Die Beigabe zum Meisterwerk

Von Walter Kittel |
Eine Ausstellung, in der die Bilder in den Rahmen fehlen, ist erst einmal gewöhnungsbedürftig. Vom gedrechselten runden Kapselrahmen aus dem 16. Jahrhunderts bis zu den 200 Jahre später aufkommenden reich mit Jagdgerät oder Musikinstrumenten verzierten Trophäenrahmen hängen vor allem sehr viele rätselhafte Stücke nebeneinander.
Denn irgendwann in ihrer Geschichte sind die meisten dieser Rahmen verwaist und stehen nur für sich alleine. Oft ist es eine geradezu detektivische Arbeit, der Geschichte einzelner Rahmen zu folgen und ein Verständnis für sie zu entwickeln, wie die Kuratorin Helge Siefert an einem Beispiel erläutert.

"Das Bild ist also aus der Sammlung Friedrichs des Großen, ein Nicola Langrais, der mit zwei Rahmen hierherkam. Das war üblich, man hat dann einen anderen Rahmen gegeben. Man wollte keinen Kunsthandelsrahmen um die Bilder haben. Ich habe dann aber festgestellt, dass dieser Rahmen hintendrauf eine Nummer hat. Dann habe ich festgestellt, dass die Nummer eine Schlössernummer Berlin ist. Das heißt, wir hatten den Originalrahmen aus der Zeit Friedrichs des Großen, den Originalrahmen um den Langrais, mit dem er aus Paris gekommen ist. Und dann ist es mir gelungen, den Generaldirektor zu überzeugen, dass wir diesen Rahmen wieder ums Bild haben."

Bilder und Rahmen, die zusammengehören, auch zusammenzuführen, gelingt jedoch nur selten und war auch lange nicht gewollt. Bis auf die großen Apostel-Gemälde von Dürer gibt es auch in der Alten Pinakothek heute nur noch wenige Bilder, denen sich Originalrahmen zuordnen lassen. Der Erfindungsreichtum, über die Jahrhunderte für alte Bilder immer wieder neue Rahmentypen zu entwickeln, war jedoch immer schon groß. Oft ging es einfach nur darum, Sammlungen zu vereinheitlichen und ihnen den Eindruck von Geschlossenheit zu geben. Solche Geschlossenheit wird mit der Ausstellung nun wieder aufgebrochen.

"Wir haben ja eine sehr komplizierte Sammlungsgeschichte, wo aus verschiedenen Landesteilen der bayerischen Verwandtschaft dann eben Sammlungen herbeigebracht wurden und das wird eben in dieser Ausstellung dokumentiert. Und natürlich kam noch die Säkularisation dazu, wo aus den Residenzen der Fürstbischöfe, der diversen, ebenfalls große Bestände hierherkamen."

Viele Bilder wurden nach ihrer Ankunft in München erst einmal ganz neu gerahmt. Bis heute typisch für München sind etwa die in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts entworfenen sogenannten Cuvillier- und Effner-Rahmen: ein meistens vergoldeter Rahmentyp, mit muschelartigen Bekrönungen, Blattranken und Blüten.

"Also die wurden alle noch mit der Hand geschnitzt natürlich. Das sind Effner-Rahmen, die für Schleißheim bestimmt waren. Hier oben ein kleiner eleganter Typus, hier unten ein größerer Rahmen mit mehr Bandelwerk. Und daneben aber das Besondere: Im Appartement der Kurfürstin waren alle Rahmen silbern. Und eines der wenigen silbernen Beispiele haben wir hier. Also alles war silbern, die Vertäfelungen und auch ihre Bilder waren silbern gerahmt."

Willkür und persönlicher Geschmack waren also häufig ausschlaggebend für die Wahl der Rahmen. Erforscht und dokumentiert wurden für die Ausstellung etwa Galerierahmen von Schloss Seehof, den Residenzen Bamberg, Würzburg, Passau oder auch Rahmen aus Düsseldorf und Mannheim. Denn die Sammlungen der Kurfürsten von der Pfalz gelangten 1798 bzw. 1806 nach München. Die völlig intakten, klassizistischen Rahmen mit Oliven- und Eichenlaubstäben kamen meist in die Depots. Erst sehr spät entwickelte sich überhaupt ein Bewusstsein für die individuelle Bedeutung und den kunsthistorischen Wert von Rahmen.

"Also in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat man sich –glaube ich- weniger um die Rahmen gekümmert hier in den Sammlungen. Das begann dann erst, als Hugo von Tschudi hier nach München kam, der ja ein Mitarbeiter von Wilhelm von Bode war. Unter ihm hat dann die große Hinwendung zu den Rahmen stattgefunden. Man hat dann sehr viele italienische Rahmen auch gekauft. Also original Tabernakel-Rahmen. Und dann angefangen, die italienische Abteilung umzurahmen."

Die Ausstellung sensibilisiert für die Vielfalt, Schönheit und oft verzweigte Geschichte und Bedeutung von Rahmen. Auch der Blick auf die in den großen Galerieräumen der Alten Pinakothek gehängten Bilder wird sich damit wohl verändern. Für die Besucher soll es in Zukunft Erläuterungen zu den hier dauerhaft präsentierten Rahmen geben. Nur für sehr wenige Museen wie die Londoner National Gallery und National Portrait Gallery gibt es bereits sogenannte "Pocket Guides" zum Thema "Rahmen".