Dido: "Still on my mind"

Alles schon mal da gewesen

05:28 Minuten
Die Sängerin Dido lächelt in die Kamera.
Fühlte sich bei der Arbeit am neuen Album von allen Zwängen befreit: die britische Sängerin Dido. © BMG / Simon Emmett
Von Andreas Zimmer · 07.03.2019
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"White Flag", "Here with me", "Life for rent": Drei Songs von Dido, die inzwischen Welthits sind. Nun hat die 47-Jährige mit "Still on my mind" nach längerer Pause ein neues Album herausgebracht - das sehr vertraut klingt.
Eigentlich hat Dido schon immer lange Pausen zwischen fast allen ihren Alben eingelegt. So müssten die sechs Jahre, die es bis zur neuen Platte "Still on my mind" gedauert hat, nicht weiter verwundern. Doch diesmal war alles ganz anders. Die heute 47-Jährige hat erst spät, vor sieben Jahren, ihr erstes Kind bekommen und wollte sich dem Sohn ganz und gar widmen.
Außerdem: "Ich bin da ganz ehrlich: Nachdem ich meinen Sohn bekommen habe, waren alle Songs, die ich danach schrieb, einfach nicht wirklich gut. In jedem Stück, das ich bis dahin komponiert hatte, gab es eine Art inneren Konflikt, es gab Lügen, Dunkelheit. Nachdem mein Sohn da war, gab es für mich nur noch ein Gefühl: pure Liebe."

"Ich wollte etwas wirklich Einfaches machen"

Erst nachdem sie ihr Mutterglück erfolgreich in einem Song verarbeitet hatte, fühlte sie sich wieder bereit, mehr zu schreiben. Zur Not eben auch Songs ohne Reibungsfläche. Wohlklang war ja auch schon immer ihre Stärke. Und apropos Fläche: Auf "Still On My Mind" lässt Dido den Stücken Luft zum Atmen und pflastert nicht alles mit Soundflächen zu. Das ist angesichts des Produzentenpop im Radio - und das Radio hat sie ja nun mal groß gemacht - mutig. Und es ist gelungen.
Didos Bruder ist Rollo Armstrong, der als Mastermind von Faithless gilt. In der Band war Dido vor ihrem Durchbruch Background-Sängerin. Schon beim ersten Soloalbum war ihr Bruder der Mann an den Reglern und hat auch an den Songs mitgeschrieben. Das ist jetzt immer noch so. Wobei ein ganz neuer Aspekt eine wichtige Rolle spielte: Dido wollte ausschließlich mit ihrem Bruder arbeiten. Ohne ihn hätte es das aktuelle Album nicht gegeben.

"Ich dachte, schau mal, du könntest mit diesem oder jenem ins Studio gehen. Klar, das wäre schon irgendwie lustig geworden. Aber eigentlich ist und war die einzige Person, mit der ich wirklich zusammenarbeiten wollte, mein Bruder. Und hätte er keine Zeit dafür gehabt, wäre es für mich auch OK gewesen, gar kein Album zu machen.

Von allen Zwängen befreit

Kein Wunder also, dass "Still on my mind" so vertraut klingt. Alles ist irgendwie schon mal dagewesen. Sogar Faithless-Sängerin Sister Bliss rundet das akustische Bild ab. Die Songs bauen auf altbekannten Dance-Musik-Formeln der frühen Nullerjahre auf. Aber: Es gibt insgesamt nur ganz wenige Beats zu hören, was das Ganze dann doch zu etwas Besonderem macht.
Dido fühlte sich bei der Arbeit an "Still on my mind" von allen Zwängen befreit, nicht zuletzt deshalb, weil sie gar keinen Plattenvertrag hatte. Dementsprechend gab es auch niemandem vom Label, der reinreden wollten. Große Teile des Albums sind in Didos Wohnzimmer entstanden. Ein Familienalbum im wahrsten Sinne des Wortes: Denn es war schwer, den Sohnemann fern- beziehungsweise ruhig zu halten. Alle Songs mussten daher seine Qualitätskontrolle überstehen.
"Mein Sohn liebt die Musik so sehr und war beim ganzen Entstehungsprozess dabei. Wie alle Kinder sagt er einfach geradeheraus genau das, was er denkt, ohne Vorbehalte. Er hat einen guten Instinkt und denkt nicht zu viel über alles nach. Er würde nie sagen: Ach, mach doch mal da einen Beat drauf, das könnte ein Hit werden. Wenn er nach 30 Sekunden nicht auf ein Stück reagiert, ist es wahrscheinlich nicht gut genug."

Neue, warme Tonfrequenzen

Didos Stimme gewinnt durch die Mutterschaft ein paar warme und volle Frequenzen in den tiefen Tonlagen hinzu. Man fühlt sich von der Musik förmlich in den Arm genommen und geborgen. Frei nach dem Motto: Keine Angst, Mama Dido ist für dich da.

Dennoch ist ihre Mutterschaft nur ein Teilaspekt des Albums. Wiegenlieder muss man nicht befürchten. All das, was Dido früher schon beschäftigt hat – Liebe, Liebeskummer –, klingt zumindest an. An die aktuelle Politisierung der Popmusik schließt sie aber nicht an. Und so erklärt sich auch der Albumtitel "Still On My Mind" als Blick zurück:

"Ich wollte das Album so nennen, weil ich dieses bestimmte Gefühl für die Leute hatte, die meine Musik hören. Ungefähr so: "Ich denke immer noch an Euch und auch an die Musik. Ihr seid immer in meinem Kopf." Ich komme davon nicht los und möchte das auch gar nicht. Ich hatte auch gar nicht vor, davor wegzulaufen, es ist einfach so passiert. Aber ich werde immer weiter machen."
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