Die besten Theatermacher

Von Michael Laages · 10.11.2012
Der Preis bringt kein Geld, aber viel Ehre: Der Deutsche Theaterpreis "FAUST" wurde in diesem Jahr in Erfurt verliehen. Regisseure, Schauspieler, aber auch Bühnenbildner und Videokünstler wurden ausgezeichnet.
Erstmals war damit ein Theater in den neuen Bundesländern ausersehen als Ort für die Gala: das Theater in Erfurt. Und schon das war durchaus ein bisschen pikant - diesen Preis nämlich vergeben die Verleiher, allen voran Bundeskulturstiftung, Deutscher Bühnenverein und die Deutsche Akademie der Darstellenden Künste, ja dezidiert und demonstrativ in allen drei Sparten des deutschen Stadt- und Staatstheatersystems, also für Musiktheater, Schauspiel und Tanz. Am Theater Erfurt aber sind zwei dieser Bühnenkünste, Schauspiel und Tanz nämlich, gar nicht auf Dauer und nur als Gast zu Hause. Aber wer denkt schon an so was, wenn’s was zu ehren gibt?

In Harnisch redete sich allerdings Schauspiel-Laudator Edgar Selge: gegen Ignoranz, Sparwahn und Streichkonzerte der Politik. Etwa in Wuppertal, wo eine Stadt gerade ihr Theater abschaffen will. Und auch gegen den grassierenden Auslastungsfetischismus bezog Selge kämpferisch Stellung – ein Parlament werde ja auch nicht dichtgemacht, wenn nur eine Handvoll Abgeordneter drin säße. Solche Kommentare zur Lage der Theater-Nation sind ein wesentlicher Teil der Bedeutung, die der deutsche Theaterpreis FAUST im mittlerweile siebten Jahr genießt.

Vergeben wird er vom Deutschen Bühnenverein, sozusagen dem Arbeitgeberverband der Stadt- und Staatstheater, der Bundeskulturstiftung und der Akademie für Darstellende Künste. Deren Mitglieder entscheiden nach einer Vorauswahl mal mehr, mal weniger vorhersehbar über die Preisträger. Und immerhin die Verkündigung der schließlich Geehrten hält den Oscar-Vergleich aus – denn erst die Laudatoren auf der Bühne öffnen den Umschlag.

Stuttgarts Opernintendant Jossi Wieler und sein Regie-Partner Sergio Morabito waren da ebenso "gesetzte" Preisträger gegenüber aufstrebenden Zähl-Kandidaten wie Martin Schläpfer, Chef-Choreograph an der Deutschen Oper am Rhein, der den Preis zum wiederholten Male erhielt; Martin Kusej, Intendant am Münchner Residenztheater, erhielt den Vorzug immerhin gegenüber dem Kandidaten Sebastian Nübling vom Theater gegenüber, den Münchner Kammerspielen. Barbara Bürk erhielt den FAUST als Regisseurin am Kinder- und Jugendtheater, dem Jungen Schauspielhaus in Hamburg, Ana Durlovski wurde als Sängerin, William Moore als Tänzer geehrt - beide arbeiten an Wielers Stuttgarter Bühne, was deren FAUST-Triumph komplett macht. Tankred Dorst und Ursula Ehler erhielten den Preis für ein überreiches Lebenswerk.

Wirklich überraschend waren eigentlich nur zwei Auszeichnungen – zum einen die für die Ausstatterin Barbara Ehnes und den Video-Künstler Chris Kondek, die im Zusammenspiel ihrer Künste tatsächlich neue Wege gehen in der Raumgestaltung für die Bühne. Zum anderen aber auch die für den Schauspieler Burghart Klaussner - er setzte sich immerhin gegen Fabian Hinrichs und Jana Schulz durch, zwei Top-Stars der jüngeren Generation. Klaussner dagegen, Gastwirtssohn aus Berlin, ist ein durchaus älterer Hase und gehörte als Student schon zum Ensemble der frühen Jahre an der Berliner "Schaubühne" und er ist heute eigentlich öfter als auf Theaterbühnen auf Fernsehbildschirm und Kino-Leinwand zu sehen – etwa immer wieder in Michael Hanekes Filmen.

Für "Das weiße Band" war Klaussner immerhin schon quasi Oscar-nominiert. Den Preis jetzt erhielt er in Abwesenheit: Denn in Leverkusen gastierte er gerade mit Arthur Millers "Tod eines Handlungsreisenden". Die Inszenierung von Wilfried Minks (in der Klaussner preiswürdig den Willy Loman spielt) entstand am kleinen privaten St.-Pauli-Theater in Hamburg. Die Meldung vom FAUST übrigens kam auch für das Publikum in Leverkusen gerade noch rechtzeitig zum Verbeugen: eine schöne Pointe.

Matthias Lilienthal, ehedem Leiter am HAU in Berlin, erhielt den Preis des Bühnenvereinspräsidenten Klaus Zehelein persönlich – und der nahm in sehr kluger Rede auch die immerwährende Konkurrenz zwischen Stadttheater und freien Produktionsstätten ins Visier. Denn das ist ja auch in der immer noch so reichen deutschen Theaterlandschaft nicht immer eine gedeihliche Partnerschaft – Stadt- und Staatstheater arbeiten zwar längst auch an der finanziellen Untergrenze, aber immerhin mit beträchtlichen technischen Apparaten und personalintensiven Verwaltungen. Über die verfügen freie Produzenten selber nicht - das HAU in Berlin ist als Produktionspartner eine der zentralen Institutionen, die freien Gruppen die Arbeit erst möglichen. Das müsse so bleiben, forderte Lilienthal – und die Kulturminister der Länder seien gemeinsam mit Kulturstaatsminister Bernd Neumann gehalten, zwei, drei, viele Hunderte HAUs zu gründen quer durch die Republik.
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