Die Anfänge von Raum und Zeit

16.03.2008
Weiter hinaus in den Raum geht es nicht. Weiter zurück in der Zeit auch nicht. Igor und Grichka Bogdanov nähern sich in ihrem Buch "Reise zur Stunde Null" den absoluten Anfängen von Raum und Zeit. Für den allerersten Moment des Kosmos, für die ersten 10 hoch minus 43 Sekunden, gibt bis heute keinerlei physikalische Theorie – das entspricht 0,0000... und nach 42 Nullen kommt endlich die 1. An dieser "Planck'schen Mauer" zerschellt alle Wissenschaft. Die Welt war damals vielleicht ein bizarrer Quantenschaum, in dem es weder Raum noch Zeit gab.
Doch bevor man "die Ursprünge des Universums" - so der Untertitel des Werkes – erreicht, reisen die Autoren im ersten Teil des Buches durch den nahen und fernen Kosmos: Zu den Planeten, in die Milchstraße, vorbei an Roten Riesensternen und winzigen Pulsaren. Die unvermeidlichen Schwarzen Löcher dürfen ebenso wenig fehlen wie wilde Spekulationen über das Leben auf anderen Planeten. Spektakuläre Fotografien von weiten Marslandschaften und kollidierenden Galaxien stehen neben künstlerischen Darstellungen von brodelnden Venus-Vulkanen und mondhellen Nächten auf dem Neptun. Leider wird oftmals in den Bildunterschriften nicht klar genannt, was echtes Foto ist und was Fantasie. Das ist einerseits schon fast unseriös, auf der anderen Seite aber auch genial.

Nach diesem eher sanften Einstieg folgt die Zeitreise zurück zum Urknall. Sie beginnt mit der Geschichte der Erde und der Entwicklung des Lebens bei uns. Dann geht es zurück ins Jahr 380000 nach dem Urknall. Damals ist der Kosmos durchsichtig geworden. Alles, was davor passierte, ist für Astronomen selbst mit den besten Teleskopen nicht zu beobachten. Denn der Weltraum war ein einziger Brei aus Licht und Materie. Schließlich erreichen die Autoren die ersten drei Minuten, in denen sich die meiste Materie gebildet hat. Sie eilen weiter hinein in die erste Sekunde des Universums bis zu den allerersten Momenten unserer Welt, die über Wohl und Wehe unseres Kosmos entschieden haben und über die dennoch nichts bekannt ist.

Für Forscher wie Igor und Grichka Bogdanov, die Autoren dieses Buches, bleibt also viel zu tun. Der eine der beiden Zwillingsbrüder ist Mathematiker, der andere ist theoretischer Physiker. In Frankreich sind sie vor allem als Moderatoren einer TV-Wissenschaftssendung und als Buchautoren bekannt geworden. Forschungsartikel publizieren sie allerdings kaum noch. Beide haben viel Erfahrung im Vermitteln von wissenschaftlichen Zusammenhängen. Der erste Teil des Buches ist auch für Laien leicht verständlich. Dagegen wimmelt es bei der Schilderung der ersten Momente des Kosmos von zahlreichen Fachausdrücken.

Da nützt es auch nichts, dass die Autoren versuchen, ein Instanton oder einen KMS-Zustand mit Computergrafiken zu illustrieren. Die Mehrzahl der 150 Abbildungen im Buch sind keine echten Fotos, sondern im Computer erzeugte künstlerische Darstellungen. Sind schon Fantasie-Bilder von fremden Planeten oder Schwarzen Löchern weit von der Wirklichkeit entfernt, so sind die Abbildungen der ersten Momente unseres Universums pure Spekulation. Doch sie regen durchaus die Fantasie an und ermöglichen so einen Zugang zu völlig unbekannten und auch unverständlichen Welten. Beim Lesen und Betrachten dieses opulenten Werkes muss man sich immer klarmachen, dass viele Bilder etwas zeigen, was nicht zu zeigen ist. Aber vielleicht macht gerade das dieses Buch so reizvoll.

Rezensiert von Dirk Lorenzen

Reise zur Stunde Null
Die Ursprünge des Universums

von Igor und Grichka Bogdanov
Übersetzt von Julian Löffler und Nikola Kolig
Theiss 2008,
185 Seiten, ISBN 9783806221442 , Preis 34,90 €