"Die Bundesregierung macht einen guten Job"
Der ehemalige Bundesfinanzminister, Hans Eichel, hat der Bundesregierung in der Bewältigung der Finanzkrise ein effektives Krisenmanagement bescheinigt. Zugleich warb der SPD-Politiker für den Vorschlag gemeinsamer Regelungen für die Finanzmärkte in ganz Europa. Es sei ein stärkeres Signal, wenn klar erkennbar sei, dass Europa sich einig sei und nach demselben Prinzip handele.
Christopher Ricke: Die Krise am Finanzmarkt, sie bewegt fast jeden Sparkassenkunden mindestens genauso wie die Politiker. Hans Eichel war von 1999 bis 2005 Bundesfinanzminister. Guten Morgen, Herr Eichel!
Hans Eichel: Guten Morgen, Herr Ricke!
Ricke: Ist das so, wie wir es gerade gehört haben, hätten wir uns alle etwas besser informieren müssen? Müssen wir uns selbst an die Nase fassen?
Eichel: Ja, ein bisschen stimmt das auch. Aber trotzdem finde ich, dass man als Bank sich so nicht verhalten kann. Die Bank muss beraten im Interesse ihrer Kunden. So habe ich das immer empfunden und so, finde ich, müsse die Banken das auch heute sehen. Und da haben sie etwas nachzuholen oder da haben sie etwas gutzumachen.
Ricke: Die Bundesregierung versucht ja jetzt zu retten, was zu retten ist. Es gibt die Garantie für die Bankeinlagen privater Bürger und man beharrt darauf, dass jedes Land erst einmal vor der eigenen Tür kehren soll, jetzt auf dem Finanzgipfel in Washington. Haben Sie insgesamt den Eindruck, dass die Bundesregierung in dieser Krise einen guten Job macht?
Eichel: Die Bundesregierung macht einen guten Job. Aber ich würde mir wünschen, dass wir insgesamt in Europa zu völlig klaren gemeinsamen Regeln kommen. Denn das ist dann auch ein stärkeres Signal an die Finanzmärkte, wenn man ganz klar erkennen kann, Europa ist einig und handelt denselben Prinzipien.
Ricke: Brauchen wir da neue Regeln oder reicht es, die alten, die es ja gibt, einfach konsequent anzuwenden?
Eichel: Nein, das reicht nicht, die alten anzuwenden. Es gibt ja in den Finanzmärkten ganz große schwarze Löcher, Teilnehmer, Sektoren, die völlig unreguliert sind, die Offshore-Finanzzentren zum Beispiel, wo ja die meisten Hedgefonds sitzen, rechtlich, damit sie nicht transparent werden. Es gibt eben die neuen Spieler an den Märkten, die nicht transparent sind, die nicht reguliert sind, die mit den größten Risiken arbeiten, Hedgefonds, sage ich zum Beispiel wieder, Private Equity Fonds. Die sind nicht alle schlecht, damit ich nicht falsch verstanden werde. Aber es ist nicht hinzunehmen, dass es dort einen großen schwarzen Fleck im Finanzsystem gibt und wir nicht wissen, welche Risiken da lagern und aus diesen unregulierten Bereichen kommen diese völlig überzogenen Profitvorstellungen mit all den Konsequenzen von unerträglich hohen Gehältern und anderen.
Ricke: Aber sind nicht gerade diese Hedgefonds über uns in Europa und in Deutschland gekommen, als Sie Bundesfinanzminister waren?
Eichel: Nein, das sind sie nicht, sondern sie waren in Europa und sie konnten überall angewandt werden. Ich habe das reguliert mit der Folge, dass in Deutschland gerade mal von den 9000 20 Hedgefonds sind, von denen keiner jemals auffällig geworden ist. Sondern Sie müssen es regeln, das ist das Problem.
Ricke: Wie groß, glauben Sie, ist im angloamerikanischen Markt, aus dem dieses Modell ja kommt, denn die Bereitschaft, jetzt wirklich Regelungen zuzulassen?
Eichel: Ich glaube, dass sie jetzt kommt, denn dort wird ja das schärfste Schwert geschwungen inzwischen, dass man sich vorstellen kann. Erst hieß es, der Markt regelt alles, nunmehr ist man in Amerika soweit, Banken mehr oder weniger zu verstaatlichen. Dasselbe geschieht bereits in Großbritannien. Also meine ich, müsste jetzt auch die Bereitschaft sein, wenigstens alles transparent zu machen und alle Bereiche genau zu regeln und Schluss zu machen mit den Offshore-Centern, Schluss zu machen mit den Steueroasen, Schluss zu machen mit denen, die in den Märkten ohne jede Regelung große, große Risiken anrichten.
Ricke: Dann helfen Sie mir doch und bringen mir etwas Transparenz in so eine wolkige Formulierung der Politik. Ihr Nachfolger und Parteifreund Steinbrück, der Bundesfinanzminister, beschreibt den Anfang der Woche erwähnten nationalen Rettungsplan mit den Worten "Wir brauchen ein Instrumentarium für ein strukturiertes Krisenmanagement". Ein Instrumentarium für strukturiertes Krisenmanagement, was ist denn das?
Eichel: Gut, das sind viele Fremdwörter. Er hat ganz einfach gemeint, nicht von Fall zu Falle entscheiden, sondern eine Grundentscheidung, die dann für alle gilt, das, finde ich, ist auch richtig. Und daran arbeitet er offensichtlich.
Ricke: Und wie könnte diese Grundentscheidung aussehen?
Eichel: Die Grundentscheidung könnte so aussehen, nehmen wir das Beispiel Großbritannien, dass in der Tat das System, wie es gegenwärtig besteht, vom Staat garantiert wird, damit dort nicht jetzt alles in Panik gerät und anschließend aber die Regeln grundlegend geändert werden.
Moderator: Jetzt kann man es freundlich formulieren und sagen, der Staat kauft sich in Banken ein. Man kann auch den Begriff der Verstaatlichung, der Teilverstaatlichung benutzen. Wann wird es in Deutschland so weit sein?
Eichel: Das kann ich nicht beurteilen. Ich will und habe mir das auch zum Prinzip gemacht, nicht hineinreden in das, was die Bundesregierung und was mein Nachfolger in seiner Verantwortung tut.
Moderator: Jetzt gibt es die Diskussion über eine Weltordnungspolitik am Finanzmarkt. Es gibt eine weltweite Organisation, die das schon sehr deutlich und sehr lange fordert. Die sagt, man müsse alles tun, damit aus der Finanzkrise keine politische und auch keine soziale Krise wird. Diese Organisation ist die katholische Kirche. Ich habe gerade Erzbischof Marx zitiert. Kommt die Politik auch noch so weit, wie die Kirche schon ist?
Eichel: Ich hoffe ja. Und es gibt ja Organisationen, denen man das anvertrauen könnte. Der Internationale Währungsfonds könnte ja so etwas wie das Frühwarnsystem für die Finanzmärkte werden. Er könnte das werden, was uns sagt, welche Normen im Finanzmarkt weltweit gesetzt werden müssen. Und er könnte überwachen, ob sie in allen Ländern richtig eingehalten werden.
Moderator: Vielen Dank Hans Eichel.
Das Gespräch mit Hans Eichel können Sie bis zum 10. März 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio
Hans Eichel: Guten Morgen, Herr Ricke!
Ricke: Ist das so, wie wir es gerade gehört haben, hätten wir uns alle etwas besser informieren müssen? Müssen wir uns selbst an die Nase fassen?
Eichel: Ja, ein bisschen stimmt das auch. Aber trotzdem finde ich, dass man als Bank sich so nicht verhalten kann. Die Bank muss beraten im Interesse ihrer Kunden. So habe ich das immer empfunden und so, finde ich, müsse die Banken das auch heute sehen. Und da haben sie etwas nachzuholen oder da haben sie etwas gutzumachen.
Ricke: Die Bundesregierung versucht ja jetzt zu retten, was zu retten ist. Es gibt die Garantie für die Bankeinlagen privater Bürger und man beharrt darauf, dass jedes Land erst einmal vor der eigenen Tür kehren soll, jetzt auf dem Finanzgipfel in Washington. Haben Sie insgesamt den Eindruck, dass die Bundesregierung in dieser Krise einen guten Job macht?
Eichel: Die Bundesregierung macht einen guten Job. Aber ich würde mir wünschen, dass wir insgesamt in Europa zu völlig klaren gemeinsamen Regeln kommen. Denn das ist dann auch ein stärkeres Signal an die Finanzmärkte, wenn man ganz klar erkennen kann, Europa ist einig und handelt denselben Prinzipien.
Ricke: Brauchen wir da neue Regeln oder reicht es, die alten, die es ja gibt, einfach konsequent anzuwenden?
Eichel: Nein, das reicht nicht, die alten anzuwenden. Es gibt ja in den Finanzmärkten ganz große schwarze Löcher, Teilnehmer, Sektoren, die völlig unreguliert sind, die Offshore-Finanzzentren zum Beispiel, wo ja die meisten Hedgefonds sitzen, rechtlich, damit sie nicht transparent werden. Es gibt eben die neuen Spieler an den Märkten, die nicht transparent sind, die nicht reguliert sind, die mit den größten Risiken arbeiten, Hedgefonds, sage ich zum Beispiel wieder, Private Equity Fonds. Die sind nicht alle schlecht, damit ich nicht falsch verstanden werde. Aber es ist nicht hinzunehmen, dass es dort einen großen schwarzen Fleck im Finanzsystem gibt und wir nicht wissen, welche Risiken da lagern und aus diesen unregulierten Bereichen kommen diese völlig überzogenen Profitvorstellungen mit all den Konsequenzen von unerträglich hohen Gehältern und anderen.
Ricke: Aber sind nicht gerade diese Hedgefonds über uns in Europa und in Deutschland gekommen, als Sie Bundesfinanzminister waren?
Eichel: Nein, das sind sie nicht, sondern sie waren in Europa und sie konnten überall angewandt werden. Ich habe das reguliert mit der Folge, dass in Deutschland gerade mal von den 9000 20 Hedgefonds sind, von denen keiner jemals auffällig geworden ist. Sondern Sie müssen es regeln, das ist das Problem.
Ricke: Wie groß, glauben Sie, ist im angloamerikanischen Markt, aus dem dieses Modell ja kommt, denn die Bereitschaft, jetzt wirklich Regelungen zuzulassen?
Eichel: Ich glaube, dass sie jetzt kommt, denn dort wird ja das schärfste Schwert geschwungen inzwischen, dass man sich vorstellen kann. Erst hieß es, der Markt regelt alles, nunmehr ist man in Amerika soweit, Banken mehr oder weniger zu verstaatlichen. Dasselbe geschieht bereits in Großbritannien. Also meine ich, müsste jetzt auch die Bereitschaft sein, wenigstens alles transparent zu machen und alle Bereiche genau zu regeln und Schluss zu machen mit den Offshore-Centern, Schluss zu machen mit den Steueroasen, Schluss zu machen mit denen, die in den Märkten ohne jede Regelung große, große Risiken anrichten.
Ricke: Dann helfen Sie mir doch und bringen mir etwas Transparenz in so eine wolkige Formulierung der Politik. Ihr Nachfolger und Parteifreund Steinbrück, der Bundesfinanzminister, beschreibt den Anfang der Woche erwähnten nationalen Rettungsplan mit den Worten "Wir brauchen ein Instrumentarium für ein strukturiertes Krisenmanagement". Ein Instrumentarium für strukturiertes Krisenmanagement, was ist denn das?
Eichel: Gut, das sind viele Fremdwörter. Er hat ganz einfach gemeint, nicht von Fall zu Falle entscheiden, sondern eine Grundentscheidung, die dann für alle gilt, das, finde ich, ist auch richtig. Und daran arbeitet er offensichtlich.
Ricke: Und wie könnte diese Grundentscheidung aussehen?
Eichel: Die Grundentscheidung könnte so aussehen, nehmen wir das Beispiel Großbritannien, dass in der Tat das System, wie es gegenwärtig besteht, vom Staat garantiert wird, damit dort nicht jetzt alles in Panik gerät und anschließend aber die Regeln grundlegend geändert werden.
Moderator: Jetzt kann man es freundlich formulieren und sagen, der Staat kauft sich in Banken ein. Man kann auch den Begriff der Verstaatlichung, der Teilverstaatlichung benutzen. Wann wird es in Deutschland so weit sein?
Eichel: Das kann ich nicht beurteilen. Ich will und habe mir das auch zum Prinzip gemacht, nicht hineinreden in das, was die Bundesregierung und was mein Nachfolger in seiner Verantwortung tut.
Moderator: Jetzt gibt es die Diskussion über eine Weltordnungspolitik am Finanzmarkt. Es gibt eine weltweite Organisation, die das schon sehr deutlich und sehr lange fordert. Die sagt, man müsse alles tun, damit aus der Finanzkrise keine politische und auch keine soziale Krise wird. Diese Organisation ist die katholische Kirche. Ich habe gerade Erzbischof Marx zitiert. Kommt die Politik auch noch so weit, wie die Kirche schon ist?
Eichel: Ich hoffe ja. Und es gibt ja Organisationen, denen man das anvertrauen könnte. Der Internationale Währungsfonds könnte ja so etwas wie das Frühwarnsystem für die Finanzmärkte werden. Er könnte das werden, was uns sagt, welche Normen im Finanzmarkt weltweit gesetzt werden müssen. Und er könnte überwachen, ob sie in allen Ländern richtig eingehalten werden.
Moderator: Vielen Dank Hans Eichel.
Das Gespräch mit Hans Eichel können Sie bis zum 10. März 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio