagmar Schipanski im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Frau Schipanski, ich danke Ihnen, auf Wiederhören und schönen Tag noch.
Schipanski: Ja, ebenfalls.
Dagmar Schipanski: Guten Morgen, ich begrüße Sie recht herzlich.
Capellan: Frau Schipanski, wir wollen darüber reden, wohin sich die CDU in den kommenden Jahren programmatisch entwickeln könnte. Da hat es ja in den vergangenen Wochen bemerkenswerte Äußerungen geben, wenn ich zum Beispiel an Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble denke, der sagt, schwarz-grün darf nicht weiter tabuisiert werden. Hat es Sie eigentlich überrascht, dass ausgerechnet Schäuble diese Debatte angestoßen hat?
Schipanski: Es hat mich nicht überrascht, dass Herr Schäuble diese Debatte angestoßen hat, weil Herr Schäuble ja jemand ist, der in unserer Partei die Probleme sehr sorgfältig analysiert und schon häufig mal zu ganz unkonventionellen Lösungen gekommen ist.
Capellan: Aber steht nicht gerade Wolfgang Schäuble für konservative Werte, die es möglicherweise doch schwer machen, sich ausgerechnet den Grünen zu nähern?
Schipanski: Wolfgang Schäuble steht für konservative Werte, so wie wir alle in der CDU. Die Grünen haben, finde ich, nur einen einzigen Teil sich herausgenommen aus diesen konservativen Werten, das heißt, sie haben die Natur in den Vordergrund gestellt, aber konservativ sein heißt ja wesentlich mehr gesellschaftliche Bereiche dann zu umfassen.
Capellan: Welche zum Beispiel?
Schipanski: Für mich steht an erster Stelle die Familie, die einen sehr hohen Stellenwert seit eh und je in der Programmatik der CDU hat und ich betone das so, weil ich eine der Frauen bin, die, glaube ich, typisch sind für die moderne CDU. Ich bin ein fester Familienmensch, bin fest in meiner Familie verankert, habe aber ein Leben lang auch einen Beruf ausgeübt und nicht gerade einen anspruchslosen. Ich habe immerhin eine C4-Professur an der Universität für Festkörperelektronik.
Capellan: Aber gerade wenn wir das Beispiel Familie nehmen, erleben wir da nicht – insbesondere nun auch in der Union –, dass sich dort das traditionelle Familienbild verändert? Also, die Frau kümmert sich um die Kinder, der Mann bringt das Geld nach Hause, das gilt doch auch für Christdemokraten nicht mehr, oder?
Schipanski: Nein, das habe ich ja gerade betont, denn wenn ich sage, dass ich eine C4-Professur innehabe und eine fünfköpfige Familie, dann bedeutet das natürlich einen Aufbruch aus dem traditionellen Familienbild, das die Frau am Herd sieht. Nein, das Familienbild, das wir vertreten, ist trotzdem konservativ. Konservativ heißt für mich: Prüft alles, was bestehend ist, bewahrt das Gute, aber verändert weiter, denn unsere Welt verändert sich weiter. Und dieses veränderte Familienbild, das die CDU in ihrem Grundsatzprogramm verankert hat, hat eine Wertigkeit in der Familie an sich. Wie jetzt die Familie sich die Arbeit aufteilt, wie sie mit den Kindern umgeht, das hängt von der Verantwortung der einzelnen Familienmitglieder ab, und es heißt ja auch nicht, dass man unbedingt die Verantwortung für die Kinder dem Staat übergibt, nein. Die Eltern übernehmen die Verantwortung für die Kinder und später Kinder für die Eltern. Das heißt, der ideelle, der geistige Zusammenhalt in einer Familie ist ganz wesentlich und wichtig und der wird in unserem Programm betont.
Capellan: Sie spüren aber sicherlich auch, welchen Widerstand es da in Teilen Ihrer Partei ja auch dagegen gibt. Also, die CDU will auf der einen Seite moderner werden, zugleich aber Wurzeln und Werte bewahren, wie Sie das gerade geschildert haben. Da stellt sich die Frage vor allen Dingen nach der CSU, wird die da mitziehen?
Schipanski: Die CSU wird bei uns mitziehen, denn wenn Sie mal eine Analyse sehen, wie viele Frauen gerade in Bayern berufstätig sind und wie viele dort sowieso schon in kleinen und mittelständischen Betrieben arbeiten, in Familienbetrieben, wo immer die Frau mitgearbeitet hat, dann erscheint Ihnen auch ein ganz anderes Bild von Bayern. Ich war sehr erstaunt, ich habe mal eine Analyse gesehen, da haben die Süd-Länder, also, Österreich, die Schweiz und Bayern, eine Analyse gemacht über Frauenbeschäftigung. Und da war Bayern an der Spitze. Das heißt also, wir sollten auch unser Bild, unseren Blick auf die Realitäten einfach anders fassen.
Capellan: Wenn man sich diese Wandlung, gerade mit Blick auf Familienpolitik, vor Augen hält, worüber wir hier gerade gesprochen haben, dann wäre ja schwarz-grün durchaus eine Option, oder nicht?
Schipanski: Ich gehe davon aus, dass wir bei der nächsten Wahl einen sehr hohen Stimmenanteil erringen werden, und dann wird man sehen, welche Koalition man eingeht. Es ist für mich viel zu früh und sehr vorschnell, jetzt eine Koalition schon anzupeilen.
Capellan: Auf der anderen Seite kann man ja feststellen, dass insbesondere die Sozialdemokraten, aber auch zum Teil die Christdemokraten durch diese Große Koalition in Berlin an Wählergunst verlieren, vor allem die Linke scheint ja das Parteiengefüge derzeit durcheinander zu bringen. Ist die Zeit der großen Volksparteien abgelaufen?
Schipanski: Im Moment sieht das Bild in der Gesellschaft sehr differenziert aus. Es kommt, für meine Begriffe, in der Zukunft darauf an, diesem differenzierten Bild klare Konturen zu geben und diese klaren Konturen haben wir mit unserem Grundsatzprogramm geschaffen. Und deshalb gehe ich davon aus, dass auch die CDU wieder zu einer großen Bindungskraft für sehr große Teile der Bevölkerung kommen wird und das heißt, dass die Zeit der großen Volksparteien nicht vorüber ist, aber natürlich kleinere Gruppierungen immer eine Rolle spielen werden.
Capellan: Die Christdemokratin Dagmar Schipanski im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Frau Schipanski, ich danke Ihnen, auf Wiederhören und schönen Tag noch.
Schipanski: Ja, ebenfalls.