Dichten gegen den Klimawandel

Von Leonie March · 25.09.2011
Gestern Nacht haben Dichter überall auf der Welt zu sozialem, politischem und ökologischem Wandel aufgerufen. In mehr als 100 Ländern gab es Aktionen mit Poeten und Schriftstellern, mit Hip-Hop-Musikern und Slam-Poetry-Künstlern. Auch in Durban, wo der nächste Weltklimagipfel stattfindet, erhoben Künstler im Rahmen von "100.000 poets for change" ihre Stimmen.
"Listen, listen, listen ..."

Hört zu, hört auf eure innere Stimme – so beginnt Busiswa Gqulu ihren Auftritt. Die 23-Jährige ist bekannt in Durbans lebendiger Poetry-Szene. Vor der Bühne stehen überwiegend junge schwarze Südafrikaner und sie hören der Künstlerin tatsächlich aufmerksam zu. Die Stimme von Dichtern, Schriftstellern und Musikern habe in Südafrika traditionell Gewicht, betont Busiswa Gqulu.

"Während der Apartheid und des Freiheitskampfes spielten diese Künstler eine bedeutende Rolle. Das hat sich bis heute nicht geändert. Wir können noch immer Einfluss nehmen, indem wir zu sozialen Themen Stellung nehmen, wie der großen Kluft zwischen Arm und Reich in unserem Land oder der Ausbreitung von HIV und Aids. Das sind die Probleme, mit denen junge schwarze Südafrikaner wie ich täglich konfrontiert sind und deshalb schreiben wir darüber."

Die jungen Poeten vom Kap sind keine Intellektuellen, die auf Podien vor kulturinteressiertem Publikum ihre Gedichte vortragen. Sie treten auf öffentlichen Plätzen auf, auf Festivals, in den Clubs und Bars der Städte. Sie stammen aus ähnlichen Verhältnissen wie ihre Fangemeinde, sprechen ihre Sprache, spielen mit modernen Formen wie Slam Poetry. Sie knüpfen indirekt aber auch an alte afrikanische Traditionen an, meint Gcina Mhlophe, international renommierte Autorin und Dichterin. Die mündliche Überlieferung prägt die Kultur des Kontinents, die Art der Erzählung, die Performance, war damals so wichtig wie heute.

"Man kann sich natürlich vor eine Gruppe von Menschen stellen, ihnen eine Art Predigt oder Rede halten, ihnen sagen, was zu tun ist und was sie lieber lassen sollten. Doch dann wird Ihnen keiner zuhören. Gerade die jungen Leute schalten schnell ab, beschäftigen sich lieber mit ihren Handys oder gehen einfach weg. Man muss sie also unterhalten, während man seine Botschaft durch ein Gedicht, ein Lied oder einen Tanz vermittelt. Es gibt so viele Wege für uns Künstler an das Bewusstsein unseres Publikums zu appellieren. Dieser Verantwortung müssen wir noch leidenschaftlicher gerecht werden."

Gcina Mhlophe wird in ihrer Heimatstadt Durban von vielen, gerade auch jungen Leuten, wie ein Star verehrt. Wo sie auftaucht, wird sie fotografiert. Afrikanische Dichter und Autoren wie sie übernehmen in ihren Heimatländern eine wichtige gesellschaftliche Funktion, betont Peter Rorvik, Direktor des "Centre for Creative Arts" in Durban und Gründungsmitglied des gerade einmal zwei Monate alten "World Poetry Movement". Er hofft, dass diese neue Bewegung vor allem afrikanischen Künstlern zugute kommt.

"Wir wünschen uns, dass Afrika international stärker vertreten ist. Der Kontinent hat wirklich außergewöhnliche Künstler zu bieten. Sie sind bekannt für ihre dynamischen Auftritte. Darin liegt ihre Stärke: in diesem besonderen, aussagekräftigen Stil der Performance. Ich hoffe, dass sie in Zukunft mehr Gelegenheit haben auf den Bühnen dieser Welt aufzutreten."

Vorrangiges Ziel der neu gegründeten internationalen Poesie-Bewegung ist die Kooperation von Literaturfestivals im weitesten Sinn. Andere Projekte, Organisationen und über eintausend Dichter und Schriftsteller haben sich der Initiative mittlerweile angeschlossen. Das gestrige "100.000 poets for change"-Projekt war die erste gemeinsame Aktion.

"Es war den Künstlern selbst überlassen, wie sie das Thema Wandel angehen. Für uns war klar, dass wir ein ökologisches Motto wählen. Schließlich ist unsere Stadt Gastgeber des Weltklimagipfels Ende November. Ich wünschte mir, dass sich mehr Autoren mit dem Klima- und Umweltschutz auseinandersetzen würden. Sie könnten eine Diskussion zu diesen in der südafrikanischen Gesellschaft noch recht stiefmütterlich behandelten Themen anregen. Wir brauchen die Stimme der Dichter und Künstler."

Doch gerade Nachwuchstalente wie die 23-Jährige Busiswa Gqulu, die ein großes Publikum erreichen, tun sich noch schwer mit diesem Thema. Ihre Generation hat im Alltag mit zu vielen Problemen unmittelbar zu kämpfen: Arbeitsplätze sind rar, das Risiko einer HIV-Infektion groß, die Kriminalität verbreitet. Die Folgen des Klimawandels kümmern kaum jemanden. Vielleicht kann das neu gegründete internationale Netzwerk gerade den Blick junger Künstler über die eigenen Landesgrenzen hinaus weiten und globale Perspektiven eröffnen.