Die Bestsellerautorin und der reitende Retter

Von Carsten Hueck |
Viel Action im historischen Kostüm bietet Allendes "Zorro". Die Bestsellerautorin versieht den Mantel- und Degenheld mit einer Vorgeschichte. Sie gibt zu, dass es sich um eine Auftragsarbeit handelt. Leichte Urlaubslektüre, meint der Rezensent, nach der man das Buch getrost am Strand lassen könne.
Die Flut biografischer Literatur und historischer Romane nimmt seit Jahren zu. Auf ihren Wellen können Autoren und Verlage einigermaßen sicher und ausdauernd surfen. Pünktlich zu Beginn der Urlaubs- und Badesaison geben nun auch Suhrkamp Verlag und Isabel Allende eine Probe ihres Könnens. Unter ungewöhnlich grellem Werbeaufwand, dem Produkt gewissermaßen angemessen, erscheint eine historische Biografie. Die südamerikanische Bestsellerautorin hat sie geschrieben - über einen Mann, den es nie gab. Oder doch?

Alle glauben, ihn zu kennen, 92 Prozent der Deutschen, sogar 64 Prozent der Chinesen: Zorro, den reitenden Rächer, den geheimnisvollen Fechter für die Gerechtigkeit. Er sieht aus wie Guy Williams, Tyrone Power, Alain Delon oder Antonio Banderas. Über 50 Filme sind über seine Abenteuer schon gedreht worden.

Wer aber steckt wirklich hinter der Maske, welche Persönlichkeit verhüllt das schwarze Cape? Isabel Allende klärt uns auf. Diego de la Vega ist der Geburtsname des Ahnherrn aller schizophrenen Helden, die tagsüber als Bücherwürmer, schüchtern oder verweichlicht, ein unauffälliges Dasein führen. Doch gilt es der Gerechtigkeit Bahn zu brechen, Verzweifelte zu retten und das Böse zu besiegen, verwandeln sie sich flugs in Superhelden. Zorro wirft sich ins Kostüm, kämpft, reitet, rettet, wie nach ihm BatSpiderSuperman.

Die Autorin gibt zu, dass es sich bei ihrer "Zorro"-Biografie um eine Auftragsarbeit handelt. Die Familie, die seit 1920 das Copyright an der Figur Zorro besitzt, stellte nur eine Bedingung: dass der Held einen schwarzen Umhang, Maske und Degen tragen müsse, sowie auf einem Pferd namens Tornado sich fortzubewegen habe. Alles andere durfte sich Isabel Allende ausdenken. Das tat sie engagiert und mit fiktiver Akribie.

So erfahren wir, dass Diego de la Vega, lang ersehntes Kind einer indianischen Kriegerin und eines spanischen Offiziers, 1795 auf einer Hacienda in der Nähe von La Reina de los Ángeles, dem heutigen L.A., geboren wurde. Diegos Vater wird später Bürgermeister des Ortes, seine Mutter kehrt zu ihrem Stamm zurück. Der kleine Diego ist seiner Zeit weit voraus. Er präferiert das multikulturelle Lebensmodell gegenüber einer auf Reinheit des Blutes bedachten Gesellschaft. Treibt sich häufig bei Oma "Weißer Eule", einer Schamanin, herum, hat einen indianischen Milchbruder, fängt Bären, geht mit Delphinen schwimmen.

Als sein Totemtier erkennt "Weiße Eule" den Fuchs: "Wie der Fuchs sollst du entdecken, was sich im Dunkeln verbirgt, sollst bei Tage unerkannt sein und dich verbergen und nachts handeln." "Aber warum?", fragte Diego verwirrt. "Eines Tages wirst du es wissen, den Großen Geist kann man nicht drängen."

Auch Isabel Allende hat sich auf über 400 Seiten nicht vom großen Geist drängen lassen. Ihr Roman ist eine Kolportage, funktioniert weitgehend ohne psychologischen Aufwand, bietet viel Action im historischen Kostüm. Ihr Held wächst in Kalifornien heran, wird in Barcelona sozialisiert, perfektioniert dort die Kunst der Klingenführung. Kehrt nach Kämpfen gegen spanische Inquisition und Restauration, auch gegen Piraten, über New Orleans 1815 nach Amerika zurück. Befreit seinen Vater aus dem Gefängnis, straft seinen Erzfeind. Und lebt fortan seine Doppelidentität - über deren tieferen Gründe man in Allendes Roman auch nicht mehr erfährt als in der Heftchenreihe, mit der "Zorro" 1919 zum ersten Mal auf seine Existenz aufmerksam machte.

Großzügiger Umgang mit Adjektiven, historisches Kolorit, schmissige Aneinanderreihung von Fecht- und Liebesszenen, ironisches Kokettieren zwischen Biografin und Held machen das Buch zur idealen Urlaubslektüre. Selbst im prallen Sonnenschein ist die Handlung zu verfolgen. Und bei der Rückreise ins wahre Leben kann man "Zorro" ruhigen Gewissens am Strand liegen lassen.

Isabel Allende: "Zorro"
Aus dem Spanischen von Svenja Becker
Suhrkamp Verlag 2005
440 Seiten, 22,80 €.