Dialoge im Kaffeehaus

Moderation: Olaf Wilhelmer, Gast: Michael Stegemann |
Von Johann Sebastian Bachs Auftritten im Leipziger Café Zimmermann kennt man heute, fast 300 Jahre danach, nur noch die Eckdaten. Aber man kann annehmen, dass es dort sehr lebhaft zuging – Bach schrieb einige virtuose Werke für diesen besonderen Konzertsaal, darunter seine Konzerte für zwei Klaviere. Heute werden sie selten öffentlich gespielt – dafür umso öfter im Plattenstudio.
Man kann den dickköpfigen Kirchen- und Ratsherren der Stadt Leipzig auf ewig dankbar sein, dass sie Johann Sebastian Bach zeitweise dazu gebracht haben, das Amt als Thomaskantor – mithin den Job als Gottes fünfter Evangelist – zu vernachlässigen und ins Kaffeehaus zu gehen. Dort wartete das einst von Georg Philipp Telemann begründete Collegium Musicum auf den Meister und seine neuesten Kompositionen.

Im Café brachten Bach, seine Söhne, Freunde und Schüler verschiedenste Konzerte zu Gehör, darunter die eigens für diesen Zweck geschriebenen (oder zumindest arrangierten) Konzerte für mehrere Klaviere und Streicher. Sie gehören zu den schönsten weltlichen Ensemble-Werken Bachs; sie sind in ihrer Verbindung von musikantischem Schwung, innigem instrumentalem Gesang und kontrapunktischer Meisterschaft einmalig.

Schon früh haben sich die großen Interpreten der Schallplatten-Ära mit dieser Musik auseinandergesetzt: 1936 spielte Artur Schnabel das C-Dur-Konzert BWV 1061 in London ein und begründete eine Tradition, indem er mit seinem Sohn Karl Ulrich Schnabel ein Familienmitglied ans zweite Klavier setzte. Immer wieder begegnet man in den Interpretationen dieser Konzerte familiären Modellen: so etwa den tastenvirtuosen Ehepaaren Casadesus und Koopman-Mathot sowie den neuerdings als frische und freche Bach-Interpretinnen auffallenden türkischen Zwillingsschwestern Güher und Süher Pekinel. Ob mit Cembalo oder Steinway, ob getragen oder flott, ob romantisch empfunden oder historisch korrekt: Bachs zeitlose Musik kommt in jeder ambitionierten Interpretation zu ihrem Recht.

Gast im Studio ist der Musikwissenschaftler und Publizist Michael Stegemann, der als Biograf von Glenn Gould ein ausgewiesener Experte für die moderne Interpretation barocker Klaviermusik ist.