Die erleuchtete Metropole
Angesichts der Klimakatastrophe und explodierender Stromkosten soll überall Energie gespart werden. Das war in den ersten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts noch ganz anders. Wie die deutsche Hauptstadt ihr Erscheinungsbild durch die Elektrifizierung änderte, erzählt die Ausstellung "Berlin im Licht" im Märkischen Museum Berlin.
"Als Ausgangspunkt unserer Ausstellung haben wir die Frage gewählt, was hat sich durch künstliches Licht in Berlin verändert?"
Viel, beinahe alles, so könnte man sagen. Franziska Nentwig, Generaldirektorin der Stiftung Stadt Museum Berlin, wundert sich, dass noch niemand zuvor auf die Idee gekommen ist, "Berlin im Licht" eine große Ausstellung zu widmen. Schließlich wurde das elektrische Licht in historisch sehr kurzer Zeit zum Treibstoff für die Entwicklung der Stadt.
"Licht ist ein Metropolenthema, und Berlin hat in besonderer Weise geleuchtet. Sie erfahren natürlich nicht nur über technische Grundlagen und Voraussetzungen mehr, sondern wir spüren vor allen Dingen der Frage nach, was hat sich im Antlitz und Wesen der Stadt geändert?"
Die Geschichte des elektrischen Lichts wird im Märkischen Museum treu und brav abgefrühstückt. Konzeptionell haben die Ausstellungsmacher das Pulver nicht erfunden. Doch die professionelle Tristesse ist für diesmal nicht so schlimm, weil die rund 1400 Exponate den Besucher übermannen: Es gibt fabelhafte Architekturmodelle, etwa das Große Schauspielhaus, mit den berühmten Lichtsäulen von Hans Poelzig, man sieht Bilder von Max Liebermann oder Edward Munch, und es gibt wunderbare Fotografien, Bühnenbilder und Filmsequenzen. Man staunt über Lampen und Kandelaber, darunter die Intensivbogenlampe von Peter Behrens, der bei der AEG in Diensten stand, und man blickt auf unzählige Lichtschalter, Gaszähler und Glühbirnen aus vergangenen Zeiten, und es gibt jede Menge Alltagsgegenstände, die zur Geschichte des Lichts gehören.
"Worauf ich auch noch Ihre Aufmerksamkeit lenken möchte: Licht sah damals auch noch anders aus. Wir haben in einem bestimmten Ausstellungsraum, der sich mit der Wohnkultur der zwanziger und dreißiger Jahre beschäftigt, die Ihnen zeigen, dass damals auch das Licht der Glühbirne, der Glühlampe ein anderes war, wesentlich anheimelnder. Und man kann natürlich auch dort die einzelnen Schritte des technischen Fortschritts verfolgen, ein wahrer Kosmos."
Zunächst haben Gaslaternen die Stadt beleuchtet. Erst langsam brachte sich die Stromwirtschaft in Stellung. Mit Osram, Siemens und der AEG waren drei industrielle Schwergewichte in der Stadt, die weltweit agierten. Ein Höhepunkt bei der Elektrifizierung Berlins war im Oktober 1928 die Werbewoche "Berlin im Licht". Die Reichhauptstadt präsentierte sich als zukunftsweisende, strahlende Lichterstadt, die auch den letzten Berliner noch von der segensreichen Kraft der Steckdose überzeugen sollte. Damals hat Kurt Weill seinen berühmten Lichtsong komponiert, und Bertolt Brecht schrieb den Text dazu:
"Das ist kein lauschiges Plätzchen, das ist eine ziemliche Stadt,
damit man da alles gut sehen kann, da braucht man schon einige Watt.
Na wat denn, na wat denn, was ist das für ne Stadt denn?"
Es war eine Stadt auf dem Höhepunkt des Lichterkults: Leuchtreklamen blinkten von den Dächern am Potsdamer Platz, und es glitzerte entlang des Kurfürstendamms. Als dann später die Nazis kamen, wussten auch sie die Zauberei des Kunstlichts zu schätzen. Franziska Nentwig:
"In der Zeit des Nationalsozialismus war Berlin auch Schauplatz der Demonstration der Ideologie der Nazis mit Mitteln des Lichtes. Und da findet man ganz viele ja perfid ausgefeilte Konzepte, die wir auch vorstellen, Speer hat dort sehr engagiert eben praktisch ja auch gearbeitet und Licht mit Politik verbunden. Man kann eigentlich sagen, hier in Berlin hat Licht seine Unschuld verloren, es ist ein Gegenstand, ein Politikum geworden."
Während des Krieges wurde Berlin nachts dunkel, denn das elektrische Licht hätte den feindlichen Bomben den Weg gewiesen. Nur Lilly Marlen stand einsam vor einer Laterne und tröstete Volk und Soldaten. In den 50er Jahren strahlte dann wieder der Kurfürstendamm, die neuen Kinopaläste und Caféhäuser wurden zum Schaufenster der freien Welt, das im Kontrast stand zu dem eher dunklen Ostteil der geteilten Stadt. Nur der Todesstreifen und die Berliner Mauer wurden in der Nacht zu einer beklemmenden ewig langen Lichtskulptur.
Ergänzt wird der kulturhistorische Ritt durch die Lichtgeschichte Berlins mit Werken zeitgenössischer Künstler. Sie setzen sich mit dem Gebäude des Märkischen Museums auseinander, das gerade 100 Jahre alt wird. Pikanterweise hatte sich der Architekt Ludwig Hoffmann bis zu seinem Lebensende gegen die Elektrifizierung des Museums gewehrt. Er war ein Gegner des künstlichen Lichts und frönte stattdessen einem romantischen Stimmungskult, indem er das wechselnde Tageslicht architektonisch für seine Museumsräume zu nutzen wusste. Ausstellungskurator Stefan Iglhaut:
"Wir thematisieren Kunstlicht und bauen Kunstlicht auch subtil in den Ausstellungsrundgang ein. Zum Beispiel verwandelt die Licht- und Klangkünstlerin Christina Kubisch die große Halle des Märkischen Museums in einen magischen Dämmerraum, der Tageslicht nur vortäuscht. In Wirklichkeit ist es künstlich erzeugt, und es geht gar nicht darum, die Kunst in den Vordergrund zu stellen, sondern das Gebäude neu wahrnehmen zu können. Zum andern ist Lichtkunst geeignet, in einer so großen Sonderausstellung auch einen Rhythmus zu bieten zwischen einer kulturgeschichtlichen Erzählung und individuellen, auf das Haus abgestimmten Interventionen."
Auch äußerlich wird das Märkische Museum zu einer illustren Lichtskulptur. Allerdings, in Zeiten wo Lyon, Zürich oder Bordeaux ihre Innenstädte mit flächendeckenden Lichtkonzepten vollkommen runderneuern, hinkt die Metropole Berlin lichtglanztechnisch hinterher. Berlin im Licht ist in die Jahre gekommen und strahlt nicht mehr ganz so prächtig wie zu Zeiten von Brecht und Weill.
"Komm mach mal Licht, damit man sehen kann, ob was da ist.
Komm mach mal Licht, und rede nun mal nicht.
Komm mach mal Licht, dann wollen wir doch auch mal sehen,
ob das‘ ne Sache ist, Berlin im Licht."
Viel, beinahe alles, so könnte man sagen. Franziska Nentwig, Generaldirektorin der Stiftung Stadt Museum Berlin, wundert sich, dass noch niemand zuvor auf die Idee gekommen ist, "Berlin im Licht" eine große Ausstellung zu widmen. Schließlich wurde das elektrische Licht in historisch sehr kurzer Zeit zum Treibstoff für die Entwicklung der Stadt.
"Licht ist ein Metropolenthema, und Berlin hat in besonderer Weise geleuchtet. Sie erfahren natürlich nicht nur über technische Grundlagen und Voraussetzungen mehr, sondern wir spüren vor allen Dingen der Frage nach, was hat sich im Antlitz und Wesen der Stadt geändert?"
Die Geschichte des elektrischen Lichts wird im Märkischen Museum treu und brav abgefrühstückt. Konzeptionell haben die Ausstellungsmacher das Pulver nicht erfunden. Doch die professionelle Tristesse ist für diesmal nicht so schlimm, weil die rund 1400 Exponate den Besucher übermannen: Es gibt fabelhafte Architekturmodelle, etwa das Große Schauspielhaus, mit den berühmten Lichtsäulen von Hans Poelzig, man sieht Bilder von Max Liebermann oder Edward Munch, und es gibt wunderbare Fotografien, Bühnenbilder und Filmsequenzen. Man staunt über Lampen und Kandelaber, darunter die Intensivbogenlampe von Peter Behrens, der bei der AEG in Diensten stand, und man blickt auf unzählige Lichtschalter, Gaszähler und Glühbirnen aus vergangenen Zeiten, und es gibt jede Menge Alltagsgegenstände, die zur Geschichte des Lichts gehören.
"Worauf ich auch noch Ihre Aufmerksamkeit lenken möchte: Licht sah damals auch noch anders aus. Wir haben in einem bestimmten Ausstellungsraum, der sich mit der Wohnkultur der zwanziger und dreißiger Jahre beschäftigt, die Ihnen zeigen, dass damals auch das Licht der Glühbirne, der Glühlampe ein anderes war, wesentlich anheimelnder. Und man kann natürlich auch dort die einzelnen Schritte des technischen Fortschritts verfolgen, ein wahrer Kosmos."
Zunächst haben Gaslaternen die Stadt beleuchtet. Erst langsam brachte sich die Stromwirtschaft in Stellung. Mit Osram, Siemens und der AEG waren drei industrielle Schwergewichte in der Stadt, die weltweit agierten. Ein Höhepunkt bei der Elektrifizierung Berlins war im Oktober 1928 die Werbewoche "Berlin im Licht". Die Reichhauptstadt präsentierte sich als zukunftsweisende, strahlende Lichterstadt, die auch den letzten Berliner noch von der segensreichen Kraft der Steckdose überzeugen sollte. Damals hat Kurt Weill seinen berühmten Lichtsong komponiert, und Bertolt Brecht schrieb den Text dazu:
"Das ist kein lauschiges Plätzchen, das ist eine ziemliche Stadt,
damit man da alles gut sehen kann, da braucht man schon einige Watt.
Na wat denn, na wat denn, was ist das für ne Stadt denn?"
Es war eine Stadt auf dem Höhepunkt des Lichterkults: Leuchtreklamen blinkten von den Dächern am Potsdamer Platz, und es glitzerte entlang des Kurfürstendamms. Als dann später die Nazis kamen, wussten auch sie die Zauberei des Kunstlichts zu schätzen. Franziska Nentwig:
"In der Zeit des Nationalsozialismus war Berlin auch Schauplatz der Demonstration der Ideologie der Nazis mit Mitteln des Lichtes. Und da findet man ganz viele ja perfid ausgefeilte Konzepte, die wir auch vorstellen, Speer hat dort sehr engagiert eben praktisch ja auch gearbeitet und Licht mit Politik verbunden. Man kann eigentlich sagen, hier in Berlin hat Licht seine Unschuld verloren, es ist ein Gegenstand, ein Politikum geworden."
Während des Krieges wurde Berlin nachts dunkel, denn das elektrische Licht hätte den feindlichen Bomben den Weg gewiesen. Nur Lilly Marlen stand einsam vor einer Laterne und tröstete Volk und Soldaten. In den 50er Jahren strahlte dann wieder der Kurfürstendamm, die neuen Kinopaläste und Caféhäuser wurden zum Schaufenster der freien Welt, das im Kontrast stand zu dem eher dunklen Ostteil der geteilten Stadt. Nur der Todesstreifen und die Berliner Mauer wurden in der Nacht zu einer beklemmenden ewig langen Lichtskulptur.
Ergänzt wird der kulturhistorische Ritt durch die Lichtgeschichte Berlins mit Werken zeitgenössischer Künstler. Sie setzen sich mit dem Gebäude des Märkischen Museums auseinander, das gerade 100 Jahre alt wird. Pikanterweise hatte sich der Architekt Ludwig Hoffmann bis zu seinem Lebensende gegen die Elektrifizierung des Museums gewehrt. Er war ein Gegner des künstlichen Lichts und frönte stattdessen einem romantischen Stimmungskult, indem er das wechselnde Tageslicht architektonisch für seine Museumsräume zu nutzen wusste. Ausstellungskurator Stefan Iglhaut:
"Wir thematisieren Kunstlicht und bauen Kunstlicht auch subtil in den Ausstellungsrundgang ein. Zum Beispiel verwandelt die Licht- und Klangkünstlerin Christina Kubisch die große Halle des Märkischen Museums in einen magischen Dämmerraum, der Tageslicht nur vortäuscht. In Wirklichkeit ist es künstlich erzeugt, und es geht gar nicht darum, die Kunst in den Vordergrund zu stellen, sondern das Gebäude neu wahrnehmen zu können. Zum andern ist Lichtkunst geeignet, in einer so großen Sonderausstellung auch einen Rhythmus zu bieten zwischen einer kulturgeschichtlichen Erzählung und individuellen, auf das Haus abgestimmten Interventionen."
Auch äußerlich wird das Märkische Museum zu einer illustren Lichtskulptur. Allerdings, in Zeiten wo Lyon, Zürich oder Bordeaux ihre Innenstädte mit flächendeckenden Lichtkonzepten vollkommen runderneuern, hinkt die Metropole Berlin lichtglanztechnisch hinterher. Berlin im Licht ist in die Jahre gekommen und strahlt nicht mehr ganz so prächtig wie zu Zeiten von Brecht und Weill.
"Komm mach mal Licht, damit man sehen kann, ob was da ist.
Komm mach mal Licht, und rede nun mal nicht.
Komm mach mal Licht, dann wollen wir doch auch mal sehen,
ob das‘ ne Sache ist, Berlin im Licht."