Die arabische Welt aus Frauensicht

Moderation: Liane von Billerbeck |
Mit den Menschenrechten für Frauen ist es in einigen arabischen Ländern nicht gerade zum Besten bestellt. Selbst wenn die Rechte der Frauen verbessert wurden, so kollidieren sie häufig mit Traditionen und Stammesinteressen. Im Jemen haben sich jetzt Frauen aus 21 arabischen Staaten auf einer Konferenz getroffen. Unter dem Motto "From Words to Deeds" - "Von Worten zu Taten" ging es unter anderem um die Frage, ob man den Koran auch "modern" auslegen kann.
Liane von Billerbeck: Was also kann eine solche Konferenz bewirken, dazu die Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur, die die Konferenz besucht hat. Eine arabische Frauenkonferenz im Jemen: Warum jetzt und warum gerade dort?

Katajun Amirpur: Es ist relativ erstaunlich, dass eine solche Initiative von solch einem kleinen Staat kommt. Flächenmäßig ist er zwar nicht so klein, aber es ist nicht gerade der Staat, den man mit dem Wort "Arabische Welt" assoziiert. Aber tatsächlich ist es so, dass sehr viele Initiativen aus dem Jemen kommen und sich der Jemen vorgenommen hat, wir sind Brückenbauer und Protagonisten auf dem Weg in die Demokratie. Deswegen kommen auch innerhalb der arabischen Liga relativ viele Initiativen aus dem Jemen. Das war nun eine von denen. Sie haben eine sehr toughe und tatkräftige Menschenrechtsministerin, und von dieser Frau ging diese Initiative aus.

Von Billerbeck: Ist der Zeitpunkt Ihrer Meinung nach richtig gewählt?

Amirpur: Es ist ein Stück weit das Gegenprogramm von dem, was die Amerikaner im Nahen Osten tun wollen. Sie sagen, wir brauchen Demokratie im Nahen Osten, weil es dann weniger Selbstmordattentäter geben würde. Das machen wir aber mit etwas martialischen Methoden, in dem wir nämlich Kriege führen. Sehr viele der Think Tanks der arabischen Welt gehen hin und sagen, 'wir versuchen es auf dem etwas langsameren Weg, nämlich, indem wir solche Konferenzen, solche Austauschforen initiieren und sind aber mit den Amerikanern im Prinzip einig, dass es irgendwann einmal Demokratie geben müsste im Nahen Osten.

Von Billerbeck: Nun sind Fraueninteressen bekanntlich nicht gleich Fraueninteressen. Was einte denn die Araberinnen auf der Konferenz?

Amirpur: Das hab ich mich auch eine Zeitlang gefragt. Es gab schwarze Frauen aus Mauretanien, die sehr bunt gekleidet waren, tief verschleiert, aber oftmals den Arm nicht bedeckt. Dann hatten sie Jemenitinnen: Sie sind so schwarz verhüllt, dass man nur die Augen sieht. Mit ist es erst wieder aufgefallen, als ich in Frankfurt war, wie schwierig es ist, mit ihnen Kontakt aufzunehmen, weil das normalerweise über ein Lächeln passiert. Aber natürlich können diese Frauen nicht lächeln, weil das alles tief bedeckt ist. Dann hatten sie Libanesinnen im Minirock, die vollkommen geschminkt und gestylt waren. Und man fragt sich die ganze Zeit: Was verbindet diese Leute? Also nicht nur vom Erscheinungsbild her, sondern weil sie unter völlig unterschiedlichen Rechtssystemen. Die Jemenitinnen haben wahnsinnige Probleme im Bereich des Rechts, ebenso wie die Frauen in Saudi-Arabien. In Tunesien und im Libanon sieht das alles völlig anders aus.

Ich hab irgendwann eine Professorin für Rechtgefragt, die aus Tunesien kam. Sie sagte, was mich eint mit einer Frau aus Mauretanien, das ist, das ist mir erst aufgefallen, als ich das erste Mal nach Europa gefahren bin. Ich dachte immer, ich sei Tunesierin und war da sehr nationalistisch eingestellt. Aber als ich das erste mal in Frankreich war, wurde mir gesagt, du bist Araberin. Mit dieser arabischen Identität hatte ich vorher nichts zu tun, aber es wird uns von außen so sehr angetragen, dass wir dann irgendwann alle diese arabische Solidarität entwickeln […]

Von Billerbeck: Welche Themen wurden denn nun konkret diskutiert?

Amirpur: Es gab drei Workshops. In dem einen wurde diskutiert "Frauen und Recht", was natürlich ein sehr großes Thema ist, weil sich sehr viele arabische Staaten immer noch auf den Koran beziehen und dort wird eigentlich eine rechtliche Ungleichstellung von Mann und Frau zementiert. So erbt beispielsweise die Tochter nur halb so viel wie der Sohn. Frauen können sich nur sehr, sehr schwer scheiden lassen. Es gibt bestimmte Berufe, die sie nicht ausüben dürfen, und dabei bezieht man sich auch auf den Koran. Das wurde diskutiert, wie man hingehen kann und den Koran modern auslegen kann. Es sind nicht gerade bahnbrechende Fortentwicklungen, die man dort zu hören bekam, aber es wurde zumindest diskutiert.

Beispielsweise ging man hin und sagte, man muss eben den Koran nach 1400 Jahren anders auslegen. Man muss hingehen und den Geist der Gesetze betrachten und nicht das, was wirklich im Wortlaut drin steht. Das ist das, was die progressivsten Denker der islamischen Welt formulieren. Aber dass das auch so auf einer Frauenkonferenz in einem recht kleinen Land wie dem Jemen, diskutiert wird, das ist ein Meilenstein.

Dann wurde diskutiert, wie sieht es aus mit Frauen und politischer Partizipation. Am Ende der Konferenz ist dann eine Frau aufgestanden und hat gesagt, ich kandidiere hiermit für die Präsidentschaftswahlen im Jemen im nächsten Jahr. Wahrscheinlich wird sie niemand wählen, weil immer noch alle denken, Frauen können das nicht, aber es ist einfach ein Meilenstein, dass eine Frau nach einer solchen Konferenz sagt, ich gebe jetzt meine Kandidatur bekannt. [...]

Das komplette Interview mit der Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur können Sie bis zu acht Wochen nach der Sendung in unserem Audio-On-Demand-Player hören.