Die Brandstifter als Feuerwehr
Vor 20 Jahren befand sich Europa in einer verworrenen Lage. Kommunismus und Sowjetimperium waren zusammengebrochen. Die Wiedervereinigung Deutschlands schürte alte Ängste und die Globalisierung zahlreiche neue. Dies weckte zwar das Bewusstsein für die Notwendigkeit der politischen Einigung Europas, aber keineswegs die Bereitschaft der politischen Eliten, das nationalstaatliche Denken auch tatsächlich zu überwinden.
1992 wurde im Maastricht-Vertrag die Einführung einer gemeinsamen Währung beschlossen. Doch was Europa aus dem Labyrinth der neuen Weltordnung und seiner eigenen Widersprüche zu neuen Höhen tragen sollte, war von Anfang an eine fehlerhafte Konstruktion. Die allgemeine historische Bewusstlosigkeit verdunkelt die Tatsache, dass die Schuldenkrise ebenso voraussehbar war, wie vermeidbar.
Die Verursacher dieser Krise waren weder die Spekulanten noch "die Griechen", sondern die Staats- und Regierungschefs, die sich einmal mehr der europäischen Einigung in den Weg stellten. Zwar wurde die europäische Geldpolitik einer unabhängigen Zentralbank übertragen. Doch von Anfang an war unbestritten, dass eine gemeinsame Währung in Staaten mit derart unterschiedlicher wirtschaftlicher Entwicklung ohne eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik einem hohen Gefahrenpotential ausgesetzt ist.
Wie sehr die Einsicht in die "Geburtsfehler" der gemeinsamen Währung Allgemeingut war, zeigte die Sondersitzung des Europäischen Parlaments am 2. Mai 1998 zur Einleitung der dritten Stufe der Währungsunion. Die Reden von Rat und Kommission verkündeten unisono, der Lauf der Geschichte hätte sie gezwungen, die Währungsunion mit ungenügenden Mitteln einzuführen.
Der Euro würde nun aber, quasi automatisch, zur politischen Einheit Europas führen. Wie es um ihre wahren Absichten bestellt war, zeigte sich im Verfassungskonvent. Jeder Versuch, Kontrollinstanzen für die Finanzgebarung der Mitgliedsstaaten einzurichten oder Kompetenzen für Sozial, Wirtschafts- und Finanzpolitik an Europa zu übertragen, traf auf den erbitterten Widerstand der Regierungen. Ihre Vetodrohungen betrafen selbst Vorschläge, die sie zuvor als zwingende Folge einer Währungsunion anerkannt hatten. Was sie Europa an Kontrollen und Kompetenzen vorenthalten haben, müssen sie nun dem Internationalen Währungsfond in Washington überlassen.
Europa wird derzeit wie im Ausnahmezustand regiert. Die Staats- und Regierungschefs agieren jenseits des Rechts. Der französische Präsident, Nicolas Sarkozy erklärte: "Nach der Legitimation fragt niemand in der Bevölkerung." Eine zynischere Absage an die Rechtsstaatlichkeit hat man in Europa seit Jahrzehnten nicht gehört. Völlig verkannt wird dabei, dass die Schuldenkrise einen gewaltigen Verteilungskampf auslöst, in dem die Menschen jeden Tag lauter nach der demokratischen Legitimation und der sozialen Gerechtigkeit fragen werden.
Wie immer die Schuldenkrise ausgehen wird und welche Unsummen bis in die nächsten Generationen sie verschlingen wird: Europa muss die Frage nach der Verantwortung und nach den Ursachen dieser Krisen stellen. Dann wird sich zeigen, dass das Versagen der Regierungen im Verfassungsprozess die europäische Einigung im Innersten erschüttert.
Eine weitere Reform der Verträge ist unabdingbar. Europa braucht eine Wirtschaftsregierung, eine zentrale Schuldenaufsicht, harmonisierte Steuersysteme, ja einen innereuropäischen Finanzausgleich. Dies alles nicht in der sinistren zwischenstaatlichen Zusammenarbeit, sondern eingebunden in die europäische Demokratie, in die übernationalen Gemeinschaftspolitiken.
Die Europäer sollten erkennen, dass die Schuld an der Krise nicht bei den "verantwortungslosen Griechen" liegt oder in der nationalistischen Rücksichtslosigkeit der Portugiesen, die ungeniert über ihre Verhältnisse gelebt haben, sondern bei den verantwortungslosen Regierungen, die in nationalistischer Rücksichtslosigkeit ungeniert über unser aller Verhältnisse gelebt haben.
Johannes Voggenhuber, geboren 1950 in Salzburg, ist Publizist und Mitbegründer der Grünen Osterreichs, war deren Bundesgeschäftsführer (1988-1992) und Fraktionsvorsitzender im Nationalrat (1990-1992), anschließend Mitglied im Europäischen Parlament (1995-2005) und dort in den Konventen für die Grundrechtcharta und die Verfassung der EU.
Die Verursacher dieser Krise waren weder die Spekulanten noch "die Griechen", sondern die Staats- und Regierungschefs, die sich einmal mehr der europäischen Einigung in den Weg stellten. Zwar wurde die europäische Geldpolitik einer unabhängigen Zentralbank übertragen. Doch von Anfang an war unbestritten, dass eine gemeinsame Währung in Staaten mit derart unterschiedlicher wirtschaftlicher Entwicklung ohne eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik einem hohen Gefahrenpotential ausgesetzt ist.
Wie sehr die Einsicht in die "Geburtsfehler" der gemeinsamen Währung Allgemeingut war, zeigte die Sondersitzung des Europäischen Parlaments am 2. Mai 1998 zur Einleitung der dritten Stufe der Währungsunion. Die Reden von Rat und Kommission verkündeten unisono, der Lauf der Geschichte hätte sie gezwungen, die Währungsunion mit ungenügenden Mitteln einzuführen.
Der Euro würde nun aber, quasi automatisch, zur politischen Einheit Europas führen. Wie es um ihre wahren Absichten bestellt war, zeigte sich im Verfassungskonvent. Jeder Versuch, Kontrollinstanzen für die Finanzgebarung der Mitgliedsstaaten einzurichten oder Kompetenzen für Sozial, Wirtschafts- und Finanzpolitik an Europa zu übertragen, traf auf den erbitterten Widerstand der Regierungen. Ihre Vetodrohungen betrafen selbst Vorschläge, die sie zuvor als zwingende Folge einer Währungsunion anerkannt hatten. Was sie Europa an Kontrollen und Kompetenzen vorenthalten haben, müssen sie nun dem Internationalen Währungsfond in Washington überlassen.
Europa wird derzeit wie im Ausnahmezustand regiert. Die Staats- und Regierungschefs agieren jenseits des Rechts. Der französische Präsident, Nicolas Sarkozy erklärte: "Nach der Legitimation fragt niemand in der Bevölkerung." Eine zynischere Absage an die Rechtsstaatlichkeit hat man in Europa seit Jahrzehnten nicht gehört. Völlig verkannt wird dabei, dass die Schuldenkrise einen gewaltigen Verteilungskampf auslöst, in dem die Menschen jeden Tag lauter nach der demokratischen Legitimation und der sozialen Gerechtigkeit fragen werden.
Wie immer die Schuldenkrise ausgehen wird und welche Unsummen bis in die nächsten Generationen sie verschlingen wird: Europa muss die Frage nach der Verantwortung und nach den Ursachen dieser Krisen stellen. Dann wird sich zeigen, dass das Versagen der Regierungen im Verfassungsprozess die europäische Einigung im Innersten erschüttert.
Eine weitere Reform der Verträge ist unabdingbar. Europa braucht eine Wirtschaftsregierung, eine zentrale Schuldenaufsicht, harmonisierte Steuersysteme, ja einen innereuropäischen Finanzausgleich. Dies alles nicht in der sinistren zwischenstaatlichen Zusammenarbeit, sondern eingebunden in die europäische Demokratie, in die übernationalen Gemeinschaftspolitiken.
Die Europäer sollten erkennen, dass die Schuld an der Krise nicht bei den "verantwortungslosen Griechen" liegt oder in der nationalistischen Rücksichtslosigkeit der Portugiesen, die ungeniert über ihre Verhältnisse gelebt haben, sondern bei den verantwortungslosen Regierungen, die in nationalistischer Rücksichtslosigkeit ungeniert über unser aller Verhältnisse gelebt haben.
Johannes Voggenhuber, geboren 1950 in Salzburg, ist Publizist und Mitbegründer der Grünen Osterreichs, war deren Bundesgeschäftsführer (1988-1992) und Fraktionsvorsitzender im Nationalrat (1990-1992), anschließend Mitglied im Europäischen Parlament (1995-2005) und dort in den Konventen für die Grundrechtcharta und die Verfassung der EU.

Johannes Voggenhuber© gruene.at