Die Euphorie ist gewichen
"Continuities and Dislocations" - "Kontinuitäten und Brüche", so ist die Konferenz der Deutschen Afrikanisten überschrieben, die sich in Mainz derzeit Afrika rund 50 Jahre nach der Unabhängigkeit vieler Länder des Kontinents widmet. Sie versucht eine Antwort darauf zu geben, was die Unabhängigkeit dem Kontinent gebracht hat.
Damals, Anfang der 60er-Jahre, war das Weltbild noch geordnet: dort die europäischen Kolonisten, hier die nach Freiheit strebenden Kolonisierten. Die schöne Klarheit hat sich aufgelöst seitdem. Die Afrikaner haben gelernt, dass nicht alle Missstände und Fehlentwicklungen auf den Kolonialismus zurückgehen. Potentaten und Gewaltherrscher stammen auch aus den eigenen Reihen. Insofern, erläutert Andreas Eckert, Professor für Afrikanistik in Berlin, ziehen die Afrikaner nach 50 Jahren Unabhängigkeit ein sehr gemischtes Fazit.
"Ich glaube schon, dass im Moment die Krisenerzählung und die negative Erzählung deutlich überwiegt. Auch deswegen, weil nach 1990 und den damit verbundenen Hoffnungen und dem Wind des Wandels, der angeblich durch Afrika wehte, nach mehr Demokratisierung doch einen relativ große Enttäuschung darüber zu beobachten ist, dass viel demokratische Versuche stecken geblieben sind. ... Von daher würde ich sagen, schon eine eher ernüchterte Stimmung, aber vielleicht auch eine sehr sachliche Stimmung in dem Sinne, dass jetzt niemand oder die, die sich mit Afrika beschäftigen, weder diesen Überschwang und diesen Enthusiasmus, der in den 60er-Jahren bei vielen zu beobachten war, an den Tag legen noch jetzt wirklich ein ganz düsteres apokalyptisches Krisenszenario aufbauen."
Insofern, erläutert der in Frankfurt lehrende Ethnologe Mamadou Diaware, haben die Afrikaner eine gewaltige kulturelle Aufgabe vor sich: nämlich ihr Verhältnis zu sich selbst neu zu definieren.
"Aber was wichtig ist in diesem dritten Millennium, ist, dass dieser Miserabilis - also wir sind ja arm, hungrig und so fort - damit fängt man nun an, aufzuhören. Es geht nicht mehr darum, zu sagen, der andere ist schuld, der schwarze Peter ist der Franzose, der schwarze Peter ist der Engländer, der schwarze Peter ist der IWF. ... Es geht darum, jenseits dieser Schwierigkeiten zu gehen. Es wird nicht leicht sein, und man wird nicht einfach denken, dass mit dieser Demokratisierung, dass mit diesem neuen Schwung, dass es damit fertig geworden ist."
Umso wichtiger, erläutert der sudanesische Mediziner und Journalist Magdeldin El-Gizouli, ist für viele Afrikaner die Bildung. Sie versuchen ihren eigenen Weg zu gehen - und der führt sehr oft über die Schulen und Universitäten.
"Für die meiste junge Bevölkerung ist es die einzige Möglichkeit, ein bisschen rauszukommen. Und es ist auch eine Investition in die Zukunft für viele Leute. Es ist Bildung für die drei letzten Generationen war der Sprungbrett von Armut zu einem Mittelklasseleben. ... Der Großvater war ein Bauer, der Vater ... ist zur Grundschule gegangen, und der Sohn geht in die Uni. So ist die Linie in vielen Fällen."
Doch dieser Weg wird immer schwieriger. Denn Bildung wird auch im Sudan zu einem knappen Gut.
"Für lange Zeit war Bildung auch ein staatliches Projekt. Heute nicht mehr. Heute ist es schwer vernachlässigt. ... In den 60ern, 70ern war Sudan fähig, auch genug Gelder in Bildung zu investieren, um eine Ausbildungselite zu schaffen. Und diese Elite haben wir zum Teil verloren wegen Auswanderung. Was heute im Land bleibt, sind eine schlecht ausgebildete Klasse von Leuten, die in der Regierung ihre einzige Rettungsmöglichkeit sehen."
Das hat Folgen: Die aktuellen Konflikte, die sein Land jetzt durchleidet, erläutert Magdeldin El-Gizouli, wären vor einigen Zeit auf keinen fruchtbaren Boden gefallen – viele Menschen hätten sich durch die gegenwärtige Rhetorik abgestoßen gefühlt. Und so, erläutert Andreas Eckert, hat die Kultur als ideologisches Propagandainstrument längst noch nicht ausgedient.
"Es gibt auf der einen Seite durchaus eine Tendenz, sagen wir mal, die Nation zu stärken. ... Auf der anderen Seite gibt es natürlich schon Menschen - das sind durchaus auch gut gebildete Leute - , die auf die ethnische Karte setzen. (...) Also man kann, glaube ich nicht behaupten, dass gerade die gebildeten Jüngeren sich von dieser Ethnizitätsmanipulation und Ethnisierung von Konflikten, sondern im Gegenteil das durchaus auch als Instrument auch im politischen Kampf und in der politischen Auseinandersetzung nutzen. Auch hier ist das Bild sehr, sehr heterogen."
Doch in einem Punkt sind sich viele Afrikaner einig: Der Norden verhält sich ihnen gegenüber allzu reserviert. Die Globalisierung heißt es, überwindet die Grenzen. Das stimmt, erklärt Ethnologe Mamadou Diaware - allerdings nur in einer Richtung.
"Wenn wir nur als bloße Migranten, die nach Europa wollen oder nach Amerika wollen, dargestellt werden, da haben wir eine ganz klare Vorstellung von unserer Identität: Wir sind die, die einfach schön hinüber nicht dürfen, das ist ja klar - oder wir sind diejenigen, die an dieser Globalisierung an der anderen Richtung nicht teilnehmen dürfen. Weil die anderen nehmen ja teil, die kommen ja zu uns. ... Aber in der anderen Richtung funktioniert es nicht. Also das ist die Globalisierung als Einbahnstraße."
Lässt sich ein Fazit ziehen über einen so riesigen Kontinent? Eines vielleicht: Die Euphorie der frühen Unabhängigkeit ist verschwunden. An ihre Stelle ist eine neue Nüchternheit getreten.
"Ich glaube schon, dass im Moment die Krisenerzählung und die negative Erzählung deutlich überwiegt. Auch deswegen, weil nach 1990 und den damit verbundenen Hoffnungen und dem Wind des Wandels, der angeblich durch Afrika wehte, nach mehr Demokratisierung doch einen relativ große Enttäuschung darüber zu beobachten ist, dass viel demokratische Versuche stecken geblieben sind. ... Von daher würde ich sagen, schon eine eher ernüchterte Stimmung, aber vielleicht auch eine sehr sachliche Stimmung in dem Sinne, dass jetzt niemand oder die, die sich mit Afrika beschäftigen, weder diesen Überschwang und diesen Enthusiasmus, der in den 60er-Jahren bei vielen zu beobachten war, an den Tag legen noch jetzt wirklich ein ganz düsteres apokalyptisches Krisenszenario aufbauen."
Insofern, erläutert der in Frankfurt lehrende Ethnologe Mamadou Diaware, haben die Afrikaner eine gewaltige kulturelle Aufgabe vor sich: nämlich ihr Verhältnis zu sich selbst neu zu definieren.
"Aber was wichtig ist in diesem dritten Millennium, ist, dass dieser Miserabilis - also wir sind ja arm, hungrig und so fort - damit fängt man nun an, aufzuhören. Es geht nicht mehr darum, zu sagen, der andere ist schuld, der schwarze Peter ist der Franzose, der schwarze Peter ist der Engländer, der schwarze Peter ist der IWF. ... Es geht darum, jenseits dieser Schwierigkeiten zu gehen. Es wird nicht leicht sein, und man wird nicht einfach denken, dass mit dieser Demokratisierung, dass mit diesem neuen Schwung, dass es damit fertig geworden ist."
Umso wichtiger, erläutert der sudanesische Mediziner und Journalist Magdeldin El-Gizouli, ist für viele Afrikaner die Bildung. Sie versuchen ihren eigenen Weg zu gehen - und der führt sehr oft über die Schulen und Universitäten.
"Für die meiste junge Bevölkerung ist es die einzige Möglichkeit, ein bisschen rauszukommen. Und es ist auch eine Investition in die Zukunft für viele Leute. Es ist Bildung für die drei letzten Generationen war der Sprungbrett von Armut zu einem Mittelklasseleben. ... Der Großvater war ein Bauer, der Vater ... ist zur Grundschule gegangen, und der Sohn geht in die Uni. So ist die Linie in vielen Fällen."
Doch dieser Weg wird immer schwieriger. Denn Bildung wird auch im Sudan zu einem knappen Gut.
"Für lange Zeit war Bildung auch ein staatliches Projekt. Heute nicht mehr. Heute ist es schwer vernachlässigt. ... In den 60ern, 70ern war Sudan fähig, auch genug Gelder in Bildung zu investieren, um eine Ausbildungselite zu schaffen. Und diese Elite haben wir zum Teil verloren wegen Auswanderung. Was heute im Land bleibt, sind eine schlecht ausgebildete Klasse von Leuten, die in der Regierung ihre einzige Rettungsmöglichkeit sehen."
Das hat Folgen: Die aktuellen Konflikte, die sein Land jetzt durchleidet, erläutert Magdeldin El-Gizouli, wären vor einigen Zeit auf keinen fruchtbaren Boden gefallen – viele Menschen hätten sich durch die gegenwärtige Rhetorik abgestoßen gefühlt. Und so, erläutert Andreas Eckert, hat die Kultur als ideologisches Propagandainstrument längst noch nicht ausgedient.
"Es gibt auf der einen Seite durchaus eine Tendenz, sagen wir mal, die Nation zu stärken. ... Auf der anderen Seite gibt es natürlich schon Menschen - das sind durchaus auch gut gebildete Leute - , die auf die ethnische Karte setzen. (...) Also man kann, glaube ich nicht behaupten, dass gerade die gebildeten Jüngeren sich von dieser Ethnizitätsmanipulation und Ethnisierung von Konflikten, sondern im Gegenteil das durchaus auch als Instrument auch im politischen Kampf und in der politischen Auseinandersetzung nutzen. Auch hier ist das Bild sehr, sehr heterogen."
Doch in einem Punkt sind sich viele Afrikaner einig: Der Norden verhält sich ihnen gegenüber allzu reserviert. Die Globalisierung heißt es, überwindet die Grenzen. Das stimmt, erklärt Ethnologe Mamadou Diaware - allerdings nur in einer Richtung.
"Wenn wir nur als bloße Migranten, die nach Europa wollen oder nach Amerika wollen, dargestellt werden, da haben wir eine ganz klare Vorstellung von unserer Identität: Wir sind die, die einfach schön hinüber nicht dürfen, das ist ja klar - oder wir sind diejenigen, die an dieser Globalisierung an der anderen Richtung nicht teilnehmen dürfen. Weil die anderen nehmen ja teil, die kommen ja zu uns. ... Aber in der anderen Richtung funktioniert es nicht. Also das ist die Globalisierung als Einbahnstraße."
Lässt sich ein Fazit ziehen über einen so riesigen Kontinent? Eines vielleicht: Die Euphorie der frühen Unabhängigkeit ist verschwunden. An ihre Stelle ist eine neue Nüchternheit getreten.