Die Berliner Osterbotschaft: Wahlpropaganda

Von Ernst Rommeney |
Wer über die Ostertage in den Ferien war, hat nichts versäumt. Er oder sie wird die vielen Interviews unserer Politiker nicht nachlesen müssen. Aber weil wir nicht nun mal nicht verreist sind, spielen wir mit und entschlüsseln die Berliner Osterbotschaft.
Die Sozialdemokraten möchten gern den Mindestlohn, der Bundeswirtschaftsminister die Einkommenssteuerreform zum Wahlkampfthema machen. Michael Glos wünscht sich, dass der Aufschwung auch im Geldbeutel der Bürger landet, nicht aber in Steuern und Abgaben fließt. Nicht den gut, sondern den gering verdienenden Bürger meint die SPD, wenn sie sich dafür stark macht, für gute Arbeit stets einen gerechten Lohn zu zahlen.

Die Argumente klingen gut. Sie könnten von einem Hedgefonds stammen, der den Vorständen zuruft: "jetzt ausschütten!" Allein wir wissen, dass auch aus preisgekrönten Modellen – ob nun mit Mindestlohn oder Steuerreform überschrieben – nicht ebenso Gutes wird, allenfalls ein Kompromiss.

Doch wem das alltägliche politische Geschäft einer Großen Koalition zuviel Mühe und Ärger bereitet, der sehnt sich nach der Schwerelosigkeit des Wahlkampfes. Vielleicht will er ja auch nur drohen, Disziplin beim Partner erzwingen und deswegen schon mal seine Waffen blitzen lassen. Soweit die Botschaft.

Doch sie befreit nicht, sondern verdrießt. Ungern hören die Finanz- und Sozialpolitiker der CDU, dass Michael Glos den liberalen Wirtschaftsminister gibt, während sie die Probleme zu lösen haben. Und sie werden sich erinnern, dass ihnen der letzte Wahlkampf zum Fiasko geriet, obschon sie mit Paul Kirchhoff, den Professor aus Heidelberg, einen exzellenten Experten im Team hatten. Und war es die CSU in München, die stets Wasser in den Reformwein der CDU goss, den Glos jetzt so süffig preist, dass man schon beim Hören trunken werden kann.

Dabei hat der CSU-Minister selbst gesagt, was andere ihm nun vorhalten, vor weiteren Steuersenkungen müssten erst einmal die öffentlichen Haushalte konsolidiert werden. Georg Milbradt, Sachsens Ministerpräsident, aber hatte da den besseren Gedanken, nämlich nicht den nahen Aufschwung zu feiern, sondern den nächsten Abschwung ins Visier zu nehmen.

Gerade erst wurde die Mehrwertsteuer erhöht, einmal um den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung, also Lohnnebenkosten zu senken, ferner um die Neuverschuldung zu mindern. Manche arme Bundesländer rechnen derzeit, ob sie sich die geplante Unternehmenssteuerreform leisten können.

Künftig soll die Kinderkrankenkasse von der öffentlichen Hand finanziert werden. Doch die Mittel dafür sind längst nicht bereit gestellt. Ebenso wenig wie für das Krippenplatzprogramm der Familienpolitiker. In der Koalition denkt man auch darüber nach, ob nicht der Staat wieder stärker in die Infrastruktur investieren sollte. Und von den künftigen Pensionslasten des Fiskus ganz zu schweigen.

Über Steuersenkungen zu reden, wenn man nicht weiß, wie all diese Aufgaben zugleich erledigt werden sollen, klingt nicht seriös. Schließlich stecken Bund und Länder mitten in der zweiten, der finanziellen Föderalismusreform. Und Michael Glos widerspricht dem christdemokratischen Konzept, die Reform der Sozialversicherung aus Steuermitteln zu bezahlen. Also so gesehen war es vielleicht doch eine echte Hedgefondsattacke des Bundeswirtschaftsministers mit seinem "Ausschütte jetzt!" – eine eigenwillige Osterbotschaft.