Die Branche boomt nicht mehr

Von Vanja Budde |
Rund 20 Hörbuchverlage stellten in Berlin bei der Hörbuch-Pressebörse ihr aktuelles Programm vor. Nach Jahren des wilden Wachstums konsolidiert sich der Markt derzeit. Den Verlagen wird dabei ein Spagat abverlangt. Sie sollen Qualität, aber nicht zu teuer, und schöne Literatur, aber nicht zu lang, anbieten.
Die Hörbuchbranche hat ein Problem: Nach Jahren des wilden Wachstums konsolidiert sich der Markt derzeit. Für die mittlerweile 20.000 lieferbaren Hörbücher fehlt in den Buchhandlungen schlicht der Platz, allein dieses Jahr gab es 2000 Neuerscheinungen. Und das Frühjahrsprogramm 2008 wird schon fleißig produziert, so auch bei Diogenes.

Sonja Herrmann, Diogenes: "Es gibt einen neuen Roman von Martin Suter, ‚Der letzte Weynfeldt’, das wird’s auch als Hörbuch geben, gelesen von Gert Heidenreich, eine beliebte Stimme. Bernhard Schlink hat einen neuen Roman, ‚Das Wochenende’, gelesen von Hans Korte."

Verlagsvertreterin Sonja Herrmann blättert in einem fast 60 Seiten dicken Katalog: Erst vor zwei Jahren ist der Buchverlag ins Hör-Geschäft eingestiegen und schon liegen 100 Titel vor. Trotz der Eile setzen die Schweizer auf Qualität: Es lesen durchweg bekannte Sprecher und Schauspieler. Das ist ganz im Sinne des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.

Simone Mühlhauser von dessen Arbeitskreis Hörbuchverlage: "Wir als Arbeitskreis haben uns für die nächsten Monate oder das nächste Jahr das Ziel gesetzt, so'n bisschen mehr auf Qualität zu achten, also Workshops zu machen und zum Beispiel zu sehen, es gibt momentan ein Forschungsprojekt an der Hochschule Darmstadt, das wollen wir unterstützen, um eben den Verlagen deutlich zu machen, was ist Qualität. Weil die Verlage schon darauf achten wollen, sich durch Qualität abzusetzen."

Denn obwohl es mittlerweile etwa ein Dutzend Internet-Portale wie audible, Claudio oder libri gibt, über die man sich Hörbücher auf den Computer herunterladen kann, werden die meisten nach wie vor in der Buchhandlung gekauft. Zwar verdoppelte sich die Zahl der Downloads in den vergangenen zwei Jahren, aber mit nicht einmal sechs Millionen Euro Umsatz ist ihr Anteil immer noch sehr gering.

Nein: Das Hörbuch muss den Buchhändler überzeugen. Darum setzen die Verlage auf Titel, die schon in gedruckter Ursprungsform Volltreffer sind. Und die Produktion muss immer schneller fertig sein, sagt Kathrin Machulik vom Audioverlag, in dem öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten Gesellschafter sind. Nicht nur entbrennt um jeden erfolgreich veröffentlichten Buchtitel sofort ein Bieterwettstreit der Hörbuchverlage, sagt Machulik:

"Der Trend geht sogar vielmehr dahin, dass man parallel zum Buch gleich das Hörbuch mit veröffentlicht, dass heißt, man fängt noch sehr viel früher an, nach den Lizenzen zu schauen. Man fängt jetzt schon an zu gucken, was machen die anderen Verlage im Herbst '08, die es natürlich selber oft noch gar nicht so genau wissen. Und dann muss man wirklich auch sehen, dass man einen gewissen Riecher dafür hat, was denn von diesen zukünftigen Projekten dann auch noch erfolgreich wird."

Fürs kommende Frühjahr setzte der Audioverlag auf irische Auswanderer-Not: "Das Gesetz der Träume" heißt der Debütroman von Peter Behrens, der im 19. Jahrhundert spielt und zeitgleich mit dem Hörbuch bei Schoeffling erscheinen wird. Der Autor ist Drehbuchschreiber in Hollywood. Das Hörbuch zum Buch zum künftigen Film also.

Mediale Verknüpfung strebt der Verlag auch mit von den Kommissaren persönlich eingelesenen "Tatorten" an: Jeder Fernsehfan ist auch ein potenzieller Hörbuch-Käufer und so musste Schauspielerin Andrea Sawatzki noch mal ran, im Fall "Herzversagen", diesmal unbewaffnet und im Tonstudio.

Dass die Hörbücher dem guten alten Roman Konkurrenz machen, fürchtet der Börsenverein des Deutschen Buchhandels nicht. 10 zu eins lautet die Formel: auf 1000 verkaufte Bücher kommt ein Hörbuch.

Simone Mühlhauser, Börsenverein: "Wenn man die Hörbuchhörer befragt, dann ist es oft so, dass sie das Buch bereits gelesen haben und dann das Hörbuch hören oder umgekehrt, über das Hörbuch das Buch entdecken. Man kann diese zusätzliche Zeit beim Bügeln, beim Autofahren noch mal nutzen, also man hat noch so einen Mehrwert, also es gibt ja dieses Stichwort ‚double your time'."

Verdopple Deine Zeit? Effizientes Literaturlauschen beim rückwärts Einparken oder mit dem Ipod beim Joggen? Statt konzentriertes Lesen auf dem Sofa? Wird die Literatur da nicht zur oberflächlichen Nebenbei-Beschäftigung?

"Das sehen wir auch so. Wir haben auch ein bisschen Sorge, dass das so verkommt", sagt Peter Bosnik von steinbach sprechende bücher, dem vor 30 Jahren gegründeten und damit ältesten deutschen Hörbuchverlag. "Wir haben mal angefangen, mit Philipps eine Kooperation und haben ein Bügelhörbuch auf den Markt gebracht, kleine Anthologien gemacht und haben aber selbst nicht so große Freude dran gehabt, weil dieses Herunterlesen von kleinen Geschichten, das ist es nicht. Wir wollen die richtig großen Dinge machen und schöne Literatur, wo man sich eben auch konzentriert."

Zuviel Konzentration darf ein Hörbuchverlag allerdings vom Konsumenten nicht verlangen: Mit Rafik Schamis dickleibigem Roman "Die dunkle Seite der Liebe" ist steinbach gescheitert: die 20 CDs verkauften sich schlecht, auch weil sie knapp 50 Euro kosteten. Den Verlagen wird also der Spagat abverlangt: Qualität, aber nicht zu teuer, schöne Literatur, aber nicht zu lang. Im Februar kommt steinbach mit Khaled Hosseinis zweitem Afghanistan-Roman "Tausend strahlende Sonnen" auf den Markt: acht CDs für knapp 30 Euro, ebenfalls gewagt. Mit "Antilopenmond" gönnt man sich ein hübsches Nischenprodukt: Liebeslyrik, gelesen zu westafrikanischen Klängen.