Darüber diskutieren:
Sven Giegold, MdE Bündnis 90/ Die Grünen, Teammitglied bei den Koalitionsverhandlungen
Christian Johann, Direktor der Denkfabrik "Europäische Akademie Berlin“
Hélène Kohl, französische Deutschland-Korrespondentin
Péter Balázs, ehemaliger ungarischer EU-Kommissar und ehemaliger Botschafter in Brüssel und in Berlin
Die Sendung ist in Zusammenarbeit mit der Europäischen Akademie Berlin entstanden.
Die Ampelkoalition und die EU
Das neue Gesicht der Ampel in Sachen Außenpolitik. © imago / Chris Emil Janßen
"Europa ins Genom gebacken"
Die Ampelkoalitionäre haben ambitionierte Pläne für die europäische Integration: von einer echten gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik über ein gemeinsames Asylsystem letztlich hin zu einem Bundestaat. Sind die Pläne realitätstauglich?
Das Wort Europa taucht 74 Mal im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP auf. Die Europapolitik zieht sich durch alle Kapitel. Selbst vor dem F-Wort, der Weiterentwicklung der EU zu einem föderalen Bundesstaat, scheuen sie nicht zurück.
Die laufende Bürgerbeteiligung für Reformen der Union über die Konferenzen zur Zukunft Europas wollen die künftig in Berlin Regierenden nicht nur unterstützen. Sie wollen erreichen, heißt es im Koalitionsvertrag, dass die Konferenz in einen "verfassungsgebenden Konvent" mündet, der zur "Weiterentwicklung zu einem föderalen Europäischen Bundesstaat" führen soll. Europa ist bei den Ampelkoalitionären gewissermaßen "ins Genom gebacken", analysiert Christian Johann, Direktor der Europäischen Akademie Berlin.
Was erwartet man von Berlin?
Diese wie andere Pläne dürften nicht in allen Hauptstädten auf Gegenliebe stoßen. Gerade in osteuropäischen Ländern ist man gegenwärtig alles andere als an einer weiteren Vertiefung der Zusammenarbeit in der EU interessiert.
Auch die rot-grün-gelben Pläne, das Prinzip der Einstimmigkeit etwa bei der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik weitestgehend abzuschaffen, dürfte auf Widerstand stoßen. Ebenso ist kaum Zustimmung von den osteuropäischen Regierenden zu erwarten, wenn die Neuen in Berlin sich vornehmen, für eine "striktere Anwendung der Instrumente zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit" zu sorgen.
Vor allem in Warschau und in Budapest müsste man dann mit einer härteren Gangart durch Brüssel rechnen. Denn sie rütteln aus Sicht vieler in der EU an den Grundfesten der Demokratie.
Die EU vom Rockzipfel der USA lösen?
Bei den Partnern in Frankreich sieht man sicher wohlwollend, dass der Begriff der "strategischen Souveränität" Europas Einzug in das Koalitionspapier gefunden hat. Der französische Präsident Emmanuel Macron pocht schon länger darauf, dass die EU bei der Bewältigung der großen Herausforderungen unserer Zeit unabhängiger von den USA werden muss. Das gilt für den Klimawandel und die Digitalisierung genauso wie für Sicherheit und Verteidigung.
Welche Erwartungen haben die europäischen Nachbarn an Deutschland in der Nach-Merkel-Ära? Und: Was von den ambitionierten Plänen wird sich realistischerweise in den kommenden vier Jahren umsetzen lassen?