Dichterfürst der Dunkelheit

Von Holger Teschke · 19.01.2009
Seine Gedichte und Kurzgeschichten über geisterhafte Widergänger in gespenstischen Schattenreichen haben die Fantasie von Generationen von Malern, Komponisten und Regisseuren angeregt: Der vor zweihundert Jahren geborene Edgar Allan Poe. Das Leben dieses gefeierten und angefeindeten Schriftstellers wurde nach seinem frühen Tod von zahlreichen Legenden überschattet, die Poe selber zum Mythos machten.
"Wenn ich tausend Jahre alt würde, könnte ich nie die Todesangst vergessen, die sich auf seinem eben noch so triumphierenden, nun geisterhaft verzerrtem Gesicht widerspiegelte."

Edgar Allan Poe wird am 19. Januar 1809 als Sohn reisender Schauspieler in Boston geboren. Sein Vater verlässt die Familie kurz nach der Geburt, seine Mutter Elizabeth stirbt, als er gerade zwei Jahre alt ist. Der kleine Edgar kommt zur Pflege in das Haus des Kaufmanns John Allan.

Ab 1826 besucht der junge Poe die Universität von Virginia, wo er sich dem Studium der klassischen Sprachen ebenso begeistert hingibt, wie dem Glücksspiel. Da sein Pflegevater sich weigert, die Spielschulden zu bezahlen, verlässt Poe 1827 die Universität und tritt im Mai des gleichen Jahres unter falschem Namen in die Armee ein.

Im Februar 1829 stirbt seine Pflegemutter Frances Allan. Der Tod einer jungen, schönen Frau und ihre Wiederkehr aus dem Grab wird sich von den ersten Gedichten bis zu den späten Erzählungen durch Poes Werk ziehen.

"Geister der Toten

Sei nur still in deiner Einsamkeit
Du bist so einsam nicht
Geister der Toten, die zur Zeit
Des Lebens sahen dir ins Angesicht
Sind auch im Tod um dich und ihr Gesicht
Ist deinem nah. Still! Und beweg dich nicht."

Nach zwei Jahren an der Militärakademie von West Point und kurzen Anstellungen als Kritiker und Redakteur in Richmond heiratet Poe 1836 seine dreizehnjährige Cousine Virginia. Um sich endlich von den drückenden Schulden zu befreien, beginnt er, seine großen Detektiv- und Horrorgeschichten zu schreiben - Die Morde in der Rue Morgue, Der Untergang des Hauses Usher, Die Maske des Roten Todes und Grube und Pendel.

"Entsetzt blieb mein Blick unter der Decke haften. Hilfe! Nein! Dort oben schwang ein großes Pendel. Seine untere Seite war geschliffen und glitzerte im Licht der Fackel wie ein Rasiermesser. Dann begann es langsam und kaum merklich nach unten zu sinken."

Poe versteht es meisterhaft, die Schattenreiche zwischen Leben und Tod zu den Schauplätzen seiner Geschichten zu machen. Seine Erzählungen erscheinen in den führenden Literaturzeitschriften der Vereinigten Staaten und finden eine begeistert schauderne Leserschaft. 1841 wird er Chefredakteur des angesehenen "Graham‘s Magazine" in Philadelphia. Doch sein Glück währt nicht lange. Im Januar 1842 erleidet Virginia bei einem Gesangsabend einen Blutsturz. Während er die Sterbende pflegt, schreibt Poe das Gedicht Der Rabe über einen unheimlichen nächtlichen Besuch, in dem er den Tod seiner jungen Frau vorwegnimmt.

""Once upon a midnight dreary, as I pondered weak and weary,
Over many a quaint an curious volume of forgotten lore-
While I nodded, nearly napping, suddenly there came a tapping,
As of someone gently rapping, rapping at my chamber door.
Tis some visitor, I muttered, tapping at my chamber door-
Only this and nothing more.”"

Verzweifelt sucht Poe Halt in einer neuen Beziehung. Aber noch bevor er seine Jugendliebe Sarah Elmira Royster heiraten kann, wird er auf den Straßen von Baltimore im Delirium aufgefunden und in das Washington Hospital gebracht. Ohne sein volles Bewusstsein wiedererlangt zu haben, stirbt Edgar Allan Poe am 7. Oktober 1849.

Seine Schauer- und Detektivgeschichten sind Klassiker der Weltliteratur, die noch heute in Filmen, Theaterstücken und Opern adaptiert werden. Und an jedem 19. Januar hinterlässt ein Unbekannter auf Poes Grab in Baltimore eine halbe Flasche Cognac und drei rote Rosen.

""These are the stories of Edgar Allan Poe / Not exactly the boy next door.”"

Programmhinweis: Ein Gespräch zum 200. Geburtstag von Edgar Allan Poe mit Tobias O. Meißner, Autor von "Hiobs Spiel", "Das Paradies der Schwerter" oder "Neverwake", hören Sie um 14.07 Uhr im Radiofeuilleton von Deutschlandradio Kultur.