Die Causa Glos
Im Januar 1993 begab es sich, dass die FDP in ihren Reihen wieder einmal nach einem neuen Wirtschaftsminister suchte. Vorstand und Fraktion wurden fündig und bestimmten Günter Rexrodt als Nachfolger für den zurückgetretenen Jürgen Möllemann.
Der frisch Nominierte stellte sich vor die Presse und erklärte wortwörtlich: Der Bundeskanzler hat das zur Kenntnis zu nehmen und zu bestätigen. Damit hatte er den erstbesten Fettnapf erwischt und das Entree in die Bundesregierung war verdorben. Denn im Grundgesetz heißt es: Die Bundesminister werden auf Vorschlag des Bundeskanzlers vom Bundespräsidenten ernannt und entlassen. Graf Lambsdorff, der damalige FDP-Vorsitzende, sah sich genötigt, im Kanzleramt für Rexroth um Entschuldigung zu bitten. Der selbst sprach von einer Dummheit. Und Helmut Kohl – der ließ sich ostentativ ein paar Tage Zeit, bis er Rexroth als Minister vorschlug.
Zeitzeuge von alldem war damals Michael Glos, was ihn nicht daran gehindert hat, seinen Parteivorsitzenden Horst Seehofer schriftlich zu bitten, ihn vom Amt des Wirtschaftsministers zu entbinden. Das war nichts anderes als eine Provokation, auf die es nur eine angemessene Antwort hätte geben dürfen. Angela Merkel hätte Glos gleich nach Bekanntwerden des Briefes an Seehofer entlassen müssen. Sie hat es nicht getan. Und dieses Zögern kann sich als Fehler erweisen, der ihr noch lange nachhängen wird. Denn damit ist sie in ihrer Rolle als Kanzlerin ebenso beschädigt worden wie als Parteivorsitzende.
Die Konservativen in der CDU klagen schon seit Beginn der Großen Koalition, dass unter Angela Merkel das inhaltliche Profil der Partei kaum noch auszumachen ist. In der Wirtschafts- und Finanzkrise ist die Partei Ludwig Erhards nun aber vollends ins Schlingern geraten. In der Regierung der Angela Merkel, die sich in längst vergangenen Zeiten mal für eine Neue Soziale Marktwirtschaft engagiert hat, in dieser Regierung wird über die Verstaatlichung von beinahe ruinierten Banken nachgedacht, über staatliche Hilfen für klamme Unternehmen; mit Konjunkturprogrammen wird subventioniert auf Teufel komm raus – die ganzen ordnungspolitischen Reden haben sich als Schönwetter-Lyrik erwiesen.
Die CDU trifft das so abrupt und unvermittelt wie seinerzeit die SPD, als sie von der Agenda-Wende des Gerhard Schröder überfahren wurde. Einziger Unterschied: Die CDU hatte glücklicherweise keinen Lafontaine im Rücken. Bis vor drei Monaten, denn seither nimmt dessen Rolle in der Union Horst Seehofer wahr. Was Charisma und Chuzpe, Populismus und Präpotenz angeht, sind sich die beiden ja gar nicht so unähnlich. Seehofer muss sich als starker Mann beweisen, der die desorientierte ehemalige Staatspartei CSU wieder auf Vordermann bringt. Aus seiner Sicht geht das wohl nur, indem er sich wie weiland Franz Josef Strauß permanent an der Bundesregierung reibt und die CDU mit ihrer Vorsitzenden vor sich hertreibt. Das gelingt ihm und – was besonders erstaunlich ist – Angela Merkel lässt es mit sich machen.
Die Causa Glos ist dafür der herausragende und für alle sichtbare Höhepunkt. Die Kanzlerin legt sich öffentlich mit dem Papst an und mit Wladimir Putin. Sie hat den baden-württembergischen Regierungschef Oettinger wegen seiner Trauerrede für Hans Filbinger gerügt. Aber in einer kleinen, aber entscheidenden Frage ihrer verfassungsmäßigen Kompetenzen als Kanzlerin – da kneift sie vor Horst Seehofer.
Ein schwerer Fehler mit Folgen. Denn damit wurde ihr wirklich ein Zacken aus der Krone gebrochen. Ihr Nimbus als unerschrockene Politikerin, die sich – wenn auch nach sorgfältiger Analyse – traut und auch in unangenehmen Situationen die Dinge beim Namen nennt, dieser Nimbus ist nun dahin.
Das Gemurre in der CDU wird nicht aufhören, es wird sich in Wahlkampfzeiten wohl gerade noch kontrollieren lassen. Und auch in den Medien wird sich als Trend verstärken, was schon in den letzten Monaten zu erkennen war. Diejenigen, die die Kanzlerin kürzlich noch gelobt haben für ihren kooperativen Führungsstil, der alle einbinden und mitnehmen will – dieselben werden das nun als Führungsschwäche entdecken und kritisieren. Politisch kann und wird Angela Merkel das wohl überleben. Sie kann auch die nächste Wahl gewinnen. Aber in einer späteren Rückschau könnte es sein, dass diese Woche den Zenit ihrer Kanzlerschaft markiert hat. Es braucht schon viel Fantasie, um sich vorstellen zu können, wie sie in einem künftigen Kabinett mit Leuten vom Schlage Westerwelle und Seehofer zurechtkommen will.
Apropos Westerwelle: Der derzeitige FDP-Chef sprach mit Blick auf Glos von einer regelrechten Clownerie mit der Verfassung. Wohl dem, der sich auf ein kurzes Gedächtnis verlassen kann.
Zeitzeuge von alldem war damals Michael Glos, was ihn nicht daran gehindert hat, seinen Parteivorsitzenden Horst Seehofer schriftlich zu bitten, ihn vom Amt des Wirtschaftsministers zu entbinden. Das war nichts anderes als eine Provokation, auf die es nur eine angemessene Antwort hätte geben dürfen. Angela Merkel hätte Glos gleich nach Bekanntwerden des Briefes an Seehofer entlassen müssen. Sie hat es nicht getan. Und dieses Zögern kann sich als Fehler erweisen, der ihr noch lange nachhängen wird. Denn damit ist sie in ihrer Rolle als Kanzlerin ebenso beschädigt worden wie als Parteivorsitzende.
Die Konservativen in der CDU klagen schon seit Beginn der Großen Koalition, dass unter Angela Merkel das inhaltliche Profil der Partei kaum noch auszumachen ist. In der Wirtschafts- und Finanzkrise ist die Partei Ludwig Erhards nun aber vollends ins Schlingern geraten. In der Regierung der Angela Merkel, die sich in längst vergangenen Zeiten mal für eine Neue Soziale Marktwirtschaft engagiert hat, in dieser Regierung wird über die Verstaatlichung von beinahe ruinierten Banken nachgedacht, über staatliche Hilfen für klamme Unternehmen; mit Konjunkturprogrammen wird subventioniert auf Teufel komm raus – die ganzen ordnungspolitischen Reden haben sich als Schönwetter-Lyrik erwiesen.
Die CDU trifft das so abrupt und unvermittelt wie seinerzeit die SPD, als sie von der Agenda-Wende des Gerhard Schröder überfahren wurde. Einziger Unterschied: Die CDU hatte glücklicherweise keinen Lafontaine im Rücken. Bis vor drei Monaten, denn seither nimmt dessen Rolle in der Union Horst Seehofer wahr. Was Charisma und Chuzpe, Populismus und Präpotenz angeht, sind sich die beiden ja gar nicht so unähnlich. Seehofer muss sich als starker Mann beweisen, der die desorientierte ehemalige Staatspartei CSU wieder auf Vordermann bringt. Aus seiner Sicht geht das wohl nur, indem er sich wie weiland Franz Josef Strauß permanent an der Bundesregierung reibt und die CDU mit ihrer Vorsitzenden vor sich hertreibt. Das gelingt ihm und – was besonders erstaunlich ist – Angela Merkel lässt es mit sich machen.
Die Causa Glos ist dafür der herausragende und für alle sichtbare Höhepunkt. Die Kanzlerin legt sich öffentlich mit dem Papst an und mit Wladimir Putin. Sie hat den baden-württembergischen Regierungschef Oettinger wegen seiner Trauerrede für Hans Filbinger gerügt. Aber in einer kleinen, aber entscheidenden Frage ihrer verfassungsmäßigen Kompetenzen als Kanzlerin – da kneift sie vor Horst Seehofer.
Ein schwerer Fehler mit Folgen. Denn damit wurde ihr wirklich ein Zacken aus der Krone gebrochen. Ihr Nimbus als unerschrockene Politikerin, die sich – wenn auch nach sorgfältiger Analyse – traut und auch in unangenehmen Situationen die Dinge beim Namen nennt, dieser Nimbus ist nun dahin.
Das Gemurre in der CDU wird nicht aufhören, es wird sich in Wahlkampfzeiten wohl gerade noch kontrollieren lassen. Und auch in den Medien wird sich als Trend verstärken, was schon in den letzten Monaten zu erkennen war. Diejenigen, die die Kanzlerin kürzlich noch gelobt haben für ihren kooperativen Führungsstil, der alle einbinden und mitnehmen will – dieselben werden das nun als Führungsschwäche entdecken und kritisieren. Politisch kann und wird Angela Merkel das wohl überleben. Sie kann auch die nächste Wahl gewinnen. Aber in einer späteren Rückschau könnte es sein, dass diese Woche den Zenit ihrer Kanzlerschaft markiert hat. Es braucht schon viel Fantasie, um sich vorstellen zu können, wie sie in einem künftigen Kabinett mit Leuten vom Schlage Westerwelle und Seehofer zurechtkommen will.
Apropos Westerwelle: Der derzeitige FDP-Chef sprach mit Blick auf Glos von einer regelrechten Clownerie mit der Verfassung. Wohl dem, der sich auf ein kurzes Gedächtnis verlassen kann.