Die Bagger sind bestellt
Mit dem alten Jahr ging in Berlin auch die letzte Kunst-Aktion im Palast der Republik zu Ende. Noch in dieser Woche will der Senat bekannt geben, wie der Abriss vonstatten gehen soll. Doch noch sind die Gegner des Abrisses aktiv. Die Arbeiten sollen als Entsorgung der DDR-Vergangenheit inszeniert und ins Internet übertragen werden.
Die Abriss-Firmen sind bestimmt, die Bauarbeiter rücken demnächst an, das Schleifen der sozialistischen Burg scheint nicht mehr aufzuhalten.
"Es hat sich nichts bewegt. Die Politik ist von einer Starrsinnigkeit, die geradezu faszinierend ist."
Amelie Deufelhard, Leiterin des Berliner Theaters Sophiensaele und Hauptinitiatorin der Anti-Abriss-Bewegung, ist ernüchtert. Resigniert hat sie nicht. Im Rückblick bewertet sie die so genannte kulturelle Zwischennutzung als Teilerfolg.
"Wir haben erreicht, dass sich der ganze Diskurs verändert hat. Es geht jetzt nicht nur darum: hier der Palast ist der Ostalgiker-Schuppen, die Bude der Alt-DDRler, sondern im Grunde genommen hat jeder gemerkt, dass es ein hoch geeigneter Ort ist für alle Formen von zeitgenössischer Kunst, von Theater über Konzerte, über Bildende Kunst. Und es ist ein Ort, der eine derartige Attraktivität für das Publikum hat, und zwar für das große Publikum, dass das für mich inzwischen die größte Katastrophe ist unter dem Aspekt, den abzureißen."
Zahlreiche Kunstausstellungen und Theateraufführungen hat die Initiative gegen den Abriss des symbolträchtigen Gebäudes in Berlins Mitte den Kommunalpolitikern abgetrotzt. Immer wieder erzwangen sie die Öffnung des nach seiner Asbest-Sanierung bewusst dem Verfall preisgegebenen Beton-Stahl-Torsos für Kultur. Zuletzt war dort die beeindruckende Schau zeitgenössischer Kunst "White Cube" zu sehen - mit Werken international erfolgreicher Künstler wie Christoph Schlingensief, Franz Ackermann, Eberhard Havekost, Olafur Eliasson und Michel Majerus.
Während der Senat von Berlin am kommenden Freitag den genauen Zeitplan für den Abriss bekannt geben will, plant die Anti-Abriss-Initiative für Samstag eine Gegenmaßnahme: In einer auffälligen Anzeige in einer großen überregionalen Tageszeitung wollen prominente Künstler wie der Regisseur Frank Castorf oder die Choreografin Sasha Waltz für eine Wiederaufnahme der Debatte werben. Noch sammeln die Palastfreunde Geld für die kostspielige Annonce.
Ebenfalls mit Geld-Sammeln ist Wilhelm von Boddien beschäftigt. Der Verfechter eines Neuaufbaus des alten Hohenzollern-Schlosses an dem Ort, an dem der Palast der Republik steht, wirbt seit vielen Jahren nach dem Modell der Dresdner Frauenkirche um private Sponsoren.
" Wir glauben, dass die Planung mit Wettbewerben innerhalb der nächsten zwei Jahre abgeschlossen sein kann. Dann ist Baubeginn, und dann wird bis 2014/2015 das Haus fertig gestellt sein. Unser Wunschtermin, dass zur 25-jährigen Wiederkehr der Wiedervereinigung Deutschlands das Haus eröffnet wird, ist noch realistisch."
Rund zwölf Millionen Euro an Spenden hat von Boddien mittlerweile zusammen. Eine Integration des Palast-Torsos in ein neu zu schaffendes Ensemble in Berlins Mitte lehnt der Schloss-Liebhaber ab.
"Das ist städtebaulich nicht möglich, weil der Palast um 90 Grad verschwenkt zum Schloss steht. Das heißt, Sie kriegen so ein T, und dann haben Sie ein halbes Schloss und einen halben Palast. Dass das nicht funktioniert, haben wir ja damals schon bewiesen, als wir unsere Attrappe in die Stadt stellten. Nein, ich würde sagen, dieses Thema haben wir jetzt 15 Jahre lang behandelt."
Deufelhard: "Ich finde, auf einer Symbolebene ist der Wiederaufbau des Schlosses ein Rückgriff in die Vorvergangenheit. Der Palast scheint vielen ein Griff in die Vergangenheit, aber er steht. An das Schloss gibt es keine Erinnerung, es gibt niemanden, der es haben möchte, und man wird ein kaltes Gebäude ohne Aura, ohne Erinnerungswert hinstellen. Denn es geht ja nicht um die Rekonstruktion eines Schlosses, sondern um ein Betongebäude mit einer Fassadenrekonstruktion, eigentlich eine Art Disneyland."
Für Amelie Deufelhard ist das Votum pro oder contra Palast der Republik, den Walter Ulbricht erdachte und Erich Honecker als Veranstaltungszentrum einweihte, längst zu einer Generationenfrage geworden.
"Mein Gefühl ist, alle Berliner oder auch deutsche oder internationale Gäste zwischen 20 und 50 strömen hierher. Die Entscheider sind über 50 oder über 60 und die sind nicht bereit, sich dem zu stellen, was hier passiert ist. Die Politik macht eine Verweigerungspolitik, die Politiker kommen auch nicht her, sie wollen sich das Gebäude nicht anschauen. Ich hab das Gefühl, es ist jetzt ein bisschen die Tendenz: Wir haben nun mal entschieden und wir ignorieren, was inzwischen passiert ist und wir ziehen jetzt einfach mal die Entscheidung durch."
Obwohl noch längst nicht geklärt ist, was genau in Berlins Mitte entstehen könnte oder sollte: wie viel Schlossattrappe und wie viel Neubau, wie viel Kultur, wie viel Parkhaus, wie viel Hotel und wie viel Kaufhaus. Nur eines ist klar: Der Neubau wird mindestens 500 Millionen Euro kosten. Jetzt wird erst einmal aufwändig abgerissen und anschließend Rasen eingesät. "Vollendete Tatsachen schaffen" nennt man das.
Der Anti-Abriss-Initiative, die das einstige DDR-Kulturzentrum in den vergangenen drei Jahren mit Kunst gefüllt hat, ist es trotz vieler Anstrengungen nicht gelungen, die gesellschaftliche Debatte über Sinn und Unsinn eines Abrisses neu zu entfachen. Gegen die landläufige Missachtung der Architektur der 60er und 70er Jahre zugunsten einer Lust an der gemütvollen historischen Rekonstruktion kamen die Berliner Künstler nicht an.
Aber noch sind die Abriss-Gegner optimistisch: Schon oft wurde der Palast der Republik tot gesagt - klein gekriegt hat den Koloss bislang noch keiner.
Deufelhard: "Vielleicht gibt’s ja noch den Dreh, vielleicht wachen sie ja noch auf. Aber wenn hier abgerissen wird, bin ich auch gespannt, was noch passieren wird. Ich meine, da ist noch jede Menge Musik drin."
"Es hat sich nichts bewegt. Die Politik ist von einer Starrsinnigkeit, die geradezu faszinierend ist."
Amelie Deufelhard, Leiterin des Berliner Theaters Sophiensaele und Hauptinitiatorin der Anti-Abriss-Bewegung, ist ernüchtert. Resigniert hat sie nicht. Im Rückblick bewertet sie die so genannte kulturelle Zwischennutzung als Teilerfolg.
"Wir haben erreicht, dass sich der ganze Diskurs verändert hat. Es geht jetzt nicht nur darum: hier der Palast ist der Ostalgiker-Schuppen, die Bude der Alt-DDRler, sondern im Grunde genommen hat jeder gemerkt, dass es ein hoch geeigneter Ort ist für alle Formen von zeitgenössischer Kunst, von Theater über Konzerte, über Bildende Kunst. Und es ist ein Ort, der eine derartige Attraktivität für das Publikum hat, und zwar für das große Publikum, dass das für mich inzwischen die größte Katastrophe ist unter dem Aspekt, den abzureißen."
Zahlreiche Kunstausstellungen und Theateraufführungen hat die Initiative gegen den Abriss des symbolträchtigen Gebäudes in Berlins Mitte den Kommunalpolitikern abgetrotzt. Immer wieder erzwangen sie die Öffnung des nach seiner Asbest-Sanierung bewusst dem Verfall preisgegebenen Beton-Stahl-Torsos für Kultur. Zuletzt war dort die beeindruckende Schau zeitgenössischer Kunst "White Cube" zu sehen - mit Werken international erfolgreicher Künstler wie Christoph Schlingensief, Franz Ackermann, Eberhard Havekost, Olafur Eliasson und Michel Majerus.
Während der Senat von Berlin am kommenden Freitag den genauen Zeitplan für den Abriss bekannt geben will, plant die Anti-Abriss-Initiative für Samstag eine Gegenmaßnahme: In einer auffälligen Anzeige in einer großen überregionalen Tageszeitung wollen prominente Künstler wie der Regisseur Frank Castorf oder die Choreografin Sasha Waltz für eine Wiederaufnahme der Debatte werben. Noch sammeln die Palastfreunde Geld für die kostspielige Annonce.
Ebenfalls mit Geld-Sammeln ist Wilhelm von Boddien beschäftigt. Der Verfechter eines Neuaufbaus des alten Hohenzollern-Schlosses an dem Ort, an dem der Palast der Republik steht, wirbt seit vielen Jahren nach dem Modell der Dresdner Frauenkirche um private Sponsoren.
" Wir glauben, dass die Planung mit Wettbewerben innerhalb der nächsten zwei Jahre abgeschlossen sein kann. Dann ist Baubeginn, und dann wird bis 2014/2015 das Haus fertig gestellt sein. Unser Wunschtermin, dass zur 25-jährigen Wiederkehr der Wiedervereinigung Deutschlands das Haus eröffnet wird, ist noch realistisch."
Rund zwölf Millionen Euro an Spenden hat von Boddien mittlerweile zusammen. Eine Integration des Palast-Torsos in ein neu zu schaffendes Ensemble in Berlins Mitte lehnt der Schloss-Liebhaber ab.
"Das ist städtebaulich nicht möglich, weil der Palast um 90 Grad verschwenkt zum Schloss steht. Das heißt, Sie kriegen so ein T, und dann haben Sie ein halbes Schloss und einen halben Palast. Dass das nicht funktioniert, haben wir ja damals schon bewiesen, als wir unsere Attrappe in die Stadt stellten. Nein, ich würde sagen, dieses Thema haben wir jetzt 15 Jahre lang behandelt."
Deufelhard: "Ich finde, auf einer Symbolebene ist der Wiederaufbau des Schlosses ein Rückgriff in die Vorvergangenheit. Der Palast scheint vielen ein Griff in die Vergangenheit, aber er steht. An das Schloss gibt es keine Erinnerung, es gibt niemanden, der es haben möchte, und man wird ein kaltes Gebäude ohne Aura, ohne Erinnerungswert hinstellen. Denn es geht ja nicht um die Rekonstruktion eines Schlosses, sondern um ein Betongebäude mit einer Fassadenrekonstruktion, eigentlich eine Art Disneyland."
Für Amelie Deufelhard ist das Votum pro oder contra Palast der Republik, den Walter Ulbricht erdachte und Erich Honecker als Veranstaltungszentrum einweihte, längst zu einer Generationenfrage geworden.
"Mein Gefühl ist, alle Berliner oder auch deutsche oder internationale Gäste zwischen 20 und 50 strömen hierher. Die Entscheider sind über 50 oder über 60 und die sind nicht bereit, sich dem zu stellen, was hier passiert ist. Die Politik macht eine Verweigerungspolitik, die Politiker kommen auch nicht her, sie wollen sich das Gebäude nicht anschauen. Ich hab das Gefühl, es ist jetzt ein bisschen die Tendenz: Wir haben nun mal entschieden und wir ignorieren, was inzwischen passiert ist und wir ziehen jetzt einfach mal die Entscheidung durch."
Obwohl noch längst nicht geklärt ist, was genau in Berlins Mitte entstehen könnte oder sollte: wie viel Schlossattrappe und wie viel Neubau, wie viel Kultur, wie viel Parkhaus, wie viel Hotel und wie viel Kaufhaus. Nur eines ist klar: Der Neubau wird mindestens 500 Millionen Euro kosten. Jetzt wird erst einmal aufwändig abgerissen und anschließend Rasen eingesät. "Vollendete Tatsachen schaffen" nennt man das.
Der Anti-Abriss-Initiative, die das einstige DDR-Kulturzentrum in den vergangenen drei Jahren mit Kunst gefüllt hat, ist es trotz vieler Anstrengungen nicht gelungen, die gesellschaftliche Debatte über Sinn und Unsinn eines Abrisses neu zu entfachen. Gegen die landläufige Missachtung der Architektur der 60er und 70er Jahre zugunsten einer Lust an der gemütvollen historischen Rekonstruktion kamen die Berliner Künstler nicht an.
Aber noch sind die Abriss-Gegner optimistisch: Schon oft wurde der Palast der Republik tot gesagt - klein gekriegt hat den Koloss bislang noch keiner.
Deufelhard: "Vielleicht gibt’s ja noch den Dreh, vielleicht wachen sie ja noch auf. Aber wenn hier abgerissen wird, bin ich auch gespannt, was noch passieren wird. Ich meine, da ist noch jede Menge Musik drin."