Dichter und ihre Städte

Heinrich Heines Düsseldorf

Heinrich Heine
Undatiertes Portrait des Dichters und Schriftstellers Heinrich Heine (1797-1856) © imago/United Archives International
Von André Hatting · 02.07.2018
1831 kehrt Heinrich Heine dem reaktionären Deutschland den Rücken und geht nach Frankreich. Doch die Liebe zu seiner Heimatstadt Düsseldorf bleibt. Denn hier hat der junge Harry seine "Traumzeit" verbracht, wie er seine Kindheitserinnerungen nennt.
"Die Stadt Düsseldorf ist sehr schön, und wenn man in der Ferne an sie denkt und zufällig dort geboren ist, wird einem wunderlich zumute. Ich bin dort geboren, und es ist mir, als müsste ich gleich nach Hause gehen."
So zärtlich erinnert sich der 30-jährige Heine an seine Heimat. Düsseldorf hat er längst verlassen, "nach Hause" wird er nie mehr gehen. - Heinrich Heine wächst in der Altstadt auf, in einem Hinterhaus der Bolkerstraße 53, unweit des Rheins. Viel Platz zum Spielen gibt es dort nicht. Aber Kinder sind anspruchslos und machen mit ihrer Fantasie aus wenig viel. Heine hat die Spielszenen auf dem Hinterhof später in seinem Buch der Lieder festgehalten:
"Mein Kind, wir waren Kinder,
Zwei Kinder, klein und froh;
Wir krochen in’s Hühnerhäuschen
Und steckten uns unter das Stroh.
Die Kisten auf unserem Hofe,
Die tapezirten wir aus,
Und wohnten drin beisammen
Und machten ein vornehmes Haus."

Tod eines Freundes

Harry Heine, wie ihn sein Vater nennt, erlebt eine glückliche Kindheit. Aber keine ungetrübte. Die Nervenkrankheit, die ihn später so quälen wird, macht sich schon bemerkbar. Heine ist überempfindlich gegen äußere Reize. Lärm zum Beispiel. Etwa das Gekreisch, wenn ihn Schulkameraden wegen seines Namens hänseln: Harry, das klinge doch so, als wenn der Straßenkehrer seinen Gaul rufe: "Haarüh". Außerdem ist Heine Jude und Antisemitismus zu Beginn des 19. Jahrhundert weit verbreitet. Auch im Franziskanerkloster an der Citadellstraße/Ecke Schulstraße, wo Harry Heine von 1807 bis 1814 zur Schule geht. Ganz in der Nähe erlebt er das größte Drama seiner Kindheit. Vor seinen Augen ertrinkt ein Schulfreund. Heine hat diese Szene mit der für ihn typischen Ironie verewigt:
" (...) lustig stieg er hinab auf das Brett, das über dem Bach lag riß das Kätzchen aus dem Wasser, fiel aber selbst hinein, und, als man ihn herauszog, war er naß und tot. Das Kätzchen hat noch lange Zeit gelebt."

Ein prägender Dachbodenfund

Prägend für Heines Entwicklung wird aber – laut Selbstauskunft - ein ganz anderes Erlebnis sein. Es ist eine Art Erweckung. Sie findet auf dem verrümpelten Dachboden von Onkel Simon statt, der "Arche Noä", zwei Hausecken weiter.Hier entdeckt Harry Heine das Tagebuch seines Großonkels Simon van Geldern. Das Leben dieses Weltenbummlers und Freigeistes fasziniert den Jungen so sehr, dass er sich damit identifiziert. Er bezeichnet sich sogar als "Doppelgänger".
Mag sein, dass in Heines eigenen Erinnerungen später oft auch Übertreibung und Verzerrung eine Rolle gespielt haben. Aber die abenteuerlichen Wanderjahre des Erwachsenen Heinrich erinnern tatsächlich verblüffend an das, was der kleine Harry einst über seinen Großonkels gelesen hat - auf einem Dachboden in der Altstadt von Düsseldorf.
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