DGB: Lage auf dem Lehrstellenmarkt weiter angespannt
Nach Einschätzung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) ist trotz der guten Konjunktur die Lage im Bereich der Berufsausbildung noch angespannt. Aufgrund der Altbewerber steige die Zahl der Ausbildungsplatzsuchenden. Gleichzeitig würden immer weniger Unternehmen Lehrstellen bereitstellen, sagte DGB-Bundesjugendsekretär René Rudolf.
Jörg Degenhardt: In der Regel sind es schlechte Nachrichten, die für uns Anlass sind zum Nachfragen. Aber es gibt auch die berühmten positiven Ausnahmen. Dass die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen unter 25 Jahren in Deutschland in den vergangenen 12 Monaten um mehr als ein Viertel auf bundesweit 434.847 zurückgegangen ist, das ist sehr erfreulich. Im Westen des Landes vollzog sich diese Entwicklung besonders rasant. Der Osten konnte da nicht ganz Schritt halten. Wie erklärt sich dieser Aufwärtstrend und was muss getan werden, um ihn auszubauen? Darüber möchte ich sprechen mit René Rudolf, Bundesjugendsekretär im Deutschen Gewerkschaftsbund. Guten Morgen Herr Rudolf!
René Rudolf: Guten Morgen Herr Degenhardt!
Degenhardt: Wie belastbar sind denn die Angaben, die von der Bundesagentur für Arbeit bestätigt wurden? Geben sie wirklich ein reales Bild wieder?
Rudolf: Ich glaube, dass die Zahlen, die die Absenkung der Arbeitslosenquote bei den Jugendlichen betreffen, schon ein zahlenmäßig realistisches Bild wiedergeben und es ist allemal erfreulich, dass wieder mehr Jugendliche in den Job finden. Sicherlich muss man aber an der einen oder anderen Stelle ganz genau hinschauen: woran liegt es eigentlich und wie ist die Perspektive der Jugendlichen, die jetzt auch wieder einen Job gefunden haben.
Degenhardt: Sieht die Statistik nicht auch deswegen so günstig aus, weil es ja durchaus junge Leute gibt, die ganz einfach nicht mehr zur Arbeitsagentur gehen, weil es eh keine Stelle für sie gibt? Ich denke vor allem an die Geringerqualifizierten.
Rudolf: Ich glaube, das gibt es auch. Durch Hartz IV und die Betroffenheit der Jugendlichen selber wird auch das zugenommen haben. Es ist unter anderem aber auch damit zu erklären, dass wir sicherlich durch die Konjunktur, aber auch durch die Saison ein erfreulicheres Bild sehen und erkennen können. Oftmals sind es aber keine Jobs, die eine längerfristige Perspektive bilden, um Ein-Euro-Jobs beispielsweise zu nennen. Wir sehen es immer dann, wenn die Konjunktur wieder nachlässt, und beobachten dann einen überdurchschnittlichen Anstieg der jugendlichen Arbeitslosen im Vergleich zu allen übrigen.
Degenhardt: Andererseits hört man Klagen aus der Wirtschaft, es fehle gerade auch bei den jungen Leuten an Fachkräften.
Rudolf: Das ist genau das Bild, was für uns immer nicht zusammenpasst. Wir machen es sehr oft deutlich auch an der Diskussion um die Ausbildungsplatzsituation hier im Land. Einerseits gibt es die Forderung nach mehr Fachkräften, andererseits immer weniger Bereitschaft der Unternehmen, überhaupt Fachkräfte selber auszubilden.
Degenhardt: Die Ausbildungsplatzsituation hat sich ja, nimmt man die Zahlen, auch erheblich entspannt. Im vergangenen Jahr schlossen 581.600 Jugendliche einen neuen Vertrag im Rahmen des dualen Ausbildungssystems ab. Das waren so viele wie seit 2001 nicht mehr. Kann man da schon von einer allgemeinen Entwarnung sprechen?
Rudolf: Ich würde nicht von einer Entwarnung sprechen. Wir müssen uns die Zahlen genau anschauen. Da sind natürlich die Zahlen zum einen, die die Summe aller abgeschlossenen Ausbildungsverträge darstellen. Zum anderen müssen wir uns aber auch immer die Anzahl der Bewerber und Bewerberinnen ganz genau anschauen und die sind in den letzten Jahren nicht weniger geworden. Im Gegenteil: wir beobachten einen Anstieg der Bewerber- und Bewerberinnenzahlen in den letzten Jahren, die nicht nur dadurch zu begründen sind, dass es mehr Schulabgänger und Schulabgängerinnen gibt, sondern immer mehr, wie wir es nennen, Altbewerber und Altbewerberinnen, die im Vorjahr keine Ausbildungsstelle bekommen haben und sich wieder hinten angestellt haben. Also einerseits zwar mehr Ausbildungsverträge, die abgeschlossen werden, andererseits trotzdem eine größere Lücke zu denen, die überhaupt nichts finden. Insgesamt ist aber zu sagen, dass wir, wenn wir Ost und West zusammen nehmen, also die Bundesrepublik insgesamt anschauen, immer noch nur eine Quote von 23 Prozent der Unternehmen haben, die überhaupt ausbilden beziehungsweise sich an Ausbildungen beteiligen, und das ist schon sehr bedenklich.
Degenhardt: Ich habe es eingangs erwähnt. 434.847 junge Menschen in diesem Land sind offiziell ohne Job. Was kann eigentlich der Deutsche Gewerkschaftsbund für diese jungen Leute tun?
Rudolf: Wir werden natürlich nicht müde, nach wie vor auch zusammen mit den Jugendlichen zu schauen, dass wir die Beschäftigungsperspektiven mit ihnen gemeinsam verbessern.
Degenhardt: Was heißt das konkret?
Rudolf: Wir haben jetzt eine Initiative gestartet - die nennt sich "Ausbildung für alle" -, wo wir schon mit den Abgangsklassen in den 9. und 10. Klassen hauptsächlich darauf aufmerksam machen wollen, wie problematisch die Situation überhaupt ist, in welcher Situation sich die jungen Menschen befinden, und auch über diesen Weg den Druck in Richtung Politik aufzumachen, um auch nicht nur durch den Ausbildungspakt, der aus unserer Sicht nicht unbedingt der wirksamste ist, dort auch Maßnahmen zusätzlich anzubieten.
Degenhardt: Wäre das jetzt, wo die Konjunktur gut läuft, ein guter Zeitpunkt für die Politik, mehr zu tun in Sachen Reform des Arbeitsmarktes? Ich denke zum Beispiel an Aktivitäten im Niedriglohnbereich. Das wäre ja vielleicht etwas für junge Leute mit ungünstigen Schulabschlüssen.
Rudolf: Ich glaube, wir müssen uns eines klar machen, dass ein Ausbau eines Niedriglohnbereiches keine Perspektiven für die Jugendlichen insgesamt bietet. Das A und O muss sein, dass wir Jugendliche haben, die einen qualifizierten Berufsabschluss haben und somit auch die Grundlage für ihr zukünftiges Berufsleben setzen. Wir haben jetzt die Situation, dass mehr als 40 Prozent aller arbeitslosen Jugendlichen solche sind, die keinen Berufsschulabschluss haben, das heißt also keinen Berufsabschluss haben. Hier geht es darum, dort anzusetzen und zu schauen: wie kriegen wir die Qualifizierung der Jugendlichen verbessert.
Degenhardt: Ist denn aus Ihrer Sicht, Herr Rudolf, unter Schwarz-Rot der deutsche Arbeitsmarkt speziell auch für junge Leute schon flexibler geworden?
Rudolf: Ich kann nicht sagen, dass sich die Situation für die Jugendlichen, mit denen wir tagtäglich zusammenarbeiten, entspannt hat. Wir haben nach wie vor eine sehr, sehr angespannte Situation im Bereich der Berufsausbildung. Wir haben andere Problematiken, mit denen wir uns derzeit auseinandersetzen. Ein Stichwort ist Praktika und so weiter. Von daher würde ich nicht von einer Verbesserung sprechen wollen.
Degenhardt: René Rudolf war das, Bundesjugendsekretär beim Deutschen Gewerkschaftsbund. Vielen Dank für das Gespräch.
René Rudolf: Guten Morgen Herr Degenhardt!
Degenhardt: Wie belastbar sind denn die Angaben, die von der Bundesagentur für Arbeit bestätigt wurden? Geben sie wirklich ein reales Bild wieder?
Rudolf: Ich glaube, dass die Zahlen, die die Absenkung der Arbeitslosenquote bei den Jugendlichen betreffen, schon ein zahlenmäßig realistisches Bild wiedergeben und es ist allemal erfreulich, dass wieder mehr Jugendliche in den Job finden. Sicherlich muss man aber an der einen oder anderen Stelle ganz genau hinschauen: woran liegt es eigentlich und wie ist die Perspektive der Jugendlichen, die jetzt auch wieder einen Job gefunden haben.
Degenhardt: Sieht die Statistik nicht auch deswegen so günstig aus, weil es ja durchaus junge Leute gibt, die ganz einfach nicht mehr zur Arbeitsagentur gehen, weil es eh keine Stelle für sie gibt? Ich denke vor allem an die Geringerqualifizierten.
Rudolf: Ich glaube, das gibt es auch. Durch Hartz IV und die Betroffenheit der Jugendlichen selber wird auch das zugenommen haben. Es ist unter anderem aber auch damit zu erklären, dass wir sicherlich durch die Konjunktur, aber auch durch die Saison ein erfreulicheres Bild sehen und erkennen können. Oftmals sind es aber keine Jobs, die eine längerfristige Perspektive bilden, um Ein-Euro-Jobs beispielsweise zu nennen. Wir sehen es immer dann, wenn die Konjunktur wieder nachlässt, und beobachten dann einen überdurchschnittlichen Anstieg der jugendlichen Arbeitslosen im Vergleich zu allen übrigen.
Degenhardt: Andererseits hört man Klagen aus der Wirtschaft, es fehle gerade auch bei den jungen Leuten an Fachkräften.
Rudolf: Das ist genau das Bild, was für uns immer nicht zusammenpasst. Wir machen es sehr oft deutlich auch an der Diskussion um die Ausbildungsplatzsituation hier im Land. Einerseits gibt es die Forderung nach mehr Fachkräften, andererseits immer weniger Bereitschaft der Unternehmen, überhaupt Fachkräfte selber auszubilden.
Degenhardt: Die Ausbildungsplatzsituation hat sich ja, nimmt man die Zahlen, auch erheblich entspannt. Im vergangenen Jahr schlossen 581.600 Jugendliche einen neuen Vertrag im Rahmen des dualen Ausbildungssystems ab. Das waren so viele wie seit 2001 nicht mehr. Kann man da schon von einer allgemeinen Entwarnung sprechen?
Rudolf: Ich würde nicht von einer Entwarnung sprechen. Wir müssen uns die Zahlen genau anschauen. Da sind natürlich die Zahlen zum einen, die die Summe aller abgeschlossenen Ausbildungsverträge darstellen. Zum anderen müssen wir uns aber auch immer die Anzahl der Bewerber und Bewerberinnen ganz genau anschauen und die sind in den letzten Jahren nicht weniger geworden. Im Gegenteil: wir beobachten einen Anstieg der Bewerber- und Bewerberinnenzahlen in den letzten Jahren, die nicht nur dadurch zu begründen sind, dass es mehr Schulabgänger und Schulabgängerinnen gibt, sondern immer mehr, wie wir es nennen, Altbewerber und Altbewerberinnen, die im Vorjahr keine Ausbildungsstelle bekommen haben und sich wieder hinten angestellt haben. Also einerseits zwar mehr Ausbildungsverträge, die abgeschlossen werden, andererseits trotzdem eine größere Lücke zu denen, die überhaupt nichts finden. Insgesamt ist aber zu sagen, dass wir, wenn wir Ost und West zusammen nehmen, also die Bundesrepublik insgesamt anschauen, immer noch nur eine Quote von 23 Prozent der Unternehmen haben, die überhaupt ausbilden beziehungsweise sich an Ausbildungen beteiligen, und das ist schon sehr bedenklich.
Degenhardt: Ich habe es eingangs erwähnt. 434.847 junge Menschen in diesem Land sind offiziell ohne Job. Was kann eigentlich der Deutsche Gewerkschaftsbund für diese jungen Leute tun?
Rudolf: Wir werden natürlich nicht müde, nach wie vor auch zusammen mit den Jugendlichen zu schauen, dass wir die Beschäftigungsperspektiven mit ihnen gemeinsam verbessern.
Degenhardt: Was heißt das konkret?
Rudolf: Wir haben jetzt eine Initiative gestartet - die nennt sich "Ausbildung für alle" -, wo wir schon mit den Abgangsklassen in den 9. und 10. Klassen hauptsächlich darauf aufmerksam machen wollen, wie problematisch die Situation überhaupt ist, in welcher Situation sich die jungen Menschen befinden, und auch über diesen Weg den Druck in Richtung Politik aufzumachen, um auch nicht nur durch den Ausbildungspakt, der aus unserer Sicht nicht unbedingt der wirksamste ist, dort auch Maßnahmen zusätzlich anzubieten.
Degenhardt: Wäre das jetzt, wo die Konjunktur gut läuft, ein guter Zeitpunkt für die Politik, mehr zu tun in Sachen Reform des Arbeitsmarktes? Ich denke zum Beispiel an Aktivitäten im Niedriglohnbereich. Das wäre ja vielleicht etwas für junge Leute mit ungünstigen Schulabschlüssen.
Rudolf: Ich glaube, wir müssen uns eines klar machen, dass ein Ausbau eines Niedriglohnbereiches keine Perspektiven für die Jugendlichen insgesamt bietet. Das A und O muss sein, dass wir Jugendliche haben, die einen qualifizierten Berufsabschluss haben und somit auch die Grundlage für ihr zukünftiges Berufsleben setzen. Wir haben jetzt die Situation, dass mehr als 40 Prozent aller arbeitslosen Jugendlichen solche sind, die keinen Berufsschulabschluss haben, das heißt also keinen Berufsabschluss haben. Hier geht es darum, dort anzusetzen und zu schauen: wie kriegen wir die Qualifizierung der Jugendlichen verbessert.
Degenhardt: Ist denn aus Ihrer Sicht, Herr Rudolf, unter Schwarz-Rot der deutsche Arbeitsmarkt speziell auch für junge Leute schon flexibler geworden?
Rudolf: Ich kann nicht sagen, dass sich die Situation für die Jugendlichen, mit denen wir tagtäglich zusammenarbeiten, entspannt hat. Wir haben nach wie vor eine sehr, sehr angespannte Situation im Bereich der Berufsausbildung. Wir haben andere Problematiken, mit denen wir uns derzeit auseinandersetzen. Ein Stichwort ist Praktika und so weiter. Von daher würde ich nicht von einer Verbesserung sprechen wollen.
Degenhardt: René Rudolf war das, Bundesjugendsekretär beim Deutschen Gewerkschaftsbund. Vielen Dank für das Gespräch.