Die Band Nautilus und die japanische Jazzszene

Wo Jazz und Pop zusammenfließen

Die Band "Nautilus" aus Japan
Die Band "Nautilus" aus Japan © Agogo Records
Von Martin Risel · 03.07.2017
Japan hat weltweit den größten Anteil an Jazzfans in Relation zur Gesamtbevölkerung. Und die Jazzszene blüht auf: Neue Bands wie die Band "Nautilus" beziehen sich auf den Jazzfunk der 1970er-Jahre. Und hoffen jetzt auf den Durchbruch in Europa.
"Tom's Diner" - aus Suzannes Vegas digitalem Gassenhauer wird bei der Band Nautilus eine entspannt groovende Popjazznummer. Die Auswahl ihrer Coversongs folgt jeweils einer emotionalen Bindung, in diesem Fall der Kindheitserinnerung an einen Werbespot für Tee, der mit diesem Song unterlegt war.
Aber die japanische Jazz- und Popkultur sind ohnehin historisch eng verbunden, weiß der seit 15 Jahren in Japan lebende britische Kulturpublizist James Hadfield zu berichten:
"Interessant in Japan ist: Wenn man den Pop hier genauer anhört, findet man darin mehr Jazz-Elemente als in westlicher Popmusik. Zum Beispiel viele Jazz-Akkorde. Das ist durch eine Art Osmose in der Nachkriegszeit entstanden, da wurde so etwas absorbiert und Teil der typisch japanischen Melodieführung.
Deshalb gibt es hier mehr Potenzial für ein Crossover zwischen Jazz und Pop. Ganz natürlich, ohne dass es schräg klingt."

Jazzfunk der 70er als Inspiration

Schräg klingt es auch bei der Band Nautilus nicht. Das Trio aus Tokio spielt seine sanft schwingenden Songs - außer mit etwas Synthesizer - rein akustisch mit Schlagzeug, Bass und Piano ein. Wenn eine der Gastsängerinnen dazukommt, wird’s soulig. Kein Wunder: Bandleader und Schlagzeuger Toshiyuki Sasaki kam über die Band Jamiroquai zum Jazz.
"Ich hab angefangen, diese 70er-Jahre Jazzfunk-Sachen zu hören: Leute wie Herbie Hancock, George Duke und Bob James. Und wir begannen dann auch mit meiner Band sowas zu spielen. Wir hatten noch keinen Bandnamen, also haben wir uns nach der Bob James-Nummer 'Nautilus' benannt."
Das "Nautilus"-Original von Bob James stammt vom ersten Solo-Album des US-Pianisten aus dem Jahr 1974. Und ging in die Musikgeschichte ein als eines der meistgesampelten Stücke im HipHop.
Stärker noch als diese Coverversion der japanischen Band ist ein von ihnen daraus entwickeltes eigenes Stück. Dieser "Signature Song" ihres neuen Albums "Nautiloid Quest" basiert auf einem quasi akustischen Sample.
Toshiyuki Sasaki: "Das ist wie ein Antwort-Stück auf das Bob James-Original. Ich hab dieses Riff davon verwendet …"
(Singt Original und gecoverte Melodie)
"… also ich hab das etwas lustig arrangiert."
Toshiyuki Sasaki hat in ganz unterschiedlichen Jazz-Formationen gespielt, bevor er vor drei Jahren mit einem befreundeten Keyboarder und Bassisten Nautilus gründete. In Japan haben sie bereits zwei Alben veröffentlicht.

Hoffen auf den Durchbruch in Europa

Dann hat sie ein deutscher DJ auf Youtube entdeckt und das Label Agogo Records aus Hannover mit seinem Clubjazz-Portfolio stieg darauf ein.
Toshiyuki Sasaki: "Um ehrlich zu sein: Richtig berühmt sind wir noch nicht. Aber vielleicht werden wir das ja mit der Veröffentlichung in Europa. Das ist eine gute Chance für uns. Warum soll nicht auch hier so ein Sound ankommen, der in Japan gerade immer beliebter wird?"
Und das dort ja eigentlich auch schon mal war vor rund 15 Jahren. Aber jetzt ist es Zeit für eine neue Generation: DJ Nujabes, der ziemlich populär HipHop mit Jazz mischte, ist vor sieben Jahren gestorben. Die "Indigo Jam Unit" aus Osaka hat sich gerade aufgelöst. Und die wunderbaren, auch international erfolgreichen "Soil and Pimp Sessions" befinden sich in einer Ruhephase – die ihre Musik nie kannte-
MUSIK 4: Soil & Pimp Sessions - A.I.E (JAPAN BLOWIN' UP IN YA FACE!!)
James Hadfield: "Dieser ganze Clubjazz-Boom, aus dem so etwas kam, das war in den späten 90ern und frühen Nuller-Jahren. Japan hatte da seine eigene Version einer Acidjazz-Szene, die eine Weile tobte. Aber das begegnet mir jetzt kaum noch und ist eher abseits."
James Hadfield kommt viel rum in der neuen japanischen Jazzszene und hat u.a. Musiker wie den Gitarristen May Inoue und den Schlagzeuger Shin Ishiwaka entdeckt.
"Die progressivsten dieser Sachen entstehen im Bereich zwischen Jazz und der Beatproduzenten-Szene - oder zwischen Jazz und Indiepop. Da gibt es so eine Melange verschiedener Genres. Aber die spielen dann meist in normalen Rock-Venues vor einem Nicht-Jazz-Publikum."
Raus aus den etablierten Spielstätten, rein in neue Events wie das Tokyo Lab, einer Art Kleinfestival, bei dem sich die junge Jazzszene gerade zum ersten Mal versammelt hat. Und auch das schon etablierte Sumida Street Jazz Festival in der japanischen Hauptstadt wird inzwischen von neuen Musikern unterwandert.
Die haben schon genug Selbstvertrauen, um nicht mehr neidisch nach New York zu schielen. Sondern verhandeln – wie die Band Nautilus – gerade mit ihren deutschen Partnern über die erste Europa-Tour für das kommende Frühjahr. Eine neue Szene blüht auf.
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