Die Diskussion um den Papst

Von Werner Sonne |
Erst waren wir mal Papst, und nun wollen wir es nicht mehr sein. Zwei Drittel der Deutschen glauben, dass der Papst der Kirche geschadet hat – und zwar gilt diese Zahl auch für die Katholiken. Es ist also ziemlich klar, wer den Schaden aus der Sicht der Deutschen angerichtet hat.
Und selbst Robert Zollitsch, der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz schreibt am vergangenen Wochenende wörtlich: Zweifellos haben die Ereignisse dieser Wochen der katholischen Kirche geschadet. Und wie, möchte man hinzufügen, denn viele Menschen wollen mit dieser Kirche nichts mehr zu tun haben und sind ausgetreten. Ein Super-Gau für den Vatikan, da gibt es nichts zu beschönigen.

Diese Menschen stellen sich eine einfache Frage: Warum soll ich mit einem Holocaust-Leugner unter dem Dach der Kirche bleiben? Solange das so ist, solange dieser Bischof Williamson nicht ausgeschlossen wird, wird es keinen Frieden geben. So einfach, so klar ist das. Und das muss auch so sein, gerade in der katholische Kirche in Deutschland. Denn auch mehr als 60 Jahre nach dem Holocaust kehrt die Frage zurück, wie eigentlich die Rolle dieser Kirche im Dritten Reich tatsächlich war.

Natürlich, werden einige sagen, es gab doch den Löwen von Münster, den Erzbischof Graf Galen, der mutig gegen die Nazis angetreten ist. Aber er blieb eine Einzelstimme. So wie man mit Oberst Stauffenberg die Deutschen nicht zu einem Volk von Widerständlern umdeuten kann, so ist auch dieser Bischof kein Alibi für eine Kirche, die wie so viele Institutionen im Dritten Reich versagt hat.

Umso sensibler, umso eindeutiger muss die katholische Kirche in Deutschland, muss auch der deutsche Papst mit dem Holocaust umgehen, ein Papst, der zudem zu einer Generation gehört, die diesen Völkermord noch aus der Nähe miterlebt hat.

Völlig zu Recht verweisen nun seine Verteidiger darauf, der Papst habe sich doch sowohl in Auschwitz wie auch an anderer Stelle längst unmissverständlich dazu geäußert. Das ist richtig, und man darf ihm darüber hinaus auch bescheinigen, dass er sich um eine Verbesserung des Verhältnisses zu anderen Religionsgemeinschaften –und auch zu den Juden- intensiv bemüht hat. Der Papst ist kein Antisemit, er beruft sich ausdrücklich auf die gemeinsamen Wurzeln von Judentum und Christentum.

Umso schlimmer freilich ist dieser unentschuldbare Managementfehler, der dem Vatikan unterlaufen ist. Erst der öffentliche Druck der deutschen Kanzlerin hat dazu geführt, dass der Papst den Bischof Williamson zum Widerruf aufgefordert hat. Angela Merkel hat dazu aus ihrer eigenen Partei einiges an Prügel einstecken müssen. Das muss sie aushalten. Ihre deutliche Intervention war nicht nur beispiellos, sie war richtig, und sie war ohne Alternative.

Angela Merkel ist nicht nur die Kanzlerin der Katholiken, sie ist die deutsche Bundeskanzlerin, sie spricht für uns alle. Und kein Land ist so offensichtlich aufgefordert, jedem Versuch entgegenzutreten, den Holocaust zu leugnen, wie Deutschland. Sie hat der Glaubwürdigkeit deutscher Politik in der Welt einen großen Dienst erwiesen. Und selbst wenn einige in der Union das völlig anders sehen, so gilt das auch für ihre Rolle als die Vorsitzende der Christlich Demokratischen Union Deutschlands. Gerade eine Partei, die sich christlich nennt, darf in dieser Frage nicht schweigen.

Die Volkspartei CDU darf nicht als verlängerter Arm des Vatikan wahrgenommen werden, die gleich kuscht, wenn dem Papst etwas nicht gefällt. In den Anfangsjahren dieser Republik mag dieser Eindruck zu Recht entstanden sein. Damals verstand sich die Union sowohl in Bayern wie im rheinischen Milieu als ein überwiegend katholisch-konservativer Wahlverein, und wenn die Pfarrer von der Kanzel dazu aufriefen, CDU zu wählen, so erschien das vielen als völlig folgerichtig. Das schwingt bei vielen katholischen Gläubigen bis heute nach. Sie trauern einer Zeit nach, in der die CDU und die katholische Kirche noch eine selbstverständliche Einheit waren.

In die aktuelle Kritik an Angela Merkel mischen sich deshalb auch viele Ressentiments gegenüber einer ostdeutschen Protestantin, die im wiedervereinigten Deutschland nicht mehr bereit ist, sich diesem konservativ-katholischen Anspruch und damit auch dem Unfehlbarkeitsanspruch des Papstes bedingungslos zu unterwerfen.

Papst und Kanzlerin haben sich, so scheint es nach außen, wieder vertragen. Sie haben nach ihrem Telefongespräch vom Sonntag die richtigen Worte gefunden, was den Umgang mit dem Holocaust angeht. Aber wer glaubt, dass das Problem mit dem deutschen Papst damit aus der Welt ist, der täuscht sich. Er wird den deutschen Katholiken noch viel zu erklären haben, wohin die Reise tatsächlich gehen soll.

Bischof Zollitsch hat völlig recht, wenn er schreibt, die Ereignisse der letzten Wochen hätten den Eindruck erweckt, die Kirche sei vorschnell um die Nähe ziemlich finsterer Menschen bemüht und auf dem Weg zurück in die Vergangenheit. Er erwartet, dass der Papst die richtigen Schritte gehen und entsprechende Zeichen setzen wird, um alle Befürchtungen über eine kirchliche Restauration zu zerstreuen.

In der Tat liegt es ausschließlich bei Papst Benedikt, diese Zeichen auch tatsächlich zu setzen. Ein Ausschluss von Bischof Williamson wäre dabei nur der erste Schritt, allerdings einer, der unverzichtbar ist, wenn er seine Glaubwürdigkeit wiedergewinnen will.


Werner Sonne, Journalist, 1947 in Riedenburg geboren, arbeitete zunächst beim "Kölner Stadt-Anzeiger", war dann Korrespondent für United Press International in Bonn und ging 1968 zum Westdeutschen Rundfunk. Er absolvierte Studienaufenthalte am Salzburg Seminar for American Studies sowie an der Harvard University. Unter anderem war er Hörfunk-Korrespondent in den ARD-Studios Bonn und Washington. 1981 wechselte Werner Sonne zum Fernsehen, war unter anderem ARD-Studioleiter in Warschau, Korrespondent in Bonn und Washington und im ARD-Hauptstadtstudio Berlin sowie Moderator der Sendung "Schwerpunkt" im ARD/ZDF-Informationskanal Phoenix. Derzeit arbeitet er als Berliner Korrespondent für das ARD-Morgenmagazin. Werner Sonne ist Co-Autor der Romane: "Es war einmal in Deutschland" (1998), "Allahs Rache" (1999), "Quotenspiel" (1999) und "Tödliche Ehre" (2001).
Der Journalist Werner Sonne
Der Journalist Werner Sonne© ARD-Hauptstadtstudio