Die Angst vor dem Unbekannten

01.07.2009
Die Eröffnung einer Moschee ist häufig von Protesten begleitet. Die Wissenschaftler Bärbel Beinhauer-Köhler und Claus Leggewie führen den Widerstand auf Unkenntnis zurück - denn kaum jemand weiß, wie das Innenleben einer muslimischen Gemeinde aussieht. Mit ihrem neuen Buch "Moscheen in Deutschland" wollen sie Vorurteile abbauen.
Berlin, Oktober 2008: Im Stadtteil Heinersdorf wird die erste Moschee Ostdeutschlands feierlich eröffnet. Der Gemeindevorsitzende dankt in seiner Rede der Bundesregierung und allen beteiligten Menschen, die den Bau des Gotteshauses ermöglicht haben. Zur gleichen Zeit finden unweit der Moschee zwei Demonstrationen statt. An der einen beteiligen sich Menschen aus dem Stadtteil, die sich seit mehreren Jahren gegen den Moscheebau wenden. Die andere Demonstration richtet sich gegen diese Proteste und fordert zur Solidarität mit der Moschee-Gemeinde auf. Der Gießener Politikwissenschaftler Claus Leggewie beschreibt in dem jüngst erschienenen und von ihm mitverfassten Buch "Moscheen in Deutschland" diesen Konflikt als symptomatisch:

"Auf die islamische Präsenz reagieren nicht nur christliche Kulturkämpfer nervös, die sich einer unerwünschten Missionierung ausgesetzt sehen; pikiert ist auch der säkulare Teil der Gesellschaft, der angesichts dieser in Stein gehauenen Demonstration von Glaubensstärke eine Art Phantomschmerz über seine verblichene Glaubensfähigkeit verspürt. Hinzu kommt ein islamkritischer Feminismus, dem ironischerweise sogar christliche Paschas frönen. Aus diesen heterogenen Quellen nährt sich eine politische Mobilisierung im 'Bauch' der Gesellschaft, die andere Themen nicht entfernt erreichen - 'der Islam' ist einer der größten Aufreger überhaupt."

Das "Kreuz" mit der Moschee - das ist das Thema des Buches "Moscheen in Deutschland", das Leggewie zusammen mit der Frankfurter Religionswissenschaftlerin Bärbel Beinhauer-Köhler nun veröffentlicht hat. Denn durch die Moscheebauten manifestieren Muslime ihre Präsenz in Deutschland, so die Einschätzung der Autoren. Für viele Nichtmuslime seien sie dagegen ein Bollwerk der Islamisierung. Leggewie und Beinhauer-Köhler möchten diese Konflikte transparent machen sowie Auswege und Lösungsvorschläge darlegen. Oft seien die Konflikte durch ein Urgefühl der Angst vor dem Unbekannten und Fremden bei der nichtmuslimischen Mehrheitsgesellschaft geprägt, so die Einschätzung der beiden Wissenschaftler. Dieses Gefühl habe seine Grundlage vor allem in der Unkenntnis über die Funktionen einer Moschee sowie deren innere Vorgänge.

Im ersten Teil des Buches informiert Bärbel Beinhauer-Köhler den Leser zunächst über die historische Präsenz des Islam in Deutschland und erinnert ihn daran, dass diese nicht erst mit dem Eintreffen der ersten Gastarbeiter begonnen hat. Danach vermittelt sie einen kenntnisreichen Blick in das Innenleben einer Moscheegemeinde, der in dieser detaillierten und fundierten Form in der hiesigen Literatur über den Islam seinesgleichen sucht. Sie macht Vorgänge transparent, die für Außenstehende schwer einsehbar und deshalb mit hohem Erkenntnisgewinn verbunden sind:

"Das Freitagsgebet ist auch in Deutschland der Anlass, zu dem sich die meisten Personen in den Moscheen einfinden. Soweit es der Arbeitsplatz irgendwie zulässt, versuchen die Männer, ihrer religiösen Pflicht nachzukommen. (…) Klappt es zeitlich nicht schon zur mittäglichen Predigt, so treffen viele Familien am Freitagnachmittag in den Moscheen ein. Hier werden die Räumlichkeiten zu Schauplätzen familiärer Zusammenkünfte und anderer sozialer Ereignisse. In den angeschlossenen Küchen kochen die Frauen, überall wird geplaudert und gegessen, Kinder laufen zwischen Frauen- und Männerbereich hin und her und spielen. Das Geschehen am Freitag dehnt sich Richtung Wochenende aus, wenn sich Zeit für Koranschule, Religionskurse für Erwachsene, die anstehenden Pflichtgebete und nicht zuletzt reichlich Gelegenheit für geselliges Beisammensein findet."

Dem Leser wird diese für ihn unbekannte Welt nähergebracht, und er erkennt, dass sie sich in der Spiritualität und im Miteinander der Gemeindeglieder nicht wesentlich von der einer Kirchengemeinde unterscheidet. Damit legt die Autorin den Grundstein für eine größere Akzeptanz der Moscheebauten. Leggewie nimmt sich im dann folgenden Kapitel der Konflikte um die Moscheebauten an und versucht, Lösungen aufzuzeigen. Er weist auf die zunächst immer gleiche Reaktion hin, die sich einstellt, wenn eine Moschee gebaut werden soll:

"Was unterscheidet Moscheekonflikte soziologisch gesehen von den üblichen Nachbarschaftskonflikten, die überall dort auszubrechen pflegen, wo in einem Wohngebiet größere Zweckbauten entstehen, die zuerst Baulärm und dann Verkehr, Parkplatznot und andere Erschwernisse nach sich ziehen? Dagegen wird meist das bekannte Sankt-Florians-Prinzip zur Geltung gebracht: Natürlich hat keiner etwas dagegen, dass ein Supermarkt oder eine Sporthalle gebaut wird, aber nicht ausgerechnet in der eigenen Nachbarschaft."

Ein wohltuender Aspekt des Buches ist die Tatsache, dass Leggewie in seiner Darstellung nicht nur die Fehler der nichtmuslimischen Beteiligten darstellt, sondern auch die Fehler der Erbauer aufzeigt. Er macht klar: Nur wenn alle Beteiligten - namentlich Moscheevereine, andere Religionsgemeinschaften, Stadtverwaltungen, Parteien und Volksvertreter sowie die lokalen Medien - im Vorfeld Berührung aufnehmen und das Projekt gemeinsam angehen, kann es erfolgreich umgesetzt werden.

Einzige Schwierigkeit in diesem ansonsten sehr interessanten und aufschlussreichen Teil des Buches ist der steife soziologische Duktus, in dem der Autor seine Ausführungen vorträgt. Enttäuschend auch, dass er bei der Aufführung konstruktiv ausgetragener Konflikte den Bau der Moschee in Duisburg-Marxloh nur am Rande erwähnt. Dabei ist dieser Bau durch seinen nahezu reibungslosen Ablauf und die vorbildliche Zusammenarbeit aller Beteiligten geradezu zu einem Musterbeispiel für einen erfolgreich gelösten Konflikt geworden. Denn auch in Duisburg standen zunächst die Bedenken der mehrheitlich nichtmuslimischen Bevölkerung im Stadtteil gegen einen Moscheebau im Raum. Stattdessen greift er auf das weniger prominente Beispiel des Moscheebaus im südhessischen Mörfelden-Waldorf zurück.

Leggewie belässt es nicht nur bei der Analyse der Beispiele, sondern möchte auch praktische Hilfen vermitteln. Daher stellt er im letzten Teil des Buches Empfehlungen für die Umsetzung von Moscheebauten vor. Das Fazit des Buches lautet: Konfliktfreie Bauten sind selten. Steht die Moschee aber einmal, verstummen die Proteste und die Moschee wird schnell zur Normalität. Manche werden sogar zu Sehenswürdigkeiten in ihren Städten. Doch Leggewie macht dem Leser abschließend auch bewusst, dass weitere Konflikte kommen werden. Immer mehr Moscheen in Deutschland sollen gebaut werden. Um die Konflikte zu entschärfen, kann das Buch "Moscheen in Deutschland" einen wichtigen Teil beitragen.

Besprochen von Abdul-Ahmad Rashid

Bärbel Beinhauer-Köhler, Claus Leggewie: "Moscheen in Deutschland - Religiöse Heimat und gesellschaftliche Herausforderung"
Verlag C.H. Beck, München 2009
239 Seiten, 12,95 Euro