Die endliche Geschichte des Holocaust-Denkmals

Von Michael Schornstheimer · 09.05.2005
Die Debatte über das Holocaust-Mahnmal dauerte genauso lang wie das so genannte Dritte Reich: Zwölf Jahre! 1988 riefen der Historiker Eberhard Jäckel und die Journalistin Lea Rosh den Förderkreis ins Leben. Unter dem Dach der Bürgerinitiative "Perspektive Berlin". Von Anfang an war das Vorhaben umstritten. Doch immerhin gelang es, einen Wettbewerb auszuloben.
Über 500 Arbeiten standen zur Auswahl. Die Jury entschied sich für eine riesige, geneigte Grabplatte, auf der die Namen der Opfer eingraviert werden sollten. "Unmöglich", gaben Kritiker zu bedenken, viele Namen seien unbekannt. Und außerdem: Wieso eine Grabplatte, da doch die Opfer nie bestattet worden waren? Andere kritisierten: "Viel zu monumental!". Kanzler Kohl sprach ein Machtwort: Der Entwurf von Christine Jakob-Marks war vom Tisch.

Fast schien das Vorhaben damit gänzlich gescheitert. Knapp zehn Jahre waren inzwischen vergangen. Manche sahen das Projekt längst zerredet. 1997 folgten drei öffentliche Kolloquien. Ein neuer Wettbewerb wurde ausgeschrieben. Sechs Entwürfe kamen in die engere Auswahl. Als Favorit stellte sich bald die Arbeit von Richard Serra und Peter Eisenman heraus: Ein abstraktes Stelenfeld, das im Modell an ein wogendes Ährenfeld erinnerte. Es bestand aus 4500 Hohlkörpern aus Beton. Wieder hieß es: "zu groß, zu monumental". Das Duo sollte seinen Entwurf überarbeiten. Der Bildhauer Richard Serra lehnte ab und stieg aus dem Projekt aus. Peter Eisenman gab den Pragmatiker und lieferte die Pläne für eine verkleinerte Version, genannt Eisenman II. Ein Feld mit nur 2700 Stelen aus Beton:

"Wir wollen nicht, dass es wie Stein aussieht. Es soll vom Material her nicht an einen Friedhof erinnern. Vergessen Sie nicht: Wir sprechen von Menschen, die in der Welt keinen Platz mehr hatten. Die ihren Platz verloren hatten. Das hier also soll ein "Ortloser Ort" sein. Und um einen ortlosen Ort zu schaffen, kann man nicht Granit oder Marmor benutzen, das würde an einen Friedhof erinnern. Dies hier ist kein Friedhof. Beton ist ein Naturprodukt, und deswegen versuchen wir hier, eine Art "neue Natur" herzustellen. "

Inzwischen war Rot-Grün an die Macht gekommen. Der neu installierte Staatsminister für Kultur und Medien, Michael Naumann, der ursprünglich gegen das Mahnmal war, hatte wieder andere Pläne. Er wollte das Stelenfeld noch einmal verkleinern und dafür ein Holocaust-Forschungszentrum angliedern sowie ein Beobachtungszentrum gegen Völkermord. Intern wurde dieser Vorschlag Eisenman III genannt. Doch der politisch unerfahrene Naumann scheiterte damit.

So kam es zu der nun tatsächlich gebauten Version "Eisenman II plus": "Plus" meint den unterirdischen Ort der Information, der zunächst von vielen Seiten abgelehnt worden war. Mit der durchaus plausiblen Begründung: "Authentische Orte des Verbrechens", wie etwa die Gedenkstätte "Topographie des Terrors" befänden sich in unmittelbarer Nachbarschaft. Ein Ort der Information am Stelenfeld, so die Befürchtung, könnte die Topographie-Gedenkstätte in der Wilhelmstraße überflüssig machen. Außerdem würde die Idee eines reinen Mahnmals verwässert. Peter Eisenman nahm daran anscheinend keinen Anstoß und lieferte wieder, was von ihm verlangt wurde.

"Eines möchte ich klarstellen: Ein Architekt träumt niemals allein. Ich träume nur zusammen mit dem Kuratorium, mit Lea Rosh, mit Wolfgang Thierse, und mit allen anderen Leuten, die für dieses Projekt mitverantwortlich sind. Vergessen Sie nicht, ich habe nur etwas vorgeschlagen, es wurde ausgewählt, verändert und so ist es unser gemeinsamer Traum. "

Noch während der Bauphase kam es immer wieder zu hitzigen Auseinandersetzungen. Etwa, als sich herausstellte, dass die Schutzbeschichtung gegen Graffiti von der Firma Degussa stammte, die schon einst an der Zyklon B Produktion zur Ermordung der Juden verdient hatte. Mitunter war während all der Jahre die Meinung zu hören, die öffentliche Debatte sei das eigentliche Mahnmal. Jetzt wird das Mahnmal eröffnet und sicher ist: die Debatten werden weitergehen.
Das Mahnmal für die ermordeten Juden Europas, aufgenommen am Mittwoch, 15. Dezember 2004 in Berlin wenige Stunden vor dem Errichten der letzten der 2751 Stelen
Das Mahnmal für die ermordeten Juden Europas, aufgenommen am Mittwoch, 15. Dezember 2004 in Berlin wenige Stunden vor dem Errichten der letzten der 2751 Stelen© AP