Die Erde schwitzt die Toten aus

Von Thomas Franke |
Vor 70 Jahren ging die Schlacht um Stalingrad zu Ende, die mehr als 1 Million Menschen das Leben gekostet hat. Längst ist sie ein Mythos. Doch in Russland hat es nie eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit gegeben.
Irgendwo eine Stunde weit von Stalingrad, schwitzt die Erde die Knochen der Toten aus, ihre Waffen, Stiefel, Klappspaten, Helme, Granatsplitter, Reagenzgläser. In der Sowjetunion wurde der Totenacker bestellt. Kolchosbauern pflügten das Feld, verteilten Köpfe und Beine, Arme und Rippen. Bestatten war verboten. Im Winter bedeckte Schnee das Feld. Bis zum nächsten Jahr, Jahr um Jahr.

"Stalingrad war in meiner Kindheit ein Mysterium. Addi, unser Nachbar, war dort. Er hat nicht darüber geredet. Nachts hab ich ihn gehört, wie er durch die Wohnung gewandert ist. Wie die Granatensplitter in seiner Schulter. Ich wollte da unbedingt hin."

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Thomas Franke
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