Die bildungsbürgerliche Karte
Theater spielt man in Lübeck zwar nachweislich schon seit 1639, aber das Jugendstilhaus des Architekten Martin Dülfer wurde am 1. Oktober 1908 eingeweiht. Damals setzte Lübeck auf die bildungsbürgerliche Karte, heute auch wieder. Lübeck ist die Stadt der drei Nobelpreisträger Mann, Brandt und Grass. Die Hansestadt, die heute eine Bühnenversion von Thomas Manns "Zauberberg" uraufführen wird. 100 Jahre Lübecker Theater: ein Spannungsverhältnis aus Stadt, Kultur, Bürgertum.
"Und um in bescheidenere Sphäre zurückzukehren, zu Lübeck als Lebensform -, nun, so sprach ja heute vor Ihnen ein bürgerlicher Erzähler, der eigentlich sein Leben lang nur eine Geschichte erzählt: die Geschichte der Entbürgerlichung - aber nicht zum Bourgeois oder zum Marxisten, sondern zum Künstler, zur Ironie und Freiheit ausflug-und aufflugbereitender Kunst."
Thomas Mann 1926 im Lübecker Stadttheater.
Annette Borns: "Nichts ist dichter am Puls unserer Zeit wie das Leitmotiv unseres Stadtprojekts: Mensch Bürger. Wir sind die Stadt."
Hans Wisskirchen: "'Lübeck als bürgerliche Lebensform' hätte es irgendwo auch getroffen. Das wäre eine Anknüpfung an Thomas Mann gewesen, die aber wenige Leute verstanden hätten, weil, er ja mal eine Rede gehalten hat: 'Lübeck als geistige Lebensform'. Das haben wir nun nicht gemacht. Das wäre uns zu bildungsbürgerlich gewesen. Wir haben uns also für 'Mensch Bürger' entschieden, das hat ein bisschen mehr drive."
Roman Brogli-Sacher: "Es gibt in Lübeck ausnahmsweise nach wie vor ein Bildungsbürgertum, ein großes Bildungsbürgertum, und das zu pflegen und zu hegen ist eine dankbare und schöne und wertvolle Aufgabe. Zum Beispiel in Halle - ich war vier Jahre in Halle an der Saale - da ist das alles weg, alle im Westen, oder 50 Jahre lang systematisch zerstört. Das existiert, und das ist natürlich etwas Tiefes, das sind die Wurzeln."
In Lübeck, der vormals stolzen "Königin der Hanse" im Norden der Republik, in Lübeck besinnt man sich anno 2008 auf "die Wurzeln". Mit vereinten Kräften, das heißt der städtischen Kulturpolitik,
"Mensch Bürger ..."
mit Annette Borns, der Kultursenatorin,
"... Wir sind die Stadt …",
der Kulturstiftung Lübecker Museen,
"Die Zukunft liegt in der Vergangenheit.
Vorwärts und zurück - das führt ins Ziel!"
mit Hans Wisskirchen, Professor Doktor der Philologie, dem Geschäftsführenden Direktor der zehn Lübecker Museen und Wissenschaftlichen Leiter des Buddenbrookhauses,
"Das Philharmnische Orchester Lübeck hat eine große Tradition, wir sind in unserer 111. oder 112. Konzert-Saison."
und dem Theater Lübeck
"Ich bin ja hier schon sechs Jahre GMD gewesen."
mit Roman Brogli-Sacher, dem Generalmusikdirektor aus der Schweiz und nun zusätzlich im Amt als Operndirektor des Lübecker Theaters - mit vereinten Kräften und Unterstützung zahlreicher weiterer Stiftungen, neuem Selbstbewusstsein und touristischem Vermarktungs-Konzept feiert Lübeck in diesem Jahr sein reiches kulturelles Erbe und breitet sein aufpoliertes bildungsbürgerliches Tafelsilber aus.
Hans Wisskirchen: "Also, ein Stadtprojekt dieser Art hat es noch nicht gegeben, ein Projekt, wo sich - ich nehme jetzt mal den Begriff in Anführungszeichen in den Mund - wo sich bürgerliche Kulturinstitutionen und auch Bürger und Bürgerinnen dieser Stadt zusammengetan haben, um bestimmte kulturelle Themen zu transportieren. Das hat es noch nicht gegeben: von den Museen übers Theater, übers Archiv, über die Bibliothek, über die Universität, das ist neu."
Zum Beispiel im Kulturforum Burgkloster mit Museum für Archäologie:
"Bugenhagen, Buxtehude, Brandt ... Lübecker machen Geschichte.
Oder im Brahms-Institut zum 175. Geburtstag des Komponisten im Mai:
"Johannes Brahms - Ikone der bürgerlichen Lebenswelt ?"
Oder im Buddenbrookhaus:
"Thomas Mann und die Musik" und "Die Manns - Bilder einer Familie"
Oder im Günter-Grass-Haus:
"Ein Bürger für Brandt. Der politische Grass"
Vom Archäologie-Museum bis zur aktuellen Galerie reicht die Palette. Und das ist nur ein kleiner Ausschnitt neben Vortragsreihen, zum Beispiel über "Deutsche Dichter und die Macht - von Goethe bis Grass" oder "Bürgerliche Salonkultur im Rückblick nach vorn". Es ist ein zwickender, ein in den Muskeln ziehender Spagat. Ein Angebot für den anspruchsvollen Hochkultur-Touristen, das gleichzeitig aber bitte auch die Ahnungslosen abholen soll.
Hans Wisskirchen: "Wenn man in Lübeck über Kultur spricht, und wenn man sich auch öffnen will hin zu bildungsferneren Schichten, wenn man dort hin will, dann muss man den Ausgangspunkt erst mal definieren. Und der ist nun mal diese bürgerliche Kulturtradition, die ich durchaus positiv sehe.
Lübeck war immer eine freie Stadt, eine reichsunmittelbare Stadt, die direkt dem Kaiser unterstellt war, nie einen Fürsten hatte, sondern die Bürger haben immer hier selbst bestimmen können. Und Lübeck ist bis 1937, das vergisst man heute immer, auch ein eigenständiger Staat gewesen, auch im neuen deutschen Reich, mit einem Gesandten in Berlin, und hat von daher auch eine ganz ausgeprägte kulturelle Tradition.
Und heute leidet man manchmal darunter, weil eine Kommune dieser Größe normalerweise nicht so viel Kultur hat und vor allen Dingen sie nicht wie Lübeck ausschließlich allein finanzieren muss. Aber das ist was Besonderes."
Doch dieses Besondere, das politische Selbstverständnis, das aus Eigenverantwortung für die Stadt erwuchs, das sich stolz identifizierte mit den humanistischen Institutionen und Sammlungen, dieses Selbstverständnis schrumpfte so langsam dahin.
Auch der Begriff des "Bürgers", obwohl präsent in administrativen Bezeichnungen wie "Bürgerschaft" und "Bürgermeister", bekam einen sonderbar steifen, antiquierten Klang und wich dem "Einwohner" und damit dem eher "Unbeteiligten", der sich den Entscheidungen einiger weniger "Macher" fügt.
Roman Brogli-Sacher: "Ja, es ist ein bisschen die Frage, was der Hochkulturtourist sein soll. Lübeck hat meiner Meinung nach nachhaltig auf Nichtnachhaltiges die letzten Jahre gesetzt - und zwar die ganze sogenannte Event-Kultur mit diesen ganzen Sand-World und Ice-World.
Und all diese Projekte, die man immer gemacht hat, sind alle ganz kurzfristig immer nur gelaufen und haben nicht wirklich Leute angezogen und waren recht schnell wieder pleite, muss man sagen. Und ich finde, dass das, was man substantiell machen kann, das ist, was Menschen auch hierher bringt."
Jeder kochte in den letzten Jahren sein eigenes kommerzielles Süppchen, jede Veranstaltung, jede Kultur- und Bildungseinrichtung, jede Sammlung kämpfte für sich um Gelder, Aufmerksamkeit und Besucher - keine Spur mehr von gemeinschaftlichem "Bürgersein" oder "Bürgersinn".
Bis sich die zahlreichen Lübecker Museen unter dem Dach einer Kulturstiftung neu organisierten und mit dieser Kooperation nun eine Leistungsschau bieten, die an alte Traditionen anknüpfen will: an Bürgerstolz und Stiftersinn, an Begeisterung und ehrenamtliches Engagement: "Mensch Bürger. Wir sind die Stadt."
Roman Brogli-Sacher: "Das, was man hat, sind die tollen Backsteine. Man hat Thomas Mann, man hat Günter Grass, und man hat eine hochlebendige und seit langem existierende Theaterwelt und Theaterkultur auf einem recht ansprechendem Niveau. Zum Beispiel hat der Mann seinen letzten Lohengrin 1948 hier im Theater noch mal gesehen."
"Es war ein künstlerisches Kapital-Ereignis meines Lebens, die Begegnung mit der Kunst Richard Wagners, die das Theater meiner Heimatstadt mir vermittelte ... Ich will mich nicht vermessen, aber ich glaube, einen hingenommeneren Zuhörer hat das Stadttheater nie beherbergt, als ich es an jenen zaubervollen Abenden war."
Hans Wisskirchen: "Thomas Mann hat Wagner wahrgenommen, ganz früh schon in Lübeck. Wagner in den späten 1880er Jahren, in den frühen 1890er Jahren, wo Thomas Mann 15 war: Das war das Modernste, was man hören konnte, das war provokativ. Aber mehr als andere, für die es ein Reiz war - er ist von da an dieser Musik verfallen - im wahrsten Sinne des Wortes."
"Es war eine Begegnung, von deren entscheidender Wirkung auf meinen Kunstbegriff ich jedes Mal gesprochen habe, wenn es Erläuterndes zur geistigen Geschichte meiner Bücher zu sagen galt."
Roman Brogli-Sacher: "Ich kam da damals drauf, weil es dieses wunderschöne Buch gibt, wo Thomas Mann einfach über Wagner schreibt. Mann war ganz klar stark durch Wagner in seinem ganzen Werk beeinflusst und hat das so verarbeitet und in seinem Werk auch angenommen."
Und plötzlich war die Idee geboren: "Wagner trifft Mann"! Das ist das eigentliche starke Motto, das ist der Kern dieser Lübecker Bürger-Bildungs-Offensive 2008, denn:
Hans Wisskirchen: "Der Grund für dieses Projekt waren zwei Jubiläen: Einmal das 100-jährige Theaterjubiläum. Es gab auch eine neue Intendanz, es gab neue Signale und auch gelebte Form von Zusammenarbeit zwischen den Kultureinrichtungen und dem Theater. Und der andere war, dass in diesem Jahr das Buddenbrookhaus 250 Jahre alt wird als Ort. Und das ist ja so eine bürgerliche Ikone, kann man fast sagen, durch den Roman 'Buddenbrooks' geworden. Die Hausgeschichte ist auch Thema einer Ausstellung bis in den Herbst hinein.""
Und es entwickelte sich das Konzept einer Art Doppel-Tetralogie für die nächsten Jahre: Richard Wagners Monumental-Werk "Der Ring des Nibelungen" in der Oper und parallel dazu die Einrichtung von vier Thomas-Mann-Romanen als Bühnenstücke im Schauspiel - die, außer dass der Opernchor hier und da in den Roman-Adaptionen neuartige, klingende Funktion übernimmt, keine dramaturgische Verklammerung erfahren. In der ersten Saison 2007/2008 gelangen mit Richard Wagners "Rheingold" und John von Düffels "Buddenbrooks"-Bearbeitung auf Anhieb große Publikums-Erfolge.
Roman Brogli-Sacher: "Die Auslastung ist massiv gestiegen! Ich habe bei gleicher Anzahl der Vorstellungen wie bei Marc Adam in der letzten Saison 12.000 Menschen mehr im Musiktheater gehabt. Und ich habe 125 Menschen pro Vorstellung mehr im Durchschnitt als das Jahr davor, die hierher kommen und das sehen wollen. Und das ist nicht 'event', sondern das ist nachhaltig."
Obwohl die schlaglichtartige, zum Teil grotesk zugespitzte Verkürzung der "Buddenbrooks" als Bühnenfassung dem gehaltvollen Familienroman nicht immer gerecht wird. Wie überhaupt die Interpretation des Werks dieses bildungsbürgerlichen Schriftstellers aus dem Lübecker Großbürgertum an Widersprüchen und Verständnisschwierigkeiten krankt.
Hans Wisskirchen: "Ja, es ist mit der Bürgerlichkeit bei Thomas Mann nicht so einfach, und man kann es ganz gut am Buddenbrooks-Roman darstellen. Wenn man es überspitzt formulieren würde, kann man sagen, dass die Rezeption und die Erfolgsgeschichte dieses Buches ein großes Missverständnis ist!
Also er ist der bürgerliche Roman geworden, den die Bürger lieben. Im Ausland, das kann man beobachten: Wenn man sich den Bürger vorstellt, dann denkt man an Buddenbrooks, das ist wirklich nicht übertrieben, das ist so. Das ist das eine.
Das andere ist, dass es eigentlich eine tieftraurige Geschichte ist, die den Bürger unterminiert. Es ist die Geschichte eines Niedergangs, die Geschichte eines Endes einer bestimmten bürgerlichen Tradition. Also, es ist durchaus eine Geschichte, die nicht das Bürgertum Lübecks verherrlicht, sondern es ist eine Geschichte, die auch die Probleme von Bürgerlichkeit schildert. Und ich glaube, deswegen wird sie heute auch noch gelesen, da liegt die Modernität der Geschichte drin."
Am 1. Oktober 2008 feiert das Lübecker Theater im Rahmen des Stadt-Projekts "Mensch Bürger. Wir sind die Stadt" seinen 100. Geburtstag.
Roman Brogli-Sacher: "Es ist ja der Dülfer-Bau. Es wird ja nicht 100 Jahre Theater gefeiert, sondern 100 Jahre Dülfer-Bau.."
Tatsächlich wird Theater in Lübeck schon seit 1456 gespielt, in Zirkeln, in verschiedensten Privatquartieren. In der Beckergrube, dem heutigen Standort, seit 1752. Nun aber, 1906, gibt es eine öffentliche Ausschreibung für einen angemessenen Theaterbau. Der Architekt Martin Dülfer erhält den Zuschlag und wagt etwas ganz Neues: ein Theater in luftig-leichtem Jugendstil.
Farbige Ornamente und raue Putzflächen werden sein Markenzeichen, rotbrauner Porphyr, weißgrauer Laaser und Sterzinger Marmor sein Baumaterial. Innen sind die Wandflächen violett gehalten und durch gelbe Bordüren mit Blattdekor senkrecht gegliedert. Am 1. Oktober 1908 ist feierliche Einweihung mit Goethe, Schiller und Wagners "Meistersinger"-Vorspiel.
Roman Brogli-Sacher: "Und das wurde damals gemacht. Es gibt einen sehr schönen Brief von Emil Possehl, von diesem Mäzenatentum, von diesem Weltkonzern, der hier ist, der damals dieses Land kaufte und damit den Stadtvätern gesagt hat: Ich kauf' das, aber nur, wenn ihr das Theater endlich baut, sonst mach' ich das nicht!
Und deswegen ist das damals eigentlich nur auf Druck von Privatpersonen, worauf es am Ende immer wieder hinausläuft: Dass es nur eine kleine Schicht ist, die wirklich - man kann das auch Bildungsbürgertum nennen - , die wirklich dahinterstehen und das anstreben und dieses Kulturgut ausmachen. Weil die Masse wird das nie tragen, weil es durchaus elitäre und nicht ausschließlich volkstümliche oder massentaugliche Gesamtsubstanzen gibt."
Und dennoch - oder trotzdem ruft das hochverschuldete Lübeck, rufen die Volksvertreter in den Institutionen und Ämtern einhundert Jahre später: Mensch Bürger! Tut was für das Tafelsilber, beteiligt Euch am Polieren! Unterstützt den Erhalt, es lohnt sich!
Im Mittelpunkt der Jubiläums-Saison: der zweite Teil des "Rings", Richard Wagners "Walküre" und die Uraufführung des diesmal 1000-seitigen Thomas-Mann-Romans "Der Zauberberg" als Bühnenstück - selbst für den alles Tiefe und "Substantielle" verehrenden Generalmusik- und Operndirektor Brogli-Sacher ein schwerer Brocken.
Roman Brogli-Sacher: "'Zauberberg' zum Beispiel, wo ich mich letzthin grad durchgekämpft habe, einmal in meinem Leben. (Lacht). Ja, ganz, und zwar ernsthaft, weil es kommt ja jetzt im Herbst im Schauspiel. Ich wollte es eh schon lange mal, aber das ist ja nicht so ganz einfach!"
"MenschenWeltBilder. Verführung in der Hadeswelt" raunt und kündet der vielsagende Untertitel zu diesem Bühnenstück in der Bearbeitung und Regie des Österreichers Michael Wallner und der Musik seines Landsmanns Alexander Kukelka - wohl mit der Absicht, zumindest Neugier zu erwecken. Doch von Hades, von Unterwelt, von Mythologie will der Regisseur gar nichts wissen. Ihn interessiert in diesem ausufernden bildungsbürgerlichen Entwicklungsroman à la Vorbild Goethe vor allem das Phänomen der Zeit.
Und dass es im "Zauberberg" um den Vorabend des Ersten Weltkriegs geht und Thomas Mann scharfsinnige, gesellschaftspolitische Debatten führt und hochgeistig-philosophische Probleme wälzt, kommt auf dem Theater anno 2008 nicht an. Geschenkt - von Thomas Mann bleibt immer genug übrig.
Roman Brogli-Sacher: "Offensichtlich gibt immer noch einen Haufen Menschen auf dieser Erde, die sich durch einen Zauberberg durchkämpfen und dann doch irgendetwas mitbekommen. Und es ist so, dass diese Leute dann zu uns kommen und sich diese Wagner- und Mann-Geschichten angucken."
Noch zwei weitere Male bis zur Spielzeit 2010/11 werden sich die Giganten Wagner und Mann begegnen: In der Kombination "Siegfried", dritter Teil des "Rings" und dem Thomas-Mann-Roman "Joseph und seine Brüder" sowie "Götterdämmerung" und "Doktor Faustus".
Es ist wie ein Aufbäumen in rasender, alles verflachender Zeit. Es ist ein höchst anspruchsvolles Programm, das Lübeck sich, den Ansässigen - "Bürgern" - und möglichst vielen Besuchern verordnet hat auf seinem neuen alten Werte- und Besinnungskurs.
Hans Wisskirchen: "Gerade die Texte Thomas Manns sind Texte, die im positiven Sinne bildungsbürgerlich aufgebaut sind. Er konnte damals wohl noch von einer etwas größeren Bekanntheit ausgehen beim bildungsbürgerlichen Hintergrund. Bei uns allen, da meine ich mich jetzt persönlich auch mit - ist dieser Hintergrund nicht mehr vorhanden. Es liegt an der Bildungs-Tradition der gymnasialen Ausbildung."
Und dennoch stellen sich die Lübecker Veranstalter diesem Manko, zelebrieren nahezu diesen Widerspruch, der auf politischer Ebene typisch ist für diese Stadt: Stolz große Tradition zu predigen, aber mit dem Haushaltsgeld für die Kunst zuerst zu knausern. Das ist ebenso schwer zu verstehen wie die hochgehaltene Bürgerlichkeit des Lübecker Großbildungsbürgers Thomas Mann.
Hans Wisskirchen: "Dass er die Bürgerlichkeit nie denken kann ohne Entbürgerlichung. Entbürgerlichung heißt dann: In die Freiheit der Kunst hineinzugehen, die keine Grenzen kennt."
Thomas Mann 1926 im Lübecker Stadttheater.
Annette Borns: "Nichts ist dichter am Puls unserer Zeit wie das Leitmotiv unseres Stadtprojekts: Mensch Bürger. Wir sind die Stadt."
Hans Wisskirchen: "'Lübeck als bürgerliche Lebensform' hätte es irgendwo auch getroffen. Das wäre eine Anknüpfung an Thomas Mann gewesen, die aber wenige Leute verstanden hätten, weil, er ja mal eine Rede gehalten hat: 'Lübeck als geistige Lebensform'. Das haben wir nun nicht gemacht. Das wäre uns zu bildungsbürgerlich gewesen. Wir haben uns also für 'Mensch Bürger' entschieden, das hat ein bisschen mehr drive."
Roman Brogli-Sacher: "Es gibt in Lübeck ausnahmsweise nach wie vor ein Bildungsbürgertum, ein großes Bildungsbürgertum, und das zu pflegen und zu hegen ist eine dankbare und schöne und wertvolle Aufgabe. Zum Beispiel in Halle - ich war vier Jahre in Halle an der Saale - da ist das alles weg, alle im Westen, oder 50 Jahre lang systematisch zerstört. Das existiert, und das ist natürlich etwas Tiefes, das sind die Wurzeln."
In Lübeck, der vormals stolzen "Königin der Hanse" im Norden der Republik, in Lübeck besinnt man sich anno 2008 auf "die Wurzeln". Mit vereinten Kräften, das heißt der städtischen Kulturpolitik,
"Mensch Bürger ..."
mit Annette Borns, der Kultursenatorin,
"... Wir sind die Stadt …",
der Kulturstiftung Lübecker Museen,
"Die Zukunft liegt in der Vergangenheit.
Vorwärts und zurück - das führt ins Ziel!"
mit Hans Wisskirchen, Professor Doktor der Philologie, dem Geschäftsführenden Direktor der zehn Lübecker Museen und Wissenschaftlichen Leiter des Buddenbrookhauses,
"Das Philharmnische Orchester Lübeck hat eine große Tradition, wir sind in unserer 111. oder 112. Konzert-Saison."
und dem Theater Lübeck
"Ich bin ja hier schon sechs Jahre GMD gewesen."
mit Roman Brogli-Sacher, dem Generalmusikdirektor aus der Schweiz und nun zusätzlich im Amt als Operndirektor des Lübecker Theaters - mit vereinten Kräften und Unterstützung zahlreicher weiterer Stiftungen, neuem Selbstbewusstsein und touristischem Vermarktungs-Konzept feiert Lübeck in diesem Jahr sein reiches kulturelles Erbe und breitet sein aufpoliertes bildungsbürgerliches Tafelsilber aus.
Hans Wisskirchen: "Also, ein Stadtprojekt dieser Art hat es noch nicht gegeben, ein Projekt, wo sich - ich nehme jetzt mal den Begriff in Anführungszeichen in den Mund - wo sich bürgerliche Kulturinstitutionen und auch Bürger und Bürgerinnen dieser Stadt zusammengetan haben, um bestimmte kulturelle Themen zu transportieren. Das hat es noch nicht gegeben: von den Museen übers Theater, übers Archiv, über die Bibliothek, über die Universität, das ist neu."
Zum Beispiel im Kulturforum Burgkloster mit Museum für Archäologie:
"Bugenhagen, Buxtehude, Brandt ... Lübecker machen Geschichte.
Oder im Brahms-Institut zum 175. Geburtstag des Komponisten im Mai:
"Johannes Brahms - Ikone der bürgerlichen Lebenswelt ?"
Oder im Buddenbrookhaus:
"Thomas Mann und die Musik" und "Die Manns - Bilder einer Familie"
Oder im Günter-Grass-Haus:
"Ein Bürger für Brandt. Der politische Grass"
Vom Archäologie-Museum bis zur aktuellen Galerie reicht die Palette. Und das ist nur ein kleiner Ausschnitt neben Vortragsreihen, zum Beispiel über "Deutsche Dichter und die Macht - von Goethe bis Grass" oder "Bürgerliche Salonkultur im Rückblick nach vorn". Es ist ein zwickender, ein in den Muskeln ziehender Spagat. Ein Angebot für den anspruchsvollen Hochkultur-Touristen, das gleichzeitig aber bitte auch die Ahnungslosen abholen soll.
Hans Wisskirchen: "Wenn man in Lübeck über Kultur spricht, und wenn man sich auch öffnen will hin zu bildungsferneren Schichten, wenn man dort hin will, dann muss man den Ausgangspunkt erst mal definieren. Und der ist nun mal diese bürgerliche Kulturtradition, die ich durchaus positiv sehe.
Lübeck war immer eine freie Stadt, eine reichsunmittelbare Stadt, die direkt dem Kaiser unterstellt war, nie einen Fürsten hatte, sondern die Bürger haben immer hier selbst bestimmen können. Und Lübeck ist bis 1937, das vergisst man heute immer, auch ein eigenständiger Staat gewesen, auch im neuen deutschen Reich, mit einem Gesandten in Berlin, und hat von daher auch eine ganz ausgeprägte kulturelle Tradition.
Und heute leidet man manchmal darunter, weil eine Kommune dieser Größe normalerweise nicht so viel Kultur hat und vor allen Dingen sie nicht wie Lübeck ausschließlich allein finanzieren muss. Aber das ist was Besonderes."
Doch dieses Besondere, das politische Selbstverständnis, das aus Eigenverantwortung für die Stadt erwuchs, das sich stolz identifizierte mit den humanistischen Institutionen und Sammlungen, dieses Selbstverständnis schrumpfte so langsam dahin.
Auch der Begriff des "Bürgers", obwohl präsent in administrativen Bezeichnungen wie "Bürgerschaft" und "Bürgermeister", bekam einen sonderbar steifen, antiquierten Klang und wich dem "Einwohner" und damit dem eher "Unbeteiligten", der sich den Entscheidungen einiger weniger "Macher" fügt.
Roman Brogli-Sacher: "Ja, es ist ein bisschen die Frage, was der Hochkulturtourist sein soll. Lübeck hat meiner Meinung nach nachhaltig auf Nichtnachhaltiges die letzten Jahre gesetzt - und zwar die ganze sogenannte Event-Kultur mit diesen ganzen Sand-World und Ice-World.
Und all diese Projekte, die man immer gemacht hat, sind alle ganz kurzfristig immer nur gelaufen und haben nicht wirklich Leute angezogen und waren recht schnell wieder pleite, muss man sagen. Und ich finde, dass das, was man substantiell machen kann, das ist, was Menschen auch hierher bringt."
Jeder kochte in den letzten Jahren sein eigenes kommerzielles Süppchen, jede Veranstaltung, jede Kultur- und Bildungseinrichtung, jede Sammlung kämpfte für sich um Gelder, Aufmerksamkeit und Besucher - keine Spur mehr von gemeinschaftlichem "Bürgersein" oder "Bürgersinn".
Bis sich die zahlreichen Lübecker Museen unter dem Dach einer Kulturstiftung neu organisierten und mit dieser Kooperation nun eine Leistungsschau bieten, die an alte Traditionen anknüpfen will: an Bürgerstolz und Stiftersinn, an Begeisterung und ehrenamtliches Engagement: "Mensch Bürger. Wir sind die Stadt."
Roman Brogli-Sacher: "Das, was man hat, sind die tollen Backsteine. Man hat Thomas Mann, man hat Günter Grass, und man hat eine hochlebendige und seit langem existierende Theaterwelt und Theaterkultur auf einem recht ansprechendem Niveau. Zum Beispiel hat der Mann seinen letzten Lohengrin 1948 hier im Theater noch mal gesehen."
"Es war ein künstlerisches Kapital-Ereignis meines Lebens, die Begegnung mit der Kunst Richard Wagners, die das Theater meiner Heimatstadt mir vermittelte ... Ich will mich nicht vermessen, aber ich glaube, einen hingenommeneren Zuhörer hat das Stadttheater nie beherbergt, als ich es an jenen zaubervollen Abenden war."
Hans Wisskirchen: "Thomas Mann hat Wagner wahrgenommen, ganz früh schon in Lübeck. Wagner in den späten 1880er Jahren, in den frühen 1890er Jahren, wo Thomas Mann 15 war: Das war das Modernste, was man hören konnte, das war provokativ. Aber mehr als andere, für die es ein Reiz war - er ist von da an dieser Musik verfallen - im wahrsten Sinne des Wortes."
"Es war eine Begegnung, von deren entscheidender Wirkung auf meinen Kunstbegriff ich jedes Mal gesprochen habe, wenn es Erläuterndes zur geistigen Geschichte meiner Bücher zu sagen galt."
Roman Brogli-Sacher: "Ich kam da damals drauf, weil es dieses wunderschöne Buch gibt, wo Thomas Mann einfach über Wagner schreibt. Mann war ganz klar stark durch Wagner in seinem ganzen Werk beeinflusst und hat das so verarbeitet und in seinem Werk auch angenommen."
Und plötzlich war die Idee geboren: "Wagner trifft Mann"! Das ist das eigentliche starke Motto, das ist der Kern dieser Lübecker Bürger-Bildungs-Offensive 2008, denn:
Hans Wisskirchen: "Der Grund für dieses Projekt waren zwei Jubiläen: Einmal das 100-jährige Theaterjubiläum. Es gab auch eine neue Intendanz, es gab neue Signale und auch gelebte Form von Zusammenarbeit zwischen den Kultureinrichtungen und dem Theater. Und der andere war, dass in diesem Jahr das Buddenbrookhaus 250 Jahre alt wird als Ort. Und das ist ja so eine bürgerliche Ikone, kann man fast sagen, durch den Roman 'Buddenbrooks' geworden. Die Hausgeschichte ist auch Thema einer Ausstellung bis in den Herbst hinein.""
Und es entwickelte sich das Konzept einer Art Doppel-Tetralogie für die nächsten Jahre: Richard Wagners Monumental-Werk "Der Ring des Nibelungen" in der Oper und parallel dazu die Einrichtung von vier Thomas-Mann-Romanen als Bühnenstücke im Schauspiel - die, außer dass der Opernchor hier und da in den Roman-Adaptionen neuartige, klingende Funktion übernimmt, keine dramaturgische Verklammerung erfahren. In der ersten Saison 2007/2008 gelangen mit Richard Wagners "Rheingold" und John von Düffels "Buddenbrooks"-Bearbeitung auf Anhieb große Publikums-Erfolge.
Roman Brogli-Sacher: "Die Auslastung ist massiv gestiegen! Ich habe bei gleicher Anzahl der Vorstellungen wie bei Marc Adam in der letzten Saison 12.000 Menschen mehr im Musiktheater gehabt. Und ich habe 125 Menschen pro Vorstellung mehr im Durchschnitt als das Jahr davor, die hierher kommen und das sehen wollen. Und das ist nicht 'event', sondern das ist nachhaltig."
Obwohl die schlaglichtartige, zum Teil grotesk zugespitzte Verkürzung der "Buddenbrooks" als Bühnenfassung dem gehaltvollen Familienroman nicht immer gerecht wird. Wie überhaupt die Interpretation des Werks dieses bildungsbürgerlichen Schriftstellers aus dem Lübecker Großbürgertum an Widersprüchen und Verständnisschwierigkeiten krankt.
Hans Wisskirchen: "Ja, es ist mit der Bürgerlichkeit bei Thomas Mann nicht so einfach, und man kann es ganz gut am Buddenbrooks-Roman darstellen. Wenn man es überspitzt formulieren würde, kann man sagen, dass die Rezeption und die Erfolgsgeschichte dieses Buches ein großes Missverständnis ist!
Also er ist der bürgerliche Roman geworden, den die Bürger lieben. Im Ausland, das kann man beobachten: Wenn man sich den Bürger vorstellt, dann denkt man an Buddenbrooks, das ist wirklich nicht übertrieben, das ist so. Das ist das eine.
Das andere ist, dass es eigentlich eine tieftraurige Geschichte ist, die den Bürger unterminiert. Es ist die Geschichte eines Niedergangs, die Geschichte eines Endes einer bestimmten bürgerlichen Tradition. Also, es ist durchaus eine Geschichte, die nicht das Bürgertum Lübecks verherrlicht, sondern es ist eine Geschichte, die auch die Probleme von Bürgerlichkeit schildert. Und ich glaube, deswegen wird sie heute auch noch gelesen, da liegt die Modernität der Geschichte drin."
Am 1. Oktober 2008 feiert das Lübecker Theater im Rahmen des Stadt-Projekts "Mensch Bürger. Wir sind die Stadt" seinen 100. Geburtstag.
Roman Brogli-Sacher: "Es ist ja der Dülfer-Bau. Es wird ja nicht 100 Jahre Theater gefeiert, sondern 100 Jahre Dülfer-Bau.."
Tatsächlich wird Theater in Lübeck schon seit 1456 gespielt, in Zirkeln, in verschiedensten Privatquartieren. In der Beckergrube, dem heutigen Standort, seit 1752. Nun aber, 1906, gibt es eine öffentliche Ausschreibung für einen angemessenen Theaterbau. Der Architekt Martin Dülfer erhält den Zuschlag und wagt etwas ganz Neues: ein Theater in luftig-leichtem Jugendstil.
Farbige Ornamente und raue Putzflächen werden sein Markenzeichen, rotbrauner Porphyr, weißgrauer Laaser und Sterzinger Marmor sein Baumaterial. Innen sind die Wandflächen violett gehalten und durch gelbe Bordüren mit Blattdekor senkrecht gegliedert. Am 1. Oktober 1908 ist feierliche Einweihung mit Goethe, Schiller und Wagners "Meistersinger"-Vorspiel.
Roman Brogli-Sacher: "Und das wurde damals gemacht. Es gibt einen sehr schönen Brief von Emil Possehl, von diesem Mäzenatentum, von diesem Weltkonzern, der hier ist, der damals dieses Land kaufte und damit den Stadtvätern gesagt hat: Ich kauf' das, aber nur, wenn ihr das Theater endlich baut, sonst mach' ich das nicht!
Und deswegen ist das damals eigentlich nur auf Druck von Privatpersonen, worauf es am Ende immer wieder hinausläuft: Dass es nur eine kleine Schicht ist, die wirklich - man kann das auch Bildungsbürgertum nennen - , die wirklich dahinterstehen und das anstreben und dieses Kulturgut ausmachen. Weil die Masse wird das nie tragen, weil es durchaus elitäre und nicht ausschließlich volkstümliche oder massentaugliche Gesamtsubstanzen gibt."
Und dennoch - oder trotzdem ruft das hochverschuldete Lübeck, rufen die Volksvertreter in den Institutionen und Ämtern einhundert Jahre später: Mensch Bürger! Tut was für das Tafelsilber, beteiligt Euch am Polieren! Unterstützt den Erhalt, es lohnt sich!
Im Mittelpunkt der Jubiläums-Saison: der zweite Teil des "Rings", Richard Wagners "Walküre" und die Uraufführung des diesmal 1000-seitigen Thomas-Mann-Romans "Der Zauberberg" als Bühnenstück - selbst für den alles Tiefe und "Substantielle" verehrenden Generalmusik- und Operndirektor Brogli-Sacher ein schwerer Brocken.
Roman Brogli-Sacher: "'Zauberberg' zum Beispiel, wo ich mich letzthin grad durchgekämpft habe, einmal in meinem Leben. (Lacht). Ja, ganz, und zwar ernsthaft, weil es kommt ja jetzt im Herbst im Schauspiel. Ich wollte es eh schon lange mal, aber das ist ja nicht so ganz einfach!"
"MenschenWeltBilder. Verführung in der Hadeswelt" raunt und kündet der vielsagende Untertitel zu diesem Bühnenstück in der Bearbeitung und Regie des Österreichers Michael Wallner und der Musik seines Landsmanns Alexander Kukelka - wohl mit der Absicht, zumindest Neugier zu erwecken. Doch von Hades, von Unterwelt, von Mythologie will der Regisseur gar nichts wissen. Ihn interessiert in diesem ausufernden bildungsbürgerlichen Entwicklungsroman à la Vorbild Goethe vor allem das Phänomen der Zeit.
Und dass es im "Zauberberg" um den Vorabend des Ersten Weltkriegs geht und Thomas Mann scharfsinnige, gesellschaftspolitische Debatten führt und hochgeistig-philosophische Probleme wälzt, kommt auf dem Theater anno 2008 nicht an. Geschenkt - von Thomas Mann bleibt immer genug übrig.
Roman Brogli-Sacher: "Offensichtlich gibt immer noch einen Haufen Menschen auf dieser Erde, die sich durch einen Zauberberg durchkämpfen und dann doch irgendetwas mitbekommen. Und es ist so, dass diese Leute dann zu uns kommen und sich diese Wagner- und Mann-Geschichten angucken."
Noch zwei weitere Male bis zur Spielzeit 2010/11 werden sich die Giganten Wagner und Mann begegnen: In der Kombination "Siegfried", dritter Teil des "Rings" und dem Thomas-Mann-Roman "Joseph und seine Brüder" sowie "Götterdämmerung" und "Doktor Faustus".
Es ist wie ein Aufbäumen in rasender, alles verflachender Zeit. Es ist ein höchst anspruchsvolles Programm, das Lübeck sich, den Ansässigen - "Bürgern" - und möglichst vielen Besuchern verordnet hat auf seinem neuen alten Werte- und Besinnungskurs.
Hans Wisskirchen: "Gerade die Texte Thomas Manns sind Texte, die im positiven Sinne bildungsbürgerlich aufgebaut sind. Er konnte damals wohl noch von einer etwas größeren Bekanntheit ausgehen beim bildungsbürgerlichen Hintergrund. Bei uns allen, da meine ich mich jetzt persönlich auch mit - ist dieser Hintergrund nicht mehr vorhanden. Es liegt an der Bildungs-Tradition der gymnasialen Ausbildung."
Und dennoch stellen sich die Lübecker Veranstalter diesem Manko, zelebrieren nahezu diesen Widerspruch, der auf politischer Ebene typisch ist für diese Stadt: Stolz große Tradition zu predigen, aber mit dem Haushaltsgeld für die Kunst zuerst zu knausern. Das ist ebenso schwer zu verstehen wie die hochgehaltene Bürgerlichkeit des Lübecker Großbildungsbürgers Thomas Mann.
Hans Wisskirchen: "Dass er die Bürgerlichkeit nie denken kann ohne Entbürgerlichung. Entbürgerlichung heißt dann: In die Freiheit der Kunst hineinzugehen, die keine Grenzen kennt."