Die Esperanto-Künstler

Von Bettina Ritter · 19.04.2006
Ein bisschen Portugiesisch, eine Menge Spanisch, eine kleine Prise Englisch und ein wenig Deutsch - Esperanto ist eine Kunstsprache, schon fast 120 Jahre alt, doch immer noch wenig bekannt. Das wollen zwei junge Künstler aus Kopenhagen ändern. Sie entwerfen spezielle Möbel, designen T-Shirts und kreieren ausgefallenen Gerichte - passend zu Esperanto.
Ein kahler Raum mit weißen Wänden. In der Mitte ein einfacher, brauner Holztisch mit ein paar Stühlen. Hier sitzen ein Mann und eine Frau nah beieinander. Er führt seine Hand an ihren Mund. Nein, keine Liebesszene. Sie hat sich mit Joghurt bekleckert. Eine Episode einer ganz normalen TV-Serie. Doch die Sprache ist außergewöhnlich - es ist Esperanto.

"Alles fing vor etwa zweieinhalb Jahren an. Wir hatten diese Idee, eine Esperanto-Sitcom zu machen. Dann realisierten wir ziemlich schnell, dass das ein viel größeres Projekt wurde, als wir ursprünglich dachten."

Daniel Salomon und Olof Olsson sitzen im Café der Akademie der Künste in Berlin, einem geschäftigen Treffpunkt während der Biennale. Salomon ist 29 und trägt einen dunklen Rollkragenpullover unter dem Nadelstreifenanzug. Olsson wirkt in seiner knallroten Sportjacke über der beigefarbenen Bügelfalten-Hose deutlich jünger als 40. Das dänisch-schwedische Künstlerduo lernte sich vor sieben Jahren auf der Königlich Dänischen Kunstakademie in Kopenhagen kennen.

"Wir wollen eine populäre Kultur für diese Sprache produzieren. Esperanto hat ja keine eigene Kultur oder ein Land, aus dem es stammt. Für eine Pop-Kultur braucht man natürlich ein bisschen Musik, eine Fernseh-Kultur und eine Tradition des Essens."

Auf ihrem weißen Apple-Laptop zeigen die Künstler einen Film über eines ihrer vergangenen Projekte. "Ovo", das ist das Wort für "Ei" in Esperanto. Vor einem knappen Jahr eröffneten Salomon und Olsson einen kleinen Imbiss in Kopenhagen mit demselben Namen. Hinter einer Theke verkauften sie zwei Monate lang ausschließlich weichgekochte Eier. Ein Esperanto-Angriff auf die Fast-Food-Kultur, so Olof Olsson.

"Für uns ist das Ei die ultimative Esperanto-Zutat. Man sieht es wirklich überall auf der Welt. Und wir finden das Ei natürlich auch toll wegen seiner Einfachheit und der Schönheit seiner Form."

Mit ihren Aktionen dringen die Künstler in national und kulturell klar definierte Sphären ein und sprengen sie auf. Der amerikanischen Hamburger-Kultur setzen sie das schlichte und weltweit verfügbare Ei entgegen. Für ein anderes Projekt de- und rekonstruierten sie Möbelstücke. Aus Küchenschrank wird Tisch - beim Zimmern einer Esperanto-Welt darf auch die Wohnkultur nicht außen vor bleiben.

Ihr gesamtes Projekt nennen sie "La Loko" - "Der Ort". Ein mentaler Raum außerhalb der realen Welt: "elastisch, polymorph und mobil" – genau wie die Kunstsprache selbst. Da beide aus multi-nationalen Familien kommen, war es fast logisch, Esperanto als Mittel des künstlerischen Ausdrucks zu wählen.

"Ich wurde in Dänemark geboren. Als ich fünf war, zog ich mit meiner Familie nach Frankreich, mit 22 ging ich wieder zurück nach Kopenhagen. Wenn ich auf meine künstlerische Arbeit zurückblicke, ist das, was verbindet, die Sprache. Manchmal weiß ich gar nicht, in welcher ich denken soll, das ist ziemlich verwirrend. Aber gerade das ist sehr produktiv für mich."

"Ich bin ein Produkt des aufkommenden Pauschal-Urlaubs der 60er Jahre. Meine holländische Mutter und mein schwedischer Vater trafen sich auf Mallorca, verliebten sich und heirateten. Ich wuchs in Schweden auf, spreche Schwedisch, Holländisch, Dänisch, Englisch und ein bisschen Deutsch. Aber am meisten fühle ich mich in Esperanto zuhause."

Ihr neues Projekt: Bis zur Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika wollen die beiden eine Esperanto-Mannschaft auf die Beine stellen. Einerseits, um die Idee hinter Esperanto bekannter zu machen - Frieden und Völkerverständigung. Und anderseits, um das System des organisierten Fußballs und dessen nationale Chauvinismen mit einem staatenlosen Team zu konfrontieren.

"Die FIFA, die Vereinigung der nationalen Fußballverbände aller Kontinente, und die Esperanto-Bewegung entstanden Anfang des 20. Jahrhunderts aus demselben Geist heraus - Freundschaften über nationale Grenzen hinweg zu pflegen. Damals ging es im Sport mehr um das gemeinsame Treffen und Spielen. Heute ist das ganz anders. Während in der Politik die Idee von den unterschiedlichen Staaten immer weniger Sinn macht, wird das nationale Element beim Fußball immer wichtiger."

Dass das Team zur Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika zugelassen wird, ist mehr als unwahrscheinlich. Trotzdem: Die Aufmerksamkeit für den Versuch ist "La Loko" schon jetzt sicher. Und auch das wird den beiden Künstlern dabei helfen, ihre Utopie von einer besseren, einer Esperanto-Welt, Wirklichkeit werden zu lassen.