Die erbarmungslose Diktatur der Mehrheitsmoral
Regisseur Sebastian Nübling bringt Tennessee Williams Stück über Außenseiterhatz durch kluge Besetzung und eine überraschende Bühnenbildidee zum Schillern. In einer US-Kleinstadt lernt Nachtclubmusiker Val Lady Torrance kennen. Die ist die leidgeprüfte Ehefrau des bedrohlichen Jabe.
Ihr Erkennungszeichen ist der Dobermann - als leibhaftiger Hund an der Leine des totkranken, aber in seiner leichengrauen Gesichtsstarre immer noch bedrohlichen Jabe Torrance, dem Anführer der Mehrheitsmeute in der Kleinstadt, wo Tennessee Williams selten aufgeführtes Stück spielt;
Und in Gestalt eines Hundekopf-Emblems auf den Windjacken der Männer dieser Stadt, die eben jenen Meute bilden, die definiert, ja diktiert, was Recht und Ordnung, Anstand, Sitte und Moral sind.
Vertreter einer Gesellschaft, die radikale Anpassung fordert und mit ebenso radikaler Ausgrenzung auf alle reagiert, die sich dem Konformitätszwang verweigern. Dabei muss diese Meute selten laut kläffen, muss ihre Gewaltbereitschaft meist nur kurz andeuten. Allein die massive, physische Präsenz, sozusagen ein kurzes Zähnefletschen, wirkt einschüchternd.
Und dazu der gelegentliche Verweis auf vergangene Gräueltaten, etwa auf den Brandanschlag auf die Weinlaube eines italienischen Einwanderers, der "Alkohol verlauft hat an Nigger". Dieser "Itaka", der umkam beim Versuch, das Feuer zu löschen, war der Vater von Lady Torrance, die mit eben jenem Jabe Torrance verheiratet ist, der als Kopf der Dobermann-Gang gelten darf - und auch der Brandstifter.
Letzteres erfährt Lady Torrance erst im Laufe der Handlung, unter der Tyrannei ihres Mannes und der erbarmungslosen Diktatur der Mehrheitsmoral aber leidet sie bereits ein ganzes Eheleben lang. Doch jetzt, da der Gatte im Sterben liegt, regt sich ihr Widerstandsgeist.
Die einmal mehr großartige Wiebke Puls spielt diese Lady Torrance, mit verkniffenem Gesichtsausdruck und einer nervös-fahrigen Gestik, die die seelische Unruhe verrät, die diese Frau in der inneren Emigration umtreibt. Bei Tennessee Williams baut Lady Torrance ihr Gemischtwarengeschäft zu einem Gartenrestaurant aus, um so die verbrannte Weinlaube des Vaters wiederauferstehen zu lassen.
In Sebastian Nüblings beeindruckender Inszenierung gibt es keinerlei Ladenregale, stattdessen hängt die unfertige Kuppel eines Kettenkarussells über der Bühne, und Wiebke Puls montiert im Laufe des Abends Lichttraversen, Glühbirnen und Sitze daran fest, bis sie selbst im vervollständigten Karussell beschwingt mehrere Runden dreht. Doch es ist nur ein scheinbar geglückter Ausbruch in die Freiheit: ein Flug an Ketten.
Jabe Torrance persönlich wird seine Frau am Ende zur Strecke bringen, auch weil die sich auf eine Liason mit dem vagabundierenden Nachtclubmusiker Val eingelassen hat, der wie Orpheus ins Totenreich in die starre Kleinstadtgesellschaft hereingebrochen ist.
Ab den Münchner Kammerspielen ist der estnische Schauspieler Risto Kübar als Val zu erleben, sein ausländischer Akzent betont die Fremdheit der Figur. Vals Markenzeichen ist eine Schlangenlederjacke, die er immer wieder aus- und anzieht. Chamäleongleich wechselt auch sein Temperament in der zögerlichen Annäherung an Lady Torrance, zwischen verzweifelter Suche nach Nähe und Distanziertheit. Dabei verkörpert er anderes als Marlon Brando, der den "Mann in der Schlangenhaut" im Film spielte, eine gänzlich unmaskuline, eher androgyne Erotik, die die Kleinstädter im doppelten Sinne reizt, nämlich anzieht und zugleich Ablehnung provoziert.
Das ist die große Leistung von Sebastian Nüblings Regie: dass er durch kluge Besetzung und eine überraschende Bühnenbildidee Tennessee Williams etwas eindeutig-platte Geschichte über Außenseiterhatz zum Schillern bringt.
Und in Gestalt eines Hundekopf-Emblems auf den Windjacken der Männer dieser Stadt, die eben jenen Meute bilden, die definiert, ja diktiert, was Recht und Ordnung, Anstand, Sitte und Moral sind.
Vertreter einer Gesellschaft, die radikale Anpassung fordert und mit ebenso radikaler Ausgrenzung auf alle reagiert, die sich dem Konformitätszwang verweigern. Dabei muss diese Meute selten laut kläffen, muss ihre Gewaltbereitschaft meist nur kurz andeuten. Allein die massive, physische Präsenz, sozusagen ein kurzes Zähnefletschen, wirkt einschüchternd.
Und dazu der gelegentliche Verweis auf vergangene Gräueltaten, etwa auf den Brandanschlag auf die Weinlaube eines italienischen Einwanderers, der "Alkohol verlauft hat an Nigger". Dieser "Itaka", der umkam beim Versuch, das Feuer zu löschen, war der Vater von Lady Torrance, die mit eben jenem Jabe Torrance verheiratet ist, der als Kopf der Dobermann-Gang gelten darf - und auch der Brandstifter.
Letzteres erfährt Lady Torrance erst im Laufe der Handlung, unter der Tyrannei ihres Mannes und der erbarmungslosen Diktatur der Mehrheitsmoral aber leidet sie bereits ein ganzes Eheleben lang. Doch jetzt, da der Gatte im Sterben liegt, regt sich ihr Widerstandsgeist.
Die einmal mehr großartige Wiebke Puls spielt diese Lady Torrance, mit verkniffenem Gesichtsausdruck und einer nervös-fahrigen Gestik, die die seelische Unruhe verrät, die diese Frau in der inneren Emigration umtreibt. Bei Tennessee Williams baut Lady Torrance ihr Gemischtwarengeschäft zu einem Gartenrestaurant aus, um so die verbrannte Weinlaube des Vaters wiederauferstehen zu lassen.
In Sebastian Nüblings beeindruckender Inszenierung gibt es keinerlei Ladenregale, stattdessen hängt die unfertige Kuppel eines Kettenkarussells über der Bühne, und Wiebke Puls montiert im Laufe des Abends Lichttraversen, Glühbirnen und Sitze daran fest, bis sie selbst im vervollständigten Karussell beschwingt mehrere Runden dreht. Doch es ist nur ein scheinbar geglückter Ausbruch in die Freiheit: ein Flug an Ketten.
Jabe Torrance persönlich wird seine Frau am Ende zur Strecke bringen, auch weil die sich auf eine Liason mit dem vagabundierenden Nachtclubmusiker Val eingelassen hat, der wie Orpheus ins Totenreich in die starre Kleinstadtgesellschaft hereingebrochen ist.
Ab den Münchner Kammerspielen ist der estnische Schauspieler Risto Kübar als Val zu erleben, sein ausländischer Akzent betont die Fremdheit der Figur. Vals Markenzeichen ist eine Schlangenlederjacke, die er immer wieder aus- und anzieht. Chamäleongleich wechselt auch sein Temperament in der zögerlichen Annäherung an Lady Torrance, zwischen verzweifelter Suche nach Nähe und Distanziertheit. Dabei verkörpert er anderes als Marlon Brando, der den "Mann in der Schlangenhaut" im Film spielte, eine gänzlich unmaskuline, eher androgyne Erotik, die die Kleinstädter im doppelten Sinne reizt, nämlich anzieht und zugleich Ablehnung provoziert.
Das ist die große Leistung von Sebastian Nüblings Regie: dass er durch kluge Besetzung und eine überraschende Bühnenbildidee Tennessee Williams etwas eindeutig-platte Geschichte über Außenseiterhatz zum Schillern bringt.