Die Berliner Meteoritensammlung

Außerirdische Steine

Ein 600 Kilogramm schweres Fragment des im Februar 2013 in der Nähe der russischen Stadt Tscheljabinsk eingeschlagenen Meteoriten liegt in einer Vitrine im Tscheljabinsker Museum für Regionalgeschichte.
Ein 600 Kilogramm schweres Fragment des im Februar 2013 in der Nähe der russischen Stadt Tscheljabinsk eingeschlagenen Meteoriten im Tscheljabinsker Museum für Regionalgeschichte © picture alliance / dpa / Lunin Gleb
Von Thomas Gith · 07.01.2016
Die Erde wird immer wieder beschossen: mit Meteoriten. Die meisten landen im Meer, doch ab und zu auch auf dem Erdboden. Eine der größten Sammlungen hat das Berliner Naturkunde-Museum. Die verrät einiges über den Ursprung des Universums.
Die Meteoritensammlung des Berliner Naturkundemuseum verbirgt sich hinter einer unscheinbaren Tür. Ansgar Greshake betritt den Raum dahinter. In zwei Reihen übereinander stehen in ihm graue Metallschränke. Der Wissenschaftler zieht eine Schrankschublade auf, holt einen sehr bekannten, faustgroßen Meteoriten heraus.
"Im Februar 2013 ging ein Meteorschauer über der russischen Stadt Tscheljabinsk nieder. Der bestand aus vielen hunderten solcher Stücke, klein wie Murmeln aber auch groß, faustgroß und auch noch größer. Und die Explosion beim Eintritt dieses Meteors in die Erdatmosphäre war so stark, dass die Druckwelle hunderte von Fenstern zerborsten hat."
Die Meldung von dem Meteoriteneinschlag ging damals weltweit durch die Medien. Auch, weil der Himmelskörper über der russischen Stadt im Ural mit einem lauten Knall zerbarst. Bei seinem Eintritt in die Erdatmosphäre verglühten weite Teile seiner Oberfläche.
"Dieses Stück, hier sehen Sie das wunderschön, hat diese frische Schmelzkruste. Er ist pechschwarz. Nur an Stellen, wo er aufschlug, sieht man sein helleres Inneres. Ansonsten ist er aber bedeckt mit einer frischen, schwarzen Schmelzkruste. Die entsteht beim Eintritt in die Erdatmosphäre."
Etwa fünf Meteoritenfälle werden alljährlich beobachtet. Die meisten der Himmelskörper stammen dabei aus der Region zwischen Mars und Jupiter.
"99,9 Prozent aller Meteorite, die auf die Erde fallen, kommen aus dem Asteroidengürtel. Also brechen ab von diesen Kleinplaneten, die sich dort im Orbit befinden und wenn sie auf eine Umlaufbahn kommen, die die der Erde kreuzt, fällst auf die Erde. Ein Großteil verglüht dann in der Erdatmosphäre, sie kennen die Sternschnuppen, weil die zu klein sind, verglühen sie. Größere Stücke landen auf der Erde und fallen als Meteorit herunter."
Im Berliner Naturkundemuseum untersuchen die Forscher die Meteoriten schließlich unter dem Rasterelektronenmikroskop. Peter Czaja sitzt neben dem surrenden Gerät und blickt auf einen Monitor.
"Hier sieht man jetzt die Meteoritenoberfläche, bestimmte Körner werden jetzt hier mit dem Elektronenstrahl beschossen. Durch die Wechselwirkung mit der Materie entsteht Röntgenstrahlung. Diese Röntgenstrahlung, die hat charakteristische Peaks für die einzelnen chemischen Elemente."
Meteoriten als übersinnliche Erscheinung
Diverse Arten von Gestein, aber auch Eisen und Nickel sind typische Materialen, aus denen die Meteoriten bestehen. Es ist Grundlagenforschung. Doch aus ihr lassen sich auch ganz praktische Erkenntnisse ableiten.
"Wenn Sie zum Beispiel in einem Lehrbuch lesen, die Erde ist etwa 4,5 Milliarden Jahre alt, dann kommt diese Zahl durch die Datierung von Meteoriten. Man kann diese Meteorite datieren, in dem man radioaktive Zerfallsreihen verwendet. Also klassisch: Uran zerfällt zu Blei. Mit Hilfe der Messung bestimmter Isotope von Uran und Blei kann man das Alter bestimmen. Und das älteste Material, was wir kennen, ist 4,57 Milliarden Jahre alt. Das ist das erste feste Material unseres Sonnensystems."
Und dieses Material stammt tief aus dem Inneren eines Asteroiden, der zerbrach und als Meteoritenschauer auf die Erde regnete. Es ist Wissen der Neuzeit, wie ein Blick in die Geschichte zeigt. Denn in der Berliner Sammlung lagert auch das historische Stück eines Eisenmeteoriten. Bekannt geworden durch den deutschen Forscher Peter Simon Pallas. 1772 reiste der bei einer Russland-Expedition in die Nähe der sibirischen Stadt Krasnojarsk. Bergleute hatten ihn gerufen.
"Denn dort befand sich ein etwa 800 Kilogramm großer Eisenblock. Und die Bergleute wussten ganz genau, dass gibt es gar nicht. Es gibt gediegenes Gold, Nuggets, Silber, Platin, aber Eisen nicht, das verrostet. Und Pallas reiste dorthin, beschrieb diesen Meteoriten, er wusste nicht, was das ist, er beschrieb ihn lediglich und ließ den Dorfschmied kommen."
Der machte sich ans Werk: Er holte Hammer und Meißel hervor, schlug auf den mysteriösen Eisenklotz ein, trennte einige Bruchstücke von ihm ab. Die Sache nahm ihren Lauf.
"Und diese Bruchstücke wurden an die Akademien der Wissenschaften in London, in Paris in Berlin verschickt und dort aufbewahrt. Und dieses ist eines der historischen Stücke, die nach Berlin kamen. Und die dann auch Herrn Chladni dazu dienten, seine Hypothese von der extraterrestrischen Herkunft des Materials zu formulieren."
Der deutsche Physiker Ernst Chladni war der erste, der den Ursprung dieser Körper im Weltraum sah. Anfang des 19. Jahrhunderts setzte sich seine Erkenntnis durch. Denn noch im späten Mittelalter wurden Meteoriten als übersinnliche Erscheinung gesehen, als Zeichen Gottes, als Ende der Welt. So wie der Meteorit von Ensisheim: 1492 stürzte er unter lautem Donner vom Himmel – und wurde an der Dorfkirche angebunden, um die in ihm wohnenden dunklen Mächte einzusperren. Mittlerweile deuten wir die Sache wissenschaftlicher – für Aufsehen aber sorgen Meteoritenfälle bis heute.
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