Die Crux mit der Konsolidierung

Von Nikolaus Piper, Süddeutsche Zeitung |
Die Nachrichten aus Berlin sind nicht gut. Es ist, als hätte man das alles schon einmal gehört, vor drei Jahren, als das rot-grüne Bündnis zur eigenen Überraschung doch noch die Bundestagswahl 2002 gewonnen hat: Haushaltslöcher, die von Tag zu Tag und von Interviewpartner zu Interviewpartner größer werden. Hysterische Vorschläge über Steuererhöhungen der unterschiedlichsten Art. Und eine Stimmung im Lande, die darob immer düsterer wird.
Damals war es Finanzminister Hans Eichel, der unmittelbar nach der Wahl die Listen der Grausamkeit verkündete. Heute ist es sein designierter Nachfolger Peer Steinbrück. Und noch stärker die Unions-Fürsten wie Roland Koch aus Hessen. Und dass alles so überfallartig über die frustrierten Wähler kommt ist auch kein Wunder. Schließlich hat das Wahlergebnis die Beteiligten ja auch kalt erwischt. Union und Sozialdemokraten hatten zwar befürchtet, miteinander regieren zu müssen, aber nicht wirklich damit gerechnet.

Und jetzt überbietet man sich im Konsolidierungswillen. Das Haushaltsdefizit ist größer als erwartet, es soll nun aber noch schneller als geplant. Und von wegen Sparen. Die Mehrwerststeuer soll erhöht werden. Nicht einfach um zwei Prozentpunkte, wie Angela Merkel dies im Wahlkampf angekündigt hatte, sondern gleich um drei oder sogar um vier Punkte. 20 Prozent würde dann auf den meisten Waren von Staatswegen draufgeschlagen. Schon allein die Zahl löst bei den Verbrauchern Horror aus.

Oder warum bei der Mehrwertsteuer bleiben. Man könnte doch auch einen Super-Solidaritätszuschlag auf die Einkommen erheben, eine Art Notopfer Berlin in neuer Form. Wer ein gutes Gedächtnis hat, erinnert sich vielleicht daran, dass der erste Solidaritätszuschlag, den wir alle schon seit über zehn Jahren zahlen, auch einmal begrenzt war. Dann kommen dazu noch die ganzen Kürzungen bei den Steuervergünstigungen, die für sich genommen ja auch erst einmal Steuererhöhungen sind. Und da sollen Verbraucher und Unternehmer Vertrauen fassen und mehr Geld ausgeben?

Man kann nur inständig hoffen, dass die Koalitionäre schnell zur Besinnung kommen und dass die Haushaltshysterie in Berlin sofort aufhört. Alle Beteiligten sollten daran denken, dass die Steuererhöhungsorgie nach der Bundestagswahl 2002 die Stimmung im Lande so nachhaltig verschlechtert hat, dass sie auch den richtigen Schwenk von Bundeskanzler Schröder zur Agenda 2010 im darauf folgenden Frühjahr überschattete. Wollen Angela Merkel und die ihren das wirklich riskieren?

Es gibt ein paar einfache Wahrheiten, die niemand bestreitet, die aber im politischen Alltag immer wieder vergessen werden. Zum Beispiel das Problem mit der Haushaltskonsolidierung. Wenn der Staat den Bürgern weniger Geld zahlt oder wenn er ihnen mehr abknüpft, dann dämpft dies unweigerlich die Konjunktur. Schließlich haben die Bürger weniger Geld zum konsumieren und investieren. Andererseits führt kein Weg am Abbau des Staatsdefizits vorbei, wenn der Staat handlungsfähig bleiben soll.

Jeder Finanzminister, der seine Aufgabe ernst nimmt, muss also in irgendeiner Art und Weise die Staatsbürger belasten. Der Widerspruch ist nur durch eine Konsolidierung mit langem Atem zu lösen. Die neue Koalition muss die Kosten begrenzen, die das strukturelle Defizit verursachen, also vor allem die Ausgaben für die Rentenversicherung und andere Sozialausgaben, die langsam den Etat erdrücken. Aber sie sollte nicht versuchen auf Teufel komm raus ganz schnell den Etatausgleich zu erzwingen.

Natürlich darf die Koalition jetzt nicht die Mehrwertsteuer erhöhen. Starke Bedenken gab es schon gegen das Vorhaben von Angela Merkel, die Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte anzuheben, um dann die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu senken. Um wie viel mehr gelten diese Bedenken, wenn das Geld nur dafür verwendet wird, um Haushaltslöcher zu stopfen.

Für die schädliche Wirkung einer Steuererhöhung zur Unzeit gibt es auch ein Beispiel. Die japanische Regierung, deren Haushaltslage seinerzeit ähnlich desolat wie die Deutsche war, 1997 die Steuern, um das Budget zu sanieren. Als Ergebnis wurde die Stagnation in dem Land um mehrere Jahre verlängert.

Der von Angela Merkel so wenig geliebte CDU-Finanzexperte Friedrich Merz sagte im Wahlkampf einen wahren Satz: Man kann die Haushaltsprobleme Deutschlands nicht allein durch fiskalische Maßnahmen lösen. Ein Ausweg ist nur durch mehr Wirtschaftswachstum möglich. Und dazu muss die Regierung all die Reformen umsetzen, die die Experten von ihr verlangen, und die im Prozess der Koalitionsbildung so schwer umzusetzen sind.

Wenn der Arbeitsmarkt wieder besser funktioniert und tatsächlich mehr Beschäftigung entsteht, dann tut dies dem Haushalt besser als jede hektische Steuererhöhung. Hoffentlich hören die Koalitionäre auf Friedrich Merz.