Die bischöfliche Großbaustelle und der Volkszorn

Von Rainer Kampling · 21.10.2013
Die allgemeine Empörung über die Höhe der Kosten des Limburger Diözesanzentrums findet der katholische Theologe Rainer Kampling etwas aufgebauscht. Doch er hätte erwartet, dass die Verantwortlichen – vorneweg Bischof Tebartz-van Elst – öffentlich für ihr Handeln gerade stehen.
Welch' ein glückliches Land! Wochen nach der Bundestagswahl ist noch keine Regierung in Sicht, die wirtschaftliche Stabilität ist weiterhin bedroht, nur zwei Flugstunden entfernt implodieren Gesellschaften, aber ganz offensichtlich ist die größte Sorge der deutschen Bevölkerung die Badewanne eines Bischofs in einem nicht sehr großen Bistum.

Man darf sich durchaus fragen, was in diesem Land eigentlich geschieht, dass gerade das Misslingen der finanziellen Planung dieser Großbaustelle einen solchen inszenierten Volkszorn hervorruft.

Neben denen, die nicht genau wissen, was ein Bischof ist und schon einmal vorsorglich aus der evangelischen Kirche austreten, gibt es andere, auch in den Medien, die offensichtlich der Meinung sind, dass alles, was in einem Bistum gebaut wird, irgendwie der Privatnutzung dient, selbst ein Verwaltungsgebäude oder eine renovierte mittelalterliche Stadtmauer.

Mag sein, dass sich bei manchen Schadenfreude breitmacht, dass die Litanei aus Stuttgart 21, Elbphilharmonie, Kölner U-Bahn, Berliner Flughafen und Staatsoper, mit Gewissheit auch bald aus der Neuerrichtung der Kaiserlichen Zwingburg in Berlin, jetzt durch ein "Diözesanes Zentrum" geschmückt wird.

Vielleicht ist das, was sich als Volkszorn gibt, tatsächlich Enttäuschung darüber, dass nun auch im kirchlichen Bereich das geschieht, was man im gesellschaftlichen über die Maßen gewöhnt ist, nämlich ein offensichtliches Versagen derer, die dafür Verantwortung tragen, dass Planungen öffentlicher Bauten im finanziellen und zeitlichen Rahmen bleiben.

Zweifelsohne kann man im Falle 'Bischofssitz Limburg' – wo übrigens aus rein kirchlichem Vermögen gebaut wurde – die mangelnde Transparenz beklagen, aber diese gilt auch für die anderen Projekte, bei denen erst offengelegt wurde, als der Schaden eingetreten war. Und anscheinend bewahrt auch die Legitimation durch demokratische Wahlen nicht davor, sich wie ein absolutistischer Herrscher in Großbauten zu verewigen.

"Bischofsweihe befähigt nicht dazu, Baupläne zu lesen"
Was in einer demokratischen Gesellschaft noch schwerer wiegt: Erkennbar fehlt es am Widerspruch, der frühzeitig erfolgen müsste, um Schaden abzuwenden. Wenn ein vorauseilender schweigender Gehorsam, wie in Limburg, mit der Autorität des Bischofs begründet wird, dann verkommt eine Sekundärtugend zur Farce. Denn auch Katholiken wissen, dass die Bischofsweihe nicht dazu befähigt, Finanz- und Baupläne zu lesen. Man soll den Heiligen Geist auch nicht in alles hineinziehen.

Das eigentliche Trauerspiel, das in Limburg gegeben wird, ist wohl doch die Unfähigkeit, das Scheitern von Plänen und Vorhaben zuzugeben und daraus die Konsequenzen zu ziehen. Offensichtlich gab es auch hier den Augenblick, in dem man beschloss, trotz aller erkennbarer Folgen ein Weiter-So zur Maxime des Handelns zu machen.

Es ist unerträglich genug, dass Politiker die Öffentlichkeit mit ihrem eigenen Versagen erpressen, nach dem Motto: Der eingetretene Schaden kann nur durch noch größeren Schaden behoben werden. Von einem Bischof, der nun einmal nach kirchlichem Verständnis der Leiter seines Bistums ist, könnte man erwarten, dass er sich diesen Spielen entzieht.

Damit ist nicht die Unkultur der Floskel: 'Ich übernehme Verantwortung' gemeint, sondern das Bekenntnis zum Scheitern. So wäre ein Gegenentwurf gegen die Leichtfertigkeit möglich gewesen und der Nachweis, dass es noch Räume gibt, in denen auf Scheitern und Versagen nicht der Untergang folgt. Das wäre wirklich ein Zeichen von bleibender Bedeutung gewesen.

Rainer Kampling, geboren 1953 im Münsterland. Studium der Katholischen Theologie, Lateinischen Philosophie und Judaistik. Seit 1992 Professor für Biblische Theologie und Neues Testament an der Freien Universität Berlin, Initiator und Leiter des Ernst-Ludwig-Ehrlich-Masterstudiengangs Geschichte, Theorie und Praxis der Jüdisch-Christlichen Beziehungen.
Kampling, Rainer
Rainer Kampling© Christian Arlt