Die antisemitische Handschrift des Vichy-Regimes

Von Ursula Welter · 30.01.2013
<papaya:link href="http://www.memorialdelashoah.org/b_content/getContentFromNumLinkAction.do?itemId=1412&type=1" text="" title="" target="_self" />In der Shoah-Gedenkstätte in Paris wird in einer Ausstellung an die Mechanismen erinnert, mit denen französische Juden zunächst ausgegrenzt, später enteignet und dann direkt verfolgt wurden.
"Eines der großen Ziele dieser Ausstellung ist es zu zeigen, wie einfache Verwaltungsstrukturen vom Bürgermeisteramt, über die Präfektur bis hin die Ministerialstuben, die antisemitische Politik umgesetzt haben."

Tal Bruttmann hat als Historiker die wissenschaftliche Forschung zum Thema in Grenoble geleitet, dort auch eine Ausstellung gezeigt, diese in Paris nun sei umfassender und komplett neu zusammengestellt.

Im Obergeschoss der "Shoah-Gedenkstätte" im Pariser Stadtteil Marais wird der Besucher zunächst mit einer Wand konfrontiert, prall gefüllt mit Anzeigen. Villa, Appartement, Ladenlokal, zu verkaufen, zur Versteigerung frei gegeben … Es brauchte diese öffentlichen Anschläge, sagt Tal Bruttmann, die breite Bevölkerung … denn es galt, dass Objekte in jüdischem Besitz verdorben seien und durch die Übernahme "arisiert" würden.

"Plakate, mit denen der Besitz angeboten wurde, fanden sich ab 1941 über ganz Frankreich verteilt, in allen Departements."

Anzeigen, die sich an den Hauswänden fanden, aber auch in Kleinanzeigen, in allen Zeitungen, in breiter Öffentlichkeit.

"Das war also keine Politik in den vier Wänden eines Büros."

Die Ausstellung zeigt Fotos, die entsprechenden Anschläge, aber auch die Verwaltungsdokumente, mit denen kleine Geschäfte für nutzlos erklärt und geschlossen wurden. Der Zugang für Juden zu öffentlichen Funktionen wird bereits 1940 untersagt, es folgen Vorgaben für die Kennzeichnung jüdischer Geschäfte, Bars und Einrichtungen aller Art. Bemerkenswert sei, wie rasch die Enteignungen vonstatten gegangen seien:

"Das waren aus Verwaltungssicht ja neue Vorgänge, im Sommer '41 in Gang gesetzt, Ende '43 besitzt kein Jude mehr, was er zuvor besaß."

Die Arisierung fußte auf Gesetzen, und mit diesen Abläufen befasst sich die Ausstellung – das Kapitel Kunstraub wird daher ausgespart. Es geht um das Klein, Klein eines Verwaltungsapparates, darum, wie rasch Rathäuser, Präfekturen, Steuerbehörden die antijüdische Politik umsetzen, und weniger um die Arbeit des "Generalkonsulats für jüdische Fragen", das im März 1941 in Frankreich gegründet worden war.

"Sie sehen hier vor allem die Vorbereitungsdokumente für das Judenstatut, das Marschall Pétain bereits 1940 unterzeichnet hat."

Seit zwei Jahren ist das Original im Besitz des "Mémorial de la Shoah" in Paris; mit der aktuellen Ausstellung wird der Verwaltungsvorgang zum ersten Mal der Öffentlichkeit gezeigt. Vichy folgt den Vorgaben der Nazis nicht nur, es pflegt eine eigene antisemitische Handschrift.

Listen, Schriftwechsel, Bilder, aber auch Audio-Dokumente zeichnen die Arbeit der französischen Verwaltung zur "Beraubung der Juden", so der Titel der Ausstellung, nach.

Die Enteignung, sagt Historiker Bruttmann, habe auch in Frankreich den Boden für die Vernichtung bereitet:

"Die gesammelten Daten wurden später dazu genutzt, hier sehen Sie etwa die Liste des Departement Isère, anhand derer die ersten Verhaftungen 1942 organisiert wurden."

Es folgte für 76.000 Juden in Frankreich die Deportation in die Vernichtungslager der Nazis.


Service:
Die Ausstellung La spoliation des Juifs ist bis zum 29. September im Mémorial de la Shoah in Paris zu sehen.

Mehr zum Thema finden Sie bei dradio.de:

Die Enteigung der französischen Juden
Eine Ausstellung im Holocaust-Museum in Paris lenkt den Blick auf konkrete Einzelfälle

Vorzimmer zur Hölle
Das französische Durchgangslager Drancy wird Erinnerungsstätte

Kalenderblatt
Glühender Hitler-Verehrer in Vichy
Mehr zum Thema