"Die Deutschen sind bemerkenswert unmündig"
Der Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Freiburg in der Schweiz, Guy Kirsch, hat die Deutschen als "bemerkenswert unmündig" bezeichnet. Dadurch lasse sich auch das Wahlergebnis erklären, sagte Kirsch. Im Gegensatz zu Staaten wie Großbritannien, den USA oder Ländern Osteuropas herrsche in Deutschland eine "Kultur des Jammerns".
Wuttke: Wie kommen Sie darauf, die Deutschen wären ängstlich?
Kirsch: Wenn ich vergleiche mit dem, was draußen vor sich geht, dann habe ich als teilnehmender Beobachter von dem, was in der Bundesrepublik abläuft, doch sehr das Gefühl, dass man zwischen Selbstmitleid, Selbstvorwürfen und Angst hin- und herschwankt, ganz im Gegensatz etwa zu anderen Ländern, etwa England oder auch die Vereinigten Staaten, aber auch von Ländern im Osten Europas.
Wuttke: Woran machen Sie denn die Ängstlichkeit in Deutschland fest?
Kirsch: Ich mache die Ängstlichkeit fest an einer... erstens Deutschland hat eine Kultur des Jammerns. Deutschland hat eine Kultur des Gefühls, nichts machen zu können. Ich sage noch nicht einmal, nichts machen zu wollen, sondern nichts machen zu können, und entsprechend auch das Gefühl, den Dingen ausgeliefert zu sein. Das hat sicher viele Gründe, darüber können wir sprechen.
Wuttke: Aber Moment mal, wir sind doch das Volk derer, die die Ärmel hochkrempeln, die anpacken. Da sind wir berühmt und manchmal auch berüchtigt.
Kirsch: Oh, ich meine, da bin ich nicht ganz so sicher. Ärmel hochkrempeln, da wird mehr davon geredet, und vom Ruck wird auch mehr geredet, als dass er durch das Land geht. Nein, ich glaube, das ist aber wirklich eine Selbsttäuschung.
Wuttke: Warum?
Kirsch: Warum das so ist? Nun, ich glaube, das liegt daran, dass es in Deutschland im Gegensatz etwa zu Ländern wie die Vereinigten Staaten oder auch England oder auch anderen Ländern schwierig ist, etwas zu tun. Das liegt insbesondere auch an der großen Regulierung. Sehen Sie, in Deutschland, wenn jemand etwas für sich tun will, wenn jemand etwas machen will, um das, was er eventuell als Gefahr erlebt oder als Drohung sieht, wenn er dem begegnen will, dann ist er durch dermaßen viele Gebote, Verbote, Reglements und ähnliches eingeengt, dass er notgedrungen das Gefühl haben muss, dass er den Dingen schutzlos ausgeliefert ist.
Es kommt etwas anderes hinzu: Weil das schon so lange geht und weil die Deutschen auch so lange sehr gut damit gefahren sind, ist – habe ich das Gefühl – die Freiheitsfähigkeit, die Fähigkeit und den Willen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, in Deutschland also sehr zurückgegangen.
Wuttke: Wie hängen denn für Sie Freiheitsfähigkeit und Angst zusammen?
Kirsch: Freiheitsfähigkeit und Angst hängen insofern zusammen, dass, wenn man das Gefühl hat, nichts machen zu können, dann besteht selbstverständlich auch die Vorstellung, den Umständen ausgeliefert zu sein, auch den bedrohlichen Umständen ausgeliefert zu sein. Das ist dann so etwa das, was jeder aus Alpträumen kennt, ich möchte zwar etwas machen, kann aber nicht, das ist das eine, und das andere ist, ja, meine Güte, Freiheitsfähigkeit jetzt, der Staat sollte ja etwas machen, und an den habe ich ja meine Freiheit abgegeben und jetzt tut er das auch nicht.
Wissen Sie, man hat den Staat, den Sozialstaat ausgebaut mit der guten Absicht, den Leuten die Angst vor den Gefährdungen des Lebens zu nehmen und vor den Konsequenzen des Lebens in seiner ganzen Menge von Gefährdungen, als da sind Alter, Krankheit, Invalidität und ähnliches. Nun ist aber der Staat selbst, der Sozialstaat, inzwischen für die meisten wiederum so unzuverlässig geworden, dass man von ihm alles erwarten kann, das heißt, auch er ist nicht mehr zuverlässig. Also zwei Dinge: Man hat das Gefühl, noch sich dem Staat anvertrauen zu müssen und gleichzeitig aber schon jede Menge Unheil von ihm zu erwarten.
Wuttke: Nun sagen Sie, wir sind offensichtlich durch viele Jahre und Jahrzehnte ein Land geworden, in dem überreguliert wird. Das hat, wenn ich Sie richtig verstanden habe, zu einem Korsett geführt, in dem wir jetzt drohen zu ersticken. Die Frage ist, was haben wir denn dann gewählt, wohin geht es, wenn wir abgelehnt haben die Ehrlichkeit einer Angela Merkel, die gesagt hat, was in diesem Land passieren muss, und wir gesagt haben, das ist soziale Kälte, das wollen wir nicht?
Kirsch: Oh, das ist wunderschön, dass Sie das fragen. Sehen Sie, das illustriert ganz genau, was ich sage, nämlich einerseits meint man noch, das Heil vom Staat, von seiner Sozialpolitik zu erwarten, und entsprechend hat man dann auch die SPD gewählt, zum Teil noch weiter links, gut, so links ist die SPD ja auch nicht, hat man gewählt, dabei aber irgendwo gewusst, na ja, ob das nun gut geht? Umgekehrt hat man gesagt, na ja, von dem Staat ist auch nicht mehr alles zu erwarten, das ist, was er uns alles da zumutet, lass uns mal wieder frei sein, lass uns mal wieder auf die eigenen Füße stehen, und hat Merkel gewählt.
Das heißt, einerseits hat man, oder genauer so: Buchanan, dieser amerikanische Nobelpreisträger, hat gesagt, für die meisten Menschen ist der Staat zu einem Gott geworden. Ich würde hinzufügen, zu einem Gott mit zwei Gesichtern. Einerseits erwartet man noch sehr viel Gutes von ihm, und dann wählt man SPD, und andrerseits sagt man sich aber auch, meine Güte, das kann ein schrecklicher Gott sein, dieser Staat, und wählt dann eher eine liberale Richtung, und das wäre dann in diesem Falle CDU oder auch FDP.
Wuttke: Das heißt, die deutsche Politik ist als Januskopf gewählt worden. Wenn Sie sagen, Deutschland sei durch Angst geprägt, dann stellt sich auf der anderen Seite aber auch die Frage, sind das nur wir, der Souverän, das Volk, das in Angst erstickt und sich um seine eigene Achse dreht und manchmal auch nur um den eigenen Nabel kreist, oder sind die Politiker auch von dem selbst infiziert, was sie auch angerichtet haben, also haben wir Angsthasen gewählt?
Kirsch: Ich glaube, ja. Politiker geben sich gerne – das gehört auch zu ihrem Amt und es ist eine Voraussetzung dafür, dass sie überhaupt auf dem politischen Markt Chancen haben -, sie gehen davon aus, dass sie die Macher der Dinge sind, dass sie die Dinge im Griff haben. Ich glaube längst nicht mehr, dass das der Fall ist. Sie sind – und das ist der schreckliche Eindruck, den man sicher haben kann und den die Wähler auch haben, und das erklärt zum Teil sicher auch, warum man den Herrschaften misstraut - sie sind genauso sehr Getriebene und Verängstigte gegenüber dem Apparat, den sie da geschaffen haben, wie die Bürger selbst. Nein, die politische Klasse in Deutschland ist eine ängstliche Klasse.
Wuttke: Wenn man Ihrer These folgt, dann sitzen wir in einem ganz schönen Schlammassel.
Kirsch: Ich wäre froh, wenn ich Ihnen widersprechen könnte.
Wuttke: Ja gut, aber wenn Sie die These verfolgen, in welcher Situation sich Deutschland befindet, wie kommen wir denn da raus?
Kirsch: Nun, da würde ich ganz gerne auf das zurückgreifen, was ich jetzt gleichfalls wieder als teilnehmender Beobachter in der Schweiz sehe. Ich bin kein Schweizer und sehe das auch nur als teilnehmender Beobachter und kann es also auch vergleichen mit dem, was in Deutschland abläuft. Ich glaube, es wäre unbedingt wichtig für Deutschland, einen Schritt zu wagen, das kann kurzfristig nicht geschehen, aber mit direkten Volksrechten, dass die Bürger auch wieder ihre eigenen Geschäfte in die eigenen Hände nehmen.
Das hat zwei Vorteile, wenigstens zwei: Erstens, die Bürger lernen wieder, selbst Verantwortung zu haben. Wissen Sie, die Schweizer lehnen Steuersenkungen ab, die Schweizer lehnen Arbeitszeitverkürzungen ab in direkter Demokratie, es ist nicht so, dass das der reine Unfug wird. Also die Bürger lernen, die Dinge in die eigene Hand zu nehmen, werden entsprechend auch wieder mündiger. Die Deutschen sind, es tut mir Leid, das im Deutschlandradio sagen zu müssen...
Wuttke: Nur zu!
Kirsch: Gut, ich fühle mich ermuntert. Die Deutschen sind bemerkenswert unmündig. Sie reden von denen in Berlin, vom Staat, aber nicht von unserer Republik. Sie reden nicht von unserer Republik. Dies kann dadurch geschehen, dass die Leute mal wieder die Angelegenheiten in die eigenen Hände nehmen, merken, dass etwas Konsequenzen hat, wenn sie etwas entscheiden, auch politisch entscheiden. Erstens.
Zweitens, Deutschland steht jetzt vor einem großen Reformwerk. Es muss alles reformiert werden, mit gutem Grund (…). Die Schweiz im Gegensatz dazu ist ja laufend, ich sage nicht, jedes Wochenende, aber sehr häufig sind sie aufgerufen, irgendwo in direkter Demokratie sich über irgendetwas zu äußern, zum Teil sind es durchaus weit reichende Sachen. Das heißt, das Reformieren wird in der Schweiz in der kleinen Münze des konstanten Reformierens abgezahlt, während in Deutschland in den großen Scheinen gezahlt werden muss, und das überfordert im Zweifel auch eine Nation, und gegenwärtig ist das – habe ich das Gefühl – ein bisschen der Fall.
Wuttke: Vielen Dank für das Gespräch.
Kirsch: Wenn ich vergleiche mit dem, was draußen vor sich geht, dann habe ich als teilnehmender Beobachter von dem, was in der Bundesrepublik abläuft, doch sehr das Gefühl, dass man zwischen Selbstmitleid, Selbstvorwürfen und Angst hin- und herschwankt, ganz im Gegensatz etwa zu anderen Ländern, etwa England oder auch die Vereinigten Staaten, aber auch von Ländern im Osten Europas.
Wuttke: Woran machen Sie denn die Ängstlichkeit in Deutschland fest?
Kirsch: Ich mache die Ängstlichkeit fest an einer... erstens Deutschland hat eine Kultur des Jammerns. Deutschland hat eine Kultur des Gefühls, nichts machen zu können. Ich sage noch nicht einmal, nichts machen zu wollen, sondern nichts machen zu können, und entsprechend auch das Gefühl, den Dingen ausgeliefert zu sein. Das hat sicher viele Gründe, darüber können wir sprechen.
Wuttke: Aber Moment mal, wir sind doch das Volk derer, die die Ärmel hochkrempeln, die anpacken. Da sind wir berühmt und manchmal auch berüchtigt.
Kirsch: Oh, ich meine, da bin ich nicht ganz so sicher. Ärmel hochkrempeln, da wird mehr davon geredet, und vom Ruck wird auch mehr geredet, als dass er durch das Land geht. Nein, ich glaube, das ist aber wirklich eine Selbsttäuschung.
Wuttke: Warum?
Kirsch: Warum das so ist? Nun, ich glaube, das liegt daran, dass es in Deutschland im Gegensatz etwa zu Ländern wie die Vereinigten Staaten oder auch England oder auch anderen Ländern schwierig ist, etwas zu tun. Das liegt insbesondere auch an der großen Regulierung. Sehen Sie, in Deutschland, wenn jemand etwas für sich tun will, wenn jemand etwas machen will, um das, was er eventuell als Gefahr erlebt oder als Drohung sieht, wenn er dem begegnen will, dann ist er durch dermaßen viele Gebote, Verbote, Reglements und ähnliches eingeengt, dass er notgedrungen das Gefühl haben muss, dass er den Dingen schutzlos ausgeliefert ist.
Es kommt etwas anderes hinzu: Weil das schon so lange geht und weil die Deutschen auch so lange sehr gut damit gefahren sind, ist – habe ich das Gefühl – die Freiheitsfähigkeit, die Fähigkeit und den Willen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, in Deutschland also sehr zurückgegangen.
Wuttke: Wie hängen denn für Sie Freiheitsfähigkeit und Angst zusammen?
Kirsch: Freiheitsfähigkeit und Angst hängen insofern zusammen, dass, wenn man das Gefühl hat, nichts machen zu können, dann besteht selbstverständlich auch die Vorstellung, den Umständen ausgeliefert zu sein, auch den bedrohlichen Umständen ausgeliefert zu sein. Das ist dann so etwa das, was jeder aus Alpträumen kennt, ich möchte zwar etwas machen, kann aber nicht, das ist das eine, und das andere ist, ja, meine Güte, Freiheitsfähigkeit jetzt, der Staat sollte ja etwas machen, und an den habe ich ja meine Freiheit abgegeben und jetzt tut er das auch nicht.
Wissen Sie, man hat den Staat, den Sozialstaat ausgebaut mit der guten Absicht, den Leuten die Angst vor den Gefährdungen des Lebens zu nehmen und vor den Konsequenzen des Lebens in seiner ganzen Menge von Gefährdungen, als da sind Alter, Krankheit, Invalidität und ähnliches. Nun ist aber der Staat selbst, der Sozialstaat, inzwischen für die meisten wiederum so unzuverlässig geworden, dass man von ihm alles erwarten kann, das heißt, auch er ist nicht mehr zuverlässig. Also zwei Dinge: Man hat das Gefühl, noch sich dem Staat anvertrauen zu müssen und gleichzeitig aber schon jede Menge Unheil von ihm zu erwarten.
Wuttke: Nun sagen Sie, wir sind offensichtlich durch viele Jahre und Jahrzehnte ein Land geworden, in dem überreguliert wird. Das hat, wenn ich Sie richtig verstanden habe, zu einem Korsett geführt, in dem wir jetzt drohen zu ersticken. Die Frage ist, was haben wir denn dann gewählt, wohin geht es, wenn wir abgelehnt haben die Ehrlichkeit einer Angela Merkel, die gesagt hat, was in diesem Land passieren muss, und wir gesagt haben, das ist soziale Kälte, das wollen wir nicht?
Kirsch: Oh, das ist wunderschön, dass Sie das fragen. Sehen Sie, das illustriert ganz genau, was ich sage, nämlich einerseits meint man noch, das Heil vom Staat, von seiner Sozialpolitik zu erwarten, und entsprechend hat man dann auch die SPD gewählt, zum Teil noch weiter links, gut, so links ist die SPD ja auch nicht, hat man gewählt, dabei aber irgendwo gewusst, na ja, ob das nun gut geht? Umgekehrt hat man gesagt, na ja, von dem Staat ist auch nicht mehr alles zu erwarten, das ist, was er uns alles da zumutet, lass uns mal wieder frei sein, lass uns mal wieder auf die eigenen Füße stehen, und hat Merkel gewählt.
Das heißt, einerseits hat man, oder genauer so: Buchanan, dieser amerikanische Nobelpreisträger, hat gesagt, für die meisten Menschen ist der Staat zu einem Gott geworden. Ich würde hinzufügen, zu einem Gott mit zwei Gesichtern. Einerseits erwartet man noch sehr viel Gutes von ihm, und dann wählt man SPD, und andrerseits sagt man sich aber auch, meine Güte, das kann ein schrecklicher Gott sein, dieser Staat, und wählt dann eher eine liberale Richtung, und das wäre dann in diesem Falle CDU oder auch FDP.
Wuttke: Das heißt, die deutsche Politik ist als Januskopf gewählt worden. Wenn Sie sagen, Deutschland sei durch Angst geprägt, dann stellt sich auf der anderen Seite aber auch die Frage, sind das nur wir, der Souverän, das Volk, das in Angst erstickt und sich um seine eigene Achse dreht und manchmal auch nur um den eigenen Nabel kreist, oder sind die Politiker auch von dem selbst infiziert, was sie auch angerichtet haben, also haben wir Angsthasen gewählt?
Kirsch: Ich glaube, ja. Politiker geben sich gerne – das gehört auch zu ihrem Amt und es ist eine Voraussetzung dafür, dass sie überhaupt auf dem politischen Markt Chancen haben -, sie gehen davon aus, dass sie die Macher der Dinge sind, dass sie die Dinge im Griff haben. Ich glaube längst nicht mehr, dass das der Fall ist. Sie sind – und das ist der schreckliche Eindruck, den man sicher haben kann und den die Wähler auch haben, und das erklärt zum Teil sicher auch, warum man den Herrschaften misstraut - sie sind genauso sehr Getriebene und Verängstigte gegenüber dem Apparat, den sie da geschaffen haben, wie die Bürger selbst. Nein, die politische Klasse in Deutschland ist eine ängstliche Klasse.
Wuttke: Wenn man Ihrer These folgt, dann sitzen wir in einem ganz schönen Schlammassel.
Kirsch: Ich wäre froh, wenn ich Ihnen widersprechen könnte.
Wuttke: Ja gut, aber wenn Sie die These verfolgen, in welcher Situation sich Deutschland befindet, wie kommen wir denn da raus?
Kirsch: Nun, da würde ich ganz gerne auf das zurückgreifen, was ich jetzt gleichfalls wieder als teilnehmender Beobachter in der Schweiz sehe. Ich bin kein Schweizer und sehe das auch nur als teilnehmender Beobachter und kann es also auch vergleichen mit dem, was in Deutschland abläuft. Ich glaube, es wäre unbedingt wichtig für Deutschland, einen Schritt zu wagen, das kann kurzfristig nicht geschehen, aber mit direkten Volksrechten, dass die Bürger auch wieder ihre eigenen Geschäfte in die eigenen Hände nehmen.
Das hat zwei Vorteile, wenigstens zwei: Erstens, die Bürger lernen wieder, selbst Verantwortung zu haben. Wissen Sie, die Schweizer lehnen Steuersenkungen ab, die Schweizer lehnen Arbeitszeitverkürzungen ab in direkter Demokratie, es ist nicht so, dass das der reine Unfug wird. Also die Bürger lernen, die Dinge in die eigene Hand zu nehmen, werden entsprechend auch wieder mündiger. Die Deutschen sind, es tut mir Leid, das im Deutschlandradio sagen zu müssen...
Wuttke: Nur zu!
Kirsch: Gut, ich fühle mich ermuntert. Die Deutschen sind bemerkenswert unmündig. Sie reden von denen in Berlin, vom Staat, aber nicht von unserer Republik. Sie reden nicht von unserer Republik. Dies kann dadurch geschehen, dass die Leute mal wieder die Angelegenheiten in die eigenen Hände nehmen, merken, dass etwas Konsequenzen hat, wenn sie etwas entscheiden, auch politisch entscheiden. Erstens.
Zweitens, Deutschland steht jetzt vor einem großen Reformwerk. Es muss alles reformiert werden, mit gutem Grund (…). Die Schweiz im Gegensatz dazu ist ja laufend, ich sage nicht, jedes Wochenende, aber sehr häufig sind sie aufgerufen, irgendwo in direkter Demokratie sich über irgendetwas zu äußern, zum Teil sind es durchaus weit reichende Sachen. Das heißt, das Reformieren wird in der Schweiz in der kleinen Münze des konstanten Reformierens abgezahlt, während in Deutschland in den großen Scheinen gezahlt werden muss, und das überfordert im Zweifel auch eine Nation, und gegenwärtig ist das – habe ich das Gefühl – ein bisschen der Fall.
Wuttke: Vielen Dank für das Gespräch.