Die Entstehungsgeschichte einer Peter-Behrens-Ausstellung in Krefeld

"Das Praktische und das Ideale"

Das Kaiser Wilhelm Museum Krefeld
Das Kaiser Wilhelm Museum Krefeld © imago / Karl F. Schöfmann
Von Günther Wessel · 30.05.2018
Peter Behrens ist einer der Pioniere des modernen Industrie-Designs. Vor 150 Jahren wurde er geboren. In Krefeld widmet sich nun eine Ausstellung seinem Schaffen. Doch solch eine Werkschau braucht Jahre der Vorbereitung. Am Anfang stand eine Datei.
"Für mich war Peter Behrens praktisch immer ein Gott. Peter Behrens ist der Erfinder vom Industriedesign", sagt Katia Baudin, Direktorin der Krefelder Kunstmuseen. "Der Gründungsdirektor Deneken hat ja wirklich Peter Behrens beauftragt, Ausstellungskataloge zu konzipieren. Da ist eine reiche Korrespondenz und wir haben sehr viel in der Sammlung und diese Objekte in der Sammlung kamen einerseits durch dieses frühe Verhältnis zum Gründungsdirektor des Kaiser-Wilhelm-Museums, aber auch durch ein großes Konvolut, was in den 20er Jahren hier ins Haus gekommen ist. Dieses Konvolut fand ich auch extrem superspannend. Das sind so hochqualitätsvolle Objekte, die eigentlich noch heute total aktuell sind und die auch wirklich wegweisend waren für die Designgeschichte."
Darmstadt, 27. Januar 1901
Lieber, verehrter Herr Direktor,
Ich wollte Ihnen sofort nach meiner Rückkehr schreiben, aber da lag derartig viel zur Erledigung vor, dass es mir erst heute möglich ist. Ich wollte Ihnen vor allem schreiben, dass ich mich jetzt außerordentlich freue, nach Krefeld gefahren zu sein, dieser halbe Tag, den ich dort mit Ihnen und in Ihrem schönen, gastfreundlichen Hause verbracht habe, hat mir viel Anregung gegeben.
Friedrich Deneken war der erste Direktor des damals von reichen und kunstsinnigen Bürgern neu gegründeten Krefelder Kaiser-Wilhelm-Museums. Der Kunsthistoriker war 1897 aus Hamburg vom dortigen Museum für Kunst und Gewerbe gekommen und hatte begonnen, eine Kunstsammlung aufzubauen. Er kaufte Jugendstil, Impressionisten und Expressionisten, japanische Holzschnitte – nicht immer unter dem Applaus des Krefelder Publikums, mitunter auch gegen dessen Willen.
"So aufgeschlossen waren die Krefelder nun auch nicht. Insbesondere im Bereich der Bildenden Kunst. Da waren die schon relativ klassisch und zurückhaltend. Das war nicht einfach für Deneken. Und nach dieser Impressionisten-Ausstellung – schließlich und endlich hat er nicht mehr so viel im Bereich der Avantgarde-Kunst gezeigt", sagt Katia Baudin.

Sehr wichtigte Zeitzeugen: die Briefe

Für die Ausstellung moderner französischer Impressionisten im Jahre 1907 erwarb Deneken Claude Monets Gemälde des Londoner Parlaments, heute eines der Prunkstücke des Museums. Damals ein Skandal – die Stadtverordneten beschlossen, das Museum solle zukünftig auf den Ankauf "fremdländischer und moderner Bilder" verzichten.
"Alltag und Kunst zu integrieren, miteinander zu vereinen und das Handwerk wieder zu beleben" war eigentlich der Schwerpunkt des Museumsdirektors Deneken, so die Krefelder Sammlungskuratorin Magdalena Holzhey: "Und da sieht er in dem jungen Peter Behrens, der damals gerade 30 ist, einen Partner, mit dem er gerne zusammenarbeiten möchte. Und dieser ganze Briefwechsel, vor allem in den frühen Jahren, man sieht richtig, wieviel Energie die beiden Männer hatten, wie viel Ideen die ausgetauscht haben über alle mögliche Dinge, die Behrens gestalten sollte fürs Museum, und umgekehrt fragt Behrens Deneken auch sehr häufig um Rat, also er sieht ihn auch als einen Mentor, der ihm helfen kann, der ihn wiederum weiter empfiehlt, und das ist total interessant, nachzuverfolgen anhand dieser Briefe."
Darmstadt, 27. Januar 1901

Lieber, verehrter Herr Direktor,
Wenn man sich seit längerer Zeit nicht gesehen hat und nicht viel voneinander gehört hat, so ist es oft, dass man sich dann auf getrennten, wenn auch parallelen, Wegen wiedersieht. Eine Zeit wie die unsere ist zu variabel und ungleich in den Schwingungen, dass es einem nicht Wunder nehmen darf, wenn ein einst gleiches Interesse sich verschiedentlich geändert hat.
Briefe, die ins Museumsarchiv wandern, wo sie lange schlummern, Skizzen, Entwürfe für Typografien, Briefköpfe, Kataloge, Architekturzeichnungen und Pläne, serielle Fotos von Objekten und natürlich auch Objekte selbst. Museen haben viel mehr, als sie im Alltag zeigen können. Peter Behrens, der Erfinder des Industriedesigns in Deutschland, ist durch seine erhaltenen Bauwerke noch sichtbar, aber Vieles von dem, was er hinterlassen hat, ist im Alltag unsichtbar:
"Denn er war ja auf jeden Fall jemand, der aus dem Jugendstil kam, also wirklich auch ein Maler, ausgebildet als Jugendstilkünstler, der innerhalb weniger Jahre eine ganz moderne Formsprache entwickelt hat und dann der Vorreiter des modernen Industriedesigns wurde."

Das Museum - kein white cube

Und diese Spannung kann man an unseren Beständen so wunderbar zeigen.
Darmstadt, 27. Januar 1901

Lieber, verehrter Herr Direktor,

In Ihnen nun jemand wiedergesehen zu haben, der wie früher mit derselben Aufopferung und Energie auf demselben Wege zu dem mir gleichen Ziele strebt, darüber kann ich meine Freude nicht unterdrücken. Ich sage oft, dass gerade darin auch ein sicheres Zeichen für unseren werdenden Stil zu erblicken ist, dass es uns allmählich wieder gelingt, das Praktisch zu Verwendende mit dem Idealen in eine Richtung zu bringen.
"Das Museum ist nicht einfach ein white cube, leere Räume, also was ein Museum so spannend macht und was das Besondere an einem Museum eigentlich verkörpert, ist die Sammlung", sagt Museumsleiterin Katia Baudin. "Und diese Sammlung, die auch eine Spiegelung ist vom Geschmack von der Zeit und wie sich der Geschmack und die Werte und der kulturelle Blick sich entwickelt haben. Über die verschiedenen Jahrzehnte. Ich finde die Sammlung ist das Herz von einem Museum."
Als Katia Baudin und Magdalena Holzhey begannen, eine Ausstellung über Peter Behrens zu konzipieren, tauchten sie tief in die Depots ein, in denen eine Überfülle an historisch wertvollen Materialien lagern, Gemälden, Skizzen, Skulpturen: "Man stellt fest, ah, da gibt es interessante Bestände, die sind lange nicht angeguckt worden, die sind in der Gesamtheit auch noch nie gezeigt worden."

Zwei Jahre für die Vorarbeiten

Vor etwa zwei Jahren starteten die Vorarbeiten für die Ausstellung, die zum 150. Geburtstag von Peter Behrens gezeigt werden sollte – über den Architekten und Designer, der auch als Maler tätig war. Und der auch als erster so etwas wie eine Corporate Identity für ein Unternehmen, die AEG, entwickelte, wo vom Geschäftspapier bis zum Aschenbecher und der Architektur alles aus einem Guss stammte; über Behrens, der die künstlerische Arbeit ins Handwerk integrierte und das Handwerk in die Kunst – kein Wunder, dass sich später zahlreiche Bauhaus-Künstler auf ihn bezogen. Zumal ja einige von ihnen wie Walter Gropius oder Ludwig Mies van der Rohe in seinem Architekturbüro gearbeitet hatten.
"Da kommt dann sozusagen das Interesse an den eigenen Beständen mit historischen Daten, Eckdaten zusammen, und dann sagt man: Ah, das lohnt doch jetzt, daraus ein Projekt zu machen."
Die Idee ist geboren, das Ausstellungsprojekt beschlossen, aber wie findet man, was man braucht? Der Depotbestand der Krefelder Museen ist zwar nicht vollständig, immerhin aber weitgehend in einem Computersystem erfasst. Zuständig dafür ist Johannes Post:
"Ich bin hier der Sammlungsverwalter. Ich bin bemüht, den Überblick zu behalten über unsere wirklich große Sammlung und arbeite daran, dass das auch immer einfacher wird. Also wir inventarisieren halt im Moment noch ziemlich viel, das wir in ne digitale Datenbank einpflegen, dass so auf lange Sicht alles immer einfach abrufbar ist über den Rechner und sofort gefunden werden kann."
"Bei Behrens war es so, dass der Bestand weitgehend digital erfasst ist. Aber fast ohne Fotos. Das heißt, wir sind in den Keller gegangen, wir haben sämtliche Bestände zu Behrens zusammengetragen, die auch an unterschiedlichen Orten liegen. Das liegt einfach daran, dass sie aus unterschiedlichen Kontexten ans Haus gekommen sind und auch unterschiedliche Medien sind. Wir haben all diese Bestände zusammengetragen, durchfotografiert, um so eine vollständige Übersicht über unsere Bestände zu bekommen."

Ein Archivregal mit säurefreien Archivkartons

Oktober 2017, Kaiser-Wilhelm-Museum, Krefeld: Magdalena Holzhey öffnet die schwere Tür zur Graphiksammlung im ersten Stock des Museums. "Wenn wir projektweise Sammlungsbestände aufarbeiten, dann tun wir das gern hier. Hier kann man dann sehr gut mit den Graphiken hantieren und die einzeln anschauen, abmessen."
"Hier bewahren wir den größten Teil unserer graphischen Sammlung auf. Und zwar ungerahmte Graphik. Sie sehen hier Planschränke und auch dieses große Archivregal mit säurefreien Archivkartons, wo wir kleinere Formate aufbewahren."
Sebastian Köhler ist 49 Jahre alt und seit 15 Jahren an den Krefelder Kunstmuseen als Restaurator tätig: "Ich bin der einzige fest angestellte Restaurator, wir sind insgesamt ein sehr kleines Team, und ich bin praktisch als Einzelkämpfer für die gesamte Sammlung zuständig. Also für den Erhalt der Sammlung. Das ist natürlich eine sehr komplexe Aufgabe. In der Restaurierung ist es üblich, dass man sich auf eine bestimmte Spezialisierungsrichtung eben ausrichtet, also ich bin von meiner Ausbildung her, bin ich Gemälde- und Skulpturenrestaurator."
Magdalena Holzhey öffnet die Archivschränke und nimmt einige Blätter heraus: "Die beiden Blätter sehen auf den ersten Blick aus als wären sie in einem perfekten konservatorischen Zustand, ist aber nicht so."
"Die Graphikblätter sind auf so grau-braune Pappen montiert. Das ist eine sehr alte Montierung, die aus den 20er Jahren ist, vermutlich, und die wir jetzt abändern müssen. Die Graphikblätter sollen also abgelöst werden, und auf neue Passepartoutkartons aufmontiert werden, um den modernen konservatorischen Vorgaben auch zu entsprechen."
Warum?
"Diese alten Kartons sind der Regel, also eigentlich immer, praktisch nicht säurefrei. Das heißt, es gibt sozusagen so ne chemische Interaktion von dem aufgelegten Graphikblatt und dem Untergrund. Zum Beispiel kann es zu ungleichmäßigen Vergilbungen kommen. Oder eben auch zu einer schleichenden Zersetzung des Papiers. Wenn ich jetzt aber einen säurefreien Untergrund habe, dann schalte ich diesen Faktor sozusagen konservatorisch aus und verlangsame die Alterungsprozesse."

Simpel? - Ist es nicht!

Hört sich simpel an, ist es aber nicht. Denn man muss vielerlei bedenken: Wenn etwa die Papiere verklebt sind: Wie bekommt man die gelöst? Wie werden Fehlstellen im Papier geflickt? Wie trocknet und glättet man die Blätter?
"Hier haben wir leider den Fall oftmals, dass das eine flächige Verklebung ist. Man muss eine große Sensibilität für das Material haben. Das ganze Ablösen verlangt sehr viel Feingefühl und sehr viel Materialkenntnis. Und das ist wirklich eine sehr heikle Aufgabe."
Ziel ist, dass der gesamte Behrens-Bestand aufgearbeitet und restauriert wird, auch der Teil, der später nicht gezeigt werden wird. Denn im Moment weiß noch niemand so genau, was das denn sein wird.
"Wir werden ja nicht alle 250, 300 Arbeiten, die wir haben, werden wir ja nicht zeigen können, sondern wir werden natürlich was auswählen." Magdalena Holzhey muss auswählen – und rechnen. Damit die Ausstellung nicht den Etat des Museums sprengt. Die Ausstellungen werden aus Eigenmitteln, die aus dem Stadtsäckel kommen, und aus Drittmitteln, die das Museum einwerben muss, finanziert. Das Geld kommt oft von privaten oder öffentlichen Stiftungen.
"Die Kosten für so ein Projekt setzten sich zusammen klassischerweise aus Honoraren für eventuelle Projektmitarbeiter, für Katalogtexte, natürlich die Druckkosten für den Katalog, für Transporte, Restaurierungskosten, Passepartourierung, Rahmung, die Ausstellungsarchitektur, Installationen, technisches Equipment, dann natürlich die ganzen Kosten für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit drumherum, das heißt Druck des Ausstellungsflyers, Plakate, Anzeigen, also all das, was man drumherum natürlich machen muss, um diese Ausstellung irgendwie an die Öffentlichkeit zu bringen."

Depots sichten, Objekte auswählen, restaurieren

50.000 Euro – das ist ungefähr die Größenordnung für die Peter Behrens-Ausstellung.
"Wir beantragen jetzt Geld bei der Kulturstiftung der Länder. Das läuft dann so, dass man vorher anruft und den zuständigen Referenten informiert über das Projekt, um schon mal zu hören, ob das überhaupt von Interesse wäre, denn all diese Stiftungen bekommen natürlich sehr viele Anträge."
Während Sebastian Köhler schaut, wie groß der Restaurierungsbedarf ist, schreibt Magdalena Holzhey Förderanträge für die Restaurierung. Beide hoffen, dass die möglichst schnell positiv beschieden werden.
Oktober 2017, Peter Behrens School of Art, Düsseldorf: "Ich bin Thorsten Scheer, ich bin hier der Haus-und-Hof-Geisteswissenschaftler im Architektur Studiengang. Also mein Lehrgebiet umfasst Baugeschichte, Kunstgeschichte und Architekturtheorie." Thorsten Scheer war die treibende Kraft, dass der ehemalige Fachbereich für Architektur heute nach Peter Behrens benannt ist: "Das ist eine Geschichtsklitterung, die wir da vorgenommen haben. Behrens war zwischen 1903 und 1907 Hochschullehrer hier in Düsseldorf. An der damaligen Kunstgewerbeschule. Genau genommen ist die in die Kunstakademie übergegangen."
Zunächst waren es nur die Architekten, die sich Peter Behrens School of Architecture nannten, dann kamen die Designer hinzu und heute heißt der Fachbereich Peter Behrens School of Art.
"Und jetzt schreiben wir uns immer Peter Behrens auf die Fahne, das ist natürlich nicht ganz unproblematisch, weil die ästhetischen Positionen ja 100 Jahre alt sind." Eine Ausstellung zu planen heißt: Depots sichten, Objekte auswählen, restaurieren und – die Raumaufteilung planen, die Beschriftungen der Objekte, ihre mögliche Hängung, Plakate entwerfen. Studierende sollen daran mitarbeiten. Sie wollen große Wände vor die Fenster stellen: "Das geht aber dann nicht wegen der Klimaanlage und wegen des Rauchabzuges und wegen der dahinter versteckten Feuermelder und der Bewegungsmelder. Und dann musste man eben diese technischen Details klären, was umgekehrt für die Studierenden auch wieder interessant war, weil das sind ja angehende Architekten oder Ausstellungsdesigner, die müssen dann natürlich auch lernen, mit solche technischen Problemen, die so ein altes Gebäude mit sich bringt, umzugehen."

Der Punkt für die finale Werkauswahl

Januar 2018 im Kaiser-Wilhelm-Museum, Krefeld: "Wir sind jetzt an dem Punkt, wo ich die finale Werkauswahl treffen kann und auch muss, denn das sind ja auch die Werke, die gerahmt werden. Die Arbeiten gehen tatsächlich genau heute in die Restaurierung. Wir haben die Fördergelder bekommen in voller Höhe von der Kulturstiftung der Länder, die wir für die Restaurierung des Gesamtbestandes beantragt haben. Das heißt, wir können jetzt jedes einzelne Blatt neu auflegen, glätten und neu passepartourieren lassen. Die Ausstellung ist größer geworden als geplant, wir haben zwei Räume dazu genommen, weil wir einfach gesehen haben, wie spannend das Material ist." Im Graphikkabinett, wo die Werke gelagert werden, hat Sammlungsverwalter Johannes Post begonnen, sie einzupacken.
Mit weißen Baumwollhandschuhen nimmt er vorsichtig jedes Blatt hoch und packt die einzelnen Stücke aufeinander in feste Kartons. Je eine Lage Seidenpapier dazwischen, obenauf noch ein Standardpassepartout des Museums, damit die Restauratoren hinterher wissen, wie groß die Rahmen sind: denn die sind in den meisten Museen unterschiedlich.
An manchen Stellen klemmt Post noch ein bisschen Schaumstoff in den Karton, damit die Blätter nicht an den Kartonrand stoßen, falls sie sich bei Transport ein wenig verschieben.
Februar 2018: Ratingen: "Wir fotografieren die Objekte, bevor wir anfangen zu restaurieren, dann schreiben wir alle Daten auf, die wir zur Verfügung haben, also die Größe, welche Papierqualität, welche Materialqualität in der Farbgebung und schreiben den Schaden auf, Zustand und den Schaden und unsere Restaurierungsmaßnahmen." Gabriele Emonts-Holley arbeitet in einer alten Geldschrankfabrik am Ortsrand von Ratingen, etwa eine halbe Autostunde vom Krefelder Museum entfernt. Sie und zwei Kolleginnen nennen sich Ratinger Restauratoren und sind auf die Aufarbeitung von Papierarbeiten spezialisiert. Sie polieren Globen, Zeichnungen, Lithografien, Siebdrucke, alte Landkarten, Aquarelle oder auch Urkunden wieder auf.
Sie beginnen mit der Trockenreinigung der Papiere.
"Wir nehmen also hier so einen Latex-Schwamm, gehen mit dem Latex-Schwamm vorsichtig über die Objekte und nehmen den oberflächlichen aufliegenden Schmutz runter. Und wenn wir das gemacht haben, Sie sehen, die Verschmutzung ist schon prägnant, werden diese Arbeiten in ein Wasserbad gelegt." Frau Emonts-Holley muss wissen, ob die Klebstoffe, mit denen die Blätter einst aufgezogen wurden, auch wasserlöslich sind. Und die Farben, im Gegensatz dazu, nicht. So werden die Blätter in warmes Wasser gelegt.

Viele besonders säurehaltigen Blätter

"Und wenn ich das Papier jetzt hier ins Wasserbad lege, dann kann sich ja auch der Kleber wieder lösen."
So werden auch Papiere behandelt, die einen zu niedrigen ph-Wert besitzen.
"Also dieses Blatt hat auch einen ziemlich starken Säureschaden. Säureschaden heißt, also der ph-Wert ist sehr niedrig. Und das Papier ist sehr empfindlich. Man kann es nicht anfassen." Es zerbröselt dann förmlich. Auch diese Blätter werden in ein Wasserbad gelegt, um so die Säure ein wenig auszuwaschen. Das ist nicht ungefährlich. "Papier wird im Wasser ja sehr weich. Und man kann es sehr schnell zerstören. Die ganze Klebkraft von der Verbindung des Papiers löst sich im Wasserbad ja auch auf. Das Papier wird ja hergestellt mit Papierfasern, Wasser mit einem minimalen Klebstoff.
So wird es sehr fragil und muss deshalb mit höchster Vorsicht transportiert werden, mit sogenannten Holitex Vliesen, auf die das Blatt schon im Wasser geschoben wird. Die sind formstabil und halten das Papier, so dass nichts reißen kann.
"Und zum Trocknen legen wir das immer auf so ein Handtuch. Das habe ich da schon zurecht gelegt. Hier bleibt das jetzt liegen, bis es trocken ist. Und wenn es trocken ist, kommt es in ein nächstes Bad. Hier ist ein Kleber drin. Das ist die sogenannte Nachleimlösung, weil das Papier hat durch das Wässern Leim verloren und nach dem wässrigen Bearbeiten fügen wir wieder etwas Leim hinzu. Und tauchen das hier ein, ich tauch das Papier so ein bisschen unter. Lass das hier etwas einwirken, so dann nehm ich das wieder hoch. Und hier trocknet es jetzt, und wenn es trocken ist, ist es stabil."
Dann kann es weiter bearbeitet werden. Denn viele, gerade die besonders säurehaltigen Blätter haben natürlich Risse oder Fehlstellen. Diese werden mit Japanpapier und mit Weizenstärkekleister verklebt.

Frisch gekochter Kleister und Japanpapier

"Das hier ist Weizenstärkekleister. Der wird immer frisch gekocht. Das ist halt wirklich aus dem Weizen hergestellt. Dieser Kleber, den wir benutzen, um damit Papiere zu verkleben. Da hab ich so ein kleines Repertoire von verschiedenen Papierfasern. Von einem Japanpapier."
Japanpapier wird aus den Fasern des Papiermaulbeerbaumes hergestellt. Es ist weitgehend säurefrei, ist dünn und sehr fest – jedenfalls wenn es getrocknet ist. Feucht legen sich die Fasern weich in die Fehlstellen, dringen da ein und verbinden sich mit dem originalen Blatt.
"Jetzt haben wir die Papiere trocken gereinigt, ausgewässert, nachgeleimt, Risse geschlossen, Fehlstellen ergänzt, getrocknet, dann werden die montiert auf einen neuen säurefreien Träger. Da benutzen wir auch wieder Weizenstärke und Japanpapier. Ein Japanpapier, das in der Konsistenz stark genug ist, um ein Papier im Passepartout zu halten. Also, es darf jetzt nicht so dünn sein wie das Papier, das ich für die Rissklebung nehme."
Nachdem alles dokumentiert ist, werden die Stücke wieder nach Krefeld ins Museum gebracht.
März 2018, Peter Behrens School of Art, Düsseldorf - "Das ist deren Semesterende. Das ist so eine Art Endpräsentation und die Studenten zeigen einfach, was sie im Laufe des Semesters so gestaltet haben, was sie sich so ausgedacht haben über die Ausstellungsarchitektur, über die Ausstellungsvitrinen, und über die Plakate. Merchandise, etc., etc."
Friederike Peters ist Masterstudentin Architektur im fünften Semester und studentische Hilfskraft von Professor Thorsten Scheer. In dessen Seminar sollte das Design der Ausstellung konzipiert werden. Peters leitete die studentischen Arbeitsgruppen an, die hier ihre Ergebnisse zeigen. Die sogenannte Wandgruppe erläutert, welche Elemente die Ausstellung großflächig auf den Wänden durchziehen: "Man kann Peter Behrens ja als jemanden sehen, der sehr durch Formen gestaltet hat und genau diese Formen, die sich ja in jeder Epoche seines Schaffens sozusagen wiederfinden, die wollen wir quasi hochskalieren, um daran zu zeigen, dass er halt so durch verschiedene Epochen gegangen ist und somit für den Besucher eine sehr einfache Möglichkeit finden, um zu verstehen, dass diese Epochen da waren und vor allem auch wann eine neue Epoche anfängt."

Dann die Entwürfe für die Raumaufteilung

Ende Oktober, zu Beginn des Semesters, hatte außer ein paar kühnen Ideen noch nichts vorgelegen. Jetzt zeigen die Studierenden ihre Entwürfe: für die Raumaufteilung und die Präsentation der Exponate, die Plakate und die Einladungskarten zur Ausstellung, für den kleinen Ausstellungsführer sowie für Merchandise-Produkte wie Bauwolltragtaschen, Stifte, Blöcke, Postkarten. Oder auch für eine Ausstellungsvitrine:
"Wir haben für heute mal einen Prototypen gebaut. Das hier ist die 50-auf-50-Vitrine. Wir haben also quasi mal die und einmal die, die halt doppelt so tief wird als 50 mal ein Meter. Und da hatten wir uns jetzt überlegt, dass wir jeweils drei Stück machen, wir planen jetzt, glaube ich, vier von den größeren, hängt davon ab, was wir brauchen. Das jetzt aus nem schwarzen MDF. Wir haben die jetzt auch noch eingeölt, damit die nochmal dunkler wird."
Alles gut durchdacht und begründet. Erstaunlich ist, dass sie für die Plakate keine von Peter Behrens selbst entwickelte Schrift benutzt haben.
"Dem Deutschen Volke" - Dieser berühmte Schriftzug im Giebel des Berliner Reichstags stammt von Peter Behrens. Doch die Krefelder Ausstellung nutzt nicht die sogenannte Behrens-Antiqua-Schrift. Weder für das Plakat noch für die Beschriftungen in der Ausstellung. Thorsten Scheer hätte das unpassend gefunden: "Das ist im Prinzip so 'ne Überarbeitung einer mittelalterlichen Schrift. Man handelt sich da so eine Altertümlichkeit ein, und ich finde eher, dass eine moderne Schrift auch eher signalisiert, Peter Behrens hat was mit der Gegenwart zu tun."
Anfang Mai 2018, Kaiser-Wilhelm-Museum Krefeld - Der Termin der Ausstellungseröffnung naht, und damit steigt die Nervosität. Auf der Webseite des Museums liest man: Pause. 1. Etage wegen Umbau geschlossen.
Wer Magdalena Holzhey in diesen Tagen sprechen will, braucht Geduld. Sie pendelt zwischen ihrem Büro im Erdgeschoss und den Ausstellungsräumen im Obergeschoss, das Handy immer griffbereit. Der Wagen des Museums hat eine Reifenpanne, gerade jetzt, da er gebraucht wird, um einen Teppich für einen Ausstellungsraum zu besorgen. Was schiefgehen kann, das geht auch schief.

Werkeln, hämmern und Blätter auslegen

Blick in den Raum, der sich den buchkünstlerischen Werken von Behrens widmet.
"Die Vitrine muss geschlossen werden hier und die Glasscheibe muss aufgesetzt werden, sonst ist alles fertig."
In der Vitrine: ein Missale Romanum, ein Messbuch für die römische Liturgie, die Entwurfszeichnungen hängen gerahmt an der Wand. Peter Behrens gestaltete es im Auftrag von Friedrich Deneken. Und der lobte es am 1. Dezember 1908 in einem Brief an den Künstler: "Es ist eine ganz hervorragende Arbeit. Das Künstlerische und das Technische reichen sich hier in vollendeter Wirkung die Hand."
In anderen Räumen wird noch gewerkelt. Gehämmert, werden Blätter ausgelegt. Wertvolle, von Behrens entworfene Gläser mit rubinroten Füßen und ein Ess-Service, beides ursprünglich für dessen Haus in Darmstadt gestaltet, stehen ungesichert auf dem Boden vor ihren Vitrinen. Dass bloß niemand versehentlich dagegen tritt! Da steht noch eine Vitrine – wo sie hin soll, ist unklar – vielleicht wird sie gar nicht gebraucht?
Eine Ausstellungswand muss noch einmal verschoben werden, um sie der Türflucht anzupassen.
Peter Behrens, geboren am 14. April 1868, gestorben 1940: der Künstler, Designer, Architekt bahnbrechender Industriebauten der Moderne: In der Krefelder Ausstellung sollen die Besucher eine Gesamtschau seines Werks sehen können - Buch und Schriftentwürfe, sehr frühe, noch im Nietzschehaften Heldentum verhaftete Werke, Ikonen des Jugendstils wie den Farbholzschnitt "Der Kuss", Plakate und Tapetenentwürfe, Linoleummuster für die Anker-Werke, zahlreiche Arbeiten für die AEG: von den Teekannen über Geschäftspapiere zu Konstruktionszeichnungen, Plakaten und Fotografien von Ventilatoren, Glühlampen oder einen elektrischen Zahnbohrapparat.
"Wir sind erst mal sehr zufrieden, weil es doch eigentlich so aufgegangen ist, wie wir uns das vorgestellt haben."

Archivalien, die korrespondieren

17.Mai 2018, Ausstellungseröffnung im Kaiser-Wilhelm-Museum Krefeld - Die Redner betonen die Bedeutung des Gewürdigten. Katia Baudin fasst im Gespräch zusammen, was man in der Krefelder Ausstellung über Peter Behrens lernen kann: "Da sieht man, was für eine Leitfigur Peter Behrens auch war für das Bauhaus und für die Entwicklung für die sogenannte International Style. Oder eben die Ästhetik des Neuen Bauens. Diese Schlichtheit, die noch immer unsere Lebenswelt heute so sehr prägt, ist noch immer aktuell, praktisch 100 Jahre später."
Darmstadt, 15. Februar 1901

Lieber, verehrter Herr Direktor,

Ich versichere, dass es mir wirklich von großem Interesse ist mit Ihnen zusammen etwas zu fördern. Nur wächst einem die Arbeit mitunter über den Kopf. Sowie nun aber das Allerdringeste weg ist, wende ich mich mit ganzer Liebe der Krefelder Industrie und Handwerk zu, und ich hoffe, dass wir noch Vieles fertig bringen werden.

Mit freundlichem Gruß

Peter Behrens
Die bedeutungsvollen Archivalien lagern jetzt nicht im Depot, sondern korrespondieren mit den Blicken des interessierten Publikums – bis sie in den nächsten Dornröschenschlaf versetzt und zurück ins Depot gebracht werden.
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