DGB fordert Ausbildungsprogramm für arbeitslose Jugendliche
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat vorgeschlagen, aus dem Überschuss der Bundesagentur für Arbeit ein Ausbildungsprogramm für arbeitslose Jugendliche zu finanzieren. Damit könne man Jugendlichen helfen, die seit Jahren auf einen Ausbildungsplatz warteten, sagte der DGB-Vorsitzende Michael Sommer.
Marie Sagenschneider: Konjunkturaufschwung, sprudelnde Steuereinnahmen, Überschüsse bei der Bundesagentur für Arbeit. Das ist schon noch ein bisschen ungewohnt, denn man kann sich ja kaum noch erinnern, wann eine Regierung zuletzt in einer ähnlich komfortablen oder halbwegs komfortablen Situation war. Was tun mit dem Geld? Geht es nach Bundesfinanzminister Steinbrück, dann wird er damit die Neuverschuldung weiter reduzieren, so jedenfalls hat er das gestern in der Haushaltsdebatte verkündet. Die Union hingegen will gerade die Überschüsse der Bundesagentur für Arbeit zu weitern Senkung der Lohnnebenkosten verwenden und die Gewerkschaften plädieren für eine Beschäftigungsinitiative. Aber hat die überhaupt eine Chance? Auch darüber wollen wir nun hier im Deutschlandradio Kultur mit DGB-Chef Michael Sommer sprechen. Ich grüße Sie Herr Sommer!
Michael Sommer: Ich grüße Sie auch!
Sagenschneider: Ist es überhaupt, Herr Sommer, opportun über Beschäftigungsinitiativen zu sprechen angesichts der Schulden, in denen Deutschland steckt? Also müsste man da nicht sagen nun ja, die Neuverschuldung zu senken müsste erst einmal Priorität haben, weil uns damit ja allen gedient ist langfristig.
Sommer: Also erst einmal freuen wir uns, dass es mit der Wirtschaft wieder langsam bergauf geht. Wir suhlen uns ja nicht in der Krise, aber es gibt natürlich auch Chancen. Wenn Sie sehen, dass die Bundesagentur für Arbeit neun bis, einige Experten schätzen zehn Milliarden Euro Überschuss hat, dann sagen wir, man kann ein Teil dieses Geldes nehmen, um zum Beispiel den Jugendlichen helfen, die seit Jahren auf eine Ausbildung warten und immer wieder von Warteschleife zu Warteschleife gezogen werden. Konkret schlagen wir vor, 50.000 Jugendliche in überbetriebliche Ausbildungsstätten zu hieven. Die Plätze sind da, das kostet 650 Millionen Euro, das ist ausgerechnet und durchgerechnet. Die Plätze wären auch vorhanden und ich glaube, das ist sinnvoller als darüber zu spekulieren, ob man noch ein bisschen mehr den Arbeitslosenbetrag absenkt, denn wir haben das Geld, es muss nicht aufgenommen werden, es ist finanziert. Es ist auch da für Arbeitsmarktmaßnahmen und ich hoffe sehr, dass wir weiterkommen. Wir haben mittlerweile Unterstützung von Roland Koch, dem hessischen Ministerpräsidenten, die Fraktionsvorsitzenden der SPD in Bund und Länder unterstützen uns. Ich hoffe sehr, dass wir endlich weiterkommen. Das wäre ein gutes Zeichen für junge Menschen.
Sagenschneider: Das heißt, Sie haben auch wirklich konkrete Anzeichen, dass sich da etwas bewegen könnte?
Sommer: Ja, wir haben konkrete Anzeichen. Wir haben jetzt als allererste Mal 7500 Plätze zugestanden bekommen, das reicht bei weitem nicht aus, aber ich glaube und ich hoffe sehr, dass die politische Kraft reicht. Peter Struck und Roland Koch sind ja keine Leichtgewichte in Deutschland.
Sagenschneider: Geht es Ihnen vor allem um die Jugendlichen, die jetzt schon seit Jahren keinen Ausbildungsplatz finden?
Sommer: Ja wir haben ja das Problem, dass dieses Jahr wahrscheinlich auch nicht genügend einen Ausbildungsplatz finden. Aber wir sagen, das ist eine einmalige Maßnahme, um endlich mal an diese Bugwelle heranzukommen. Das sind junge Menschen, die werden Jahr für Jahr in ihrer Not weiter geschoben und irgendwann sind sie weder ausbildungsfähig noch ausbildungswillig, sondern sie liegen letztendlich dann auf der Straße und haben keine Zukunft mehr. Und für die wollen wir etwas tun.
Sagenschneider: Nun diskutiert die Regierung ja, auch jenseits dieser Beschäftigungsinitiative über zahlreiche Maßnahmen in Sachen Arbeitsmarkt. Dieser Herbst wird ziemlich spannend werden, denn die Themen Mindest- und Kombilohn werden sicher auf der Agenda stehen und beides ist innerhalb der großen Koalition immer noch ziemlich umstritten. Glauben Sie, dass sich auf diesen Feldern etwas bewegen wird?
Sommer: Also ich habe zumindest Anzeichen dafür, dass der Bundesarbeitsminister wirklich aktiv werden will. Er will ja jetzt wohl im Oktober mit einer Koalitionsarbeitsgruppe Anhörungen zu dem ganzen Themenkomplex machen. Wir sind der Meinung, dass es einen mutigen Schritt braucht, um einen gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 7,50 Euro durchzusetzen. Die Anzeichen dafür, dass die Koalition dem folgt sind nicht gut, das sage ich auch. Andererseits gibt es Initiativen, dass es eine Ausweitung des Entsendegesetztes auf alle Branchen geben soll. Das wäre ein Schritt nach vorne. Und andererseits gibt es auch Anzeichen dafür, dass zum Beispiel unser neuer Tarifvertrag für die Zeitarbeit für allgemeinverbindlich erklärt werden soll. Das wären wirklich ganz große Schritte nach vorne. Auf der andern Seite müssen wir die Kombilohndebatte sehr ernsthaft führen. Es gibt ein Problem, das die meisten in Deutschland überhaupt nicht kennen. Wir haben durch die Hartz-Reform die Situation, dass es die Möglichkeit gibt für Hartz-IV-Empfänger, also für ALG-II-Empfänger die Möglichkeit gibt, zusätzlich Geld zu verdienen, 165 Euro im Monat. Da ist ein riesiger Kombi-Schwarzarbeitmarkt entstanden. 50.000 Selbstständige arbeiten damit. Die geben 165 Euro Zuverdienst an, leben ansonsten von Hartz IV und der Rest geht schwarz. Es gibt mittlerweile erste Zeitungsanzeigen, wo Arbeitgeber 165-Euro-Arbeitsverhältnisse anbieten, weil sie auf Dauer einen Kombilohnmarkt schaffen, wo der Staat den Hauptteil des Lohnes bezahlt und damit muss Schluss sein.
Sagenschneider: Und was sollte man dagegen unternehmen?
Sommer: Man muss die Zuverdienstgrenzen deutlich herabsenken. Man muss Kombilohnmodelle machen, zielgerichtet für Problemgruppen, ältere Arbeitslose, ganz junge Arbeitslose, zeitbefristet, aber auf keinen Fall als Gießkannenprinzip für irgendwelche Arbeitgeber, die sich beim Staat bedienen wollen.
Sagenschneider: Es gibt ja viele, die sagen, wir haben eigentlich längst Kombilöhne in Form eben von Hartz IV plus Zuverdienstmöglichkeiten. Ähnlich haben Sie es ja gerade auch formuliert und die Wirtschaftsweisen ziehen aber einen ganz anderen Schluss daraus, denn sie meinen, man sollte das Arbeitslosengeld II um 30 Prozent kürzen und dafür die Zuverdienstgrenze für Langzeitarbeitslose erhöhen. Also es wäre gerade der umgekehrte Weg.
Sommer: Das ist die Fortsetzung der Perversion. Dann zahlt der Staat die Löhne für einen Großteil von Arbeitgebern im Niedriglohnbereich. Den Leuten ist nicht wirklich geholfen. Die leben weiter in Armut, weil sie arbeiten ja und leben trotzdem in Armut und wir leben von Armutslöhnen und wir wollen eine Politik, dass Arbeit nicht arm macht. Und deswegen muss der Niedriglohnsektor insgesamt abgeschafft werden und unsere Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn von 7,50 Euro zielt ja darauf, dass wir eine Grenze nach unten einziehen. Das ist ja auch nicht komfortabel, was das Einkommen anbetrifft.
Sagenschneider: Das stimmt. Und die Krux an Mindestlöhnen ist ja, sind sie zu hoch, gelten sie eher als Jobkiller. Diese 7,50 Euro als Minimum pro Stunde, wieso sind Sie sich denn sicher, dass dies auch funktioniert?
Sommer: Weil wir aus Westeuropa wissen, dass es funktioniert. Wir haben in Großbritannien einen Mindestlohn, der liegt bei 7,80 Euro umgerechnet. Wir haben in Frankreich einen, der liegt bei 8,15 Euro. Der Arbeitsmarkt reguliert sich so, dass die untere Grenze anerkannt wird und darauf dann der Wettbewerb einsetzt. Von daher gibt es überhaupt keinen empirischen Beleg für die Behauptung, dass zu hohe Mindestlöhne irgendwie Beschäftigung zerstören würden. Das Gegenteil ist der Fall.
Sagenschneider: DGB-Chef Michael Sommer im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Ich danke Ihnen!
Michael Sommer: Ich grüße Sie auch!
Sagenschneider: Ist es überhaupt, Herr Sommer, opportun über Beschäftigungsinitiativen zu sprechen angesichts der Schulden, in denen Deutschland steckt? Also müsste man da nicht sagen nun ja, die Neuverschuldung zu senken müsste erst einmal Priorität haben, weil uns damit ja allen gedient ist langfristig.
Sommer: Also erst einmal freuen wir uns, dass es mit der Wirtschaft wieder langsam bergauf geht. Wir suhlen uns ja nicht in der Krise, aber es gibt natürlich auch Chancen. Wenn Sie sehen, dass die Bundesagentur für Arbeit neun bis, einige Experten schätzen zehn Milliarden Euro Überschuss hat, dann sagen wir, man kann ein Teil dieses Geldes nehmen, um zum Beispiel den Jugendlichen helfen, die seit Jahren auf eine Ausbildung warten und immer wieder von Warteschleife zu Warteschleife gezogen werden. Konkret schlagen wir vor, 50.000 Jugendliche in überbetriebliche Ausbildungsstätten zu hieven. Die Plätze sind da, das kostet 650 Millionen Euro, das ist ausgerechnet und durchgerechnet. Die Plätze wären auch vorhanden und ich glaube, das ist sinnvoller als darüber zu spekulieren, ob man noch ein bisschen mehr den Arbeitslosenbetrag absenkt, denn wir haben das Geld, es muss nicht aufgenommen werden, es ist finanziert. Es ist auch da für Arbeitsmarktmaßnahmen und ich hoffe sehr, dass wir weiterkommen. Wir haben mittlerweile Unterstützung von Roland Koch, dem hessischen Ministerpräsidenten, die Fraktionsvorsitzenden der SPD in Bund und Länder unterstützen uns. Ich hoffe sehr, dass wir endlich weiterkommen. Das wäre ein gutes Zeichen für junge Menschen.
Sagenschneider: Das heißt, Sie haben auch wirklich konkrete Anzeichen, dass sich da etwas bewegen könnte?
Sommer: Ja, wir haben konkrete Anzeichen. Wir haben jetzt als allererste Mal 7500 Plätze zugestanden bekommen, das reicht bei weitem nicht aus, aber ich glaube und ich hoffe sehr, dass die politische Kraft reicht. Peter Struck und Roland Koch sind ja keine Leichtgewichte in Deutschland.
Sagenschneider: Geht es Ihnen vor allem um die Jugendlichen, die jetzt schon seit Jahren keinen Ausbildungsplatz finden?
Sommer: Ja wir haben ja das Problem, dass dieses Jahr wahrscheinlich auch nicht genügend einen Ausbildungsplatz finden. Aber wir sagen, das ist eine einmalige Maßnahme, um endlich mal an diese Bugwelle heranzukommen. Das sind junge Menschen, die werden Jahr für Jahr in ihrer Not weiter geschoben und irgendwann sind sie weder ausbildungsfähig noch ausbildungswillig, sondern sie liegen letztendlich dann auf der Straße und haben keine Zukunft mehr. Und für die wollen wir etwas tun.
Sagenschneider: Nun diskutiert die Regierung ja, auch jenseits dieser Beschäftigungsinitiative über zahlreiche Maßnahmen in Sachen Arbeitsmarkt. Dieser Herbst wird ziemlich spannend werden, denn die Themen Mindest- und Kombilohn werden sicher auf der Agenda stehen und beides ist innerhalb der großen Koalition immer noch ziemlich umstritten. Glauben Sie, dass sich auf diesen Feldern etwas bewegen wird?
Sommer: Also ich habe zumindest Anzeichen dafür, dass der Bundesarbeitsminister wirklich aktiv werden will. Er will ja jetzt wohl im Oktober mit einer Koalitionsarbeitsgruppe Anhörungen zu dem ganzen Themenkomplex machen. Wir sind der Meinung, dass es einen mutigen Schritt braucht, um einen gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 7,50 Euro durchzusetzen. Die Anzeichen dafür, dass die Koalition dem folgt sind nicht gut, das sage ich auch. Andererseits gibt es Initiativen, dass es eine Ausweitung des Entsendegesetztes auf alle Branchen geben soll. Das wäre ein Schritt nach vorne. Und andererseits gibt es auch Anzeichen dafür, dass zum Beispiel unser neuer Tarifvertrag für die Zeitarbeit für allgemeinverbindlich erklärt werden soll. Das wären wirklich ganz große Schritte nach vorne. Auf der andern Seite müssen wir die Kombilohndebatte sehr ernsthaft führen. Es gibt ein Problem, das die meisten in Deutschland überhaupt nicht kennen. Wir haben durch die Hartz-Reform die Situation, dass es die Möglichkeit gibt für Hartz-IV-Empfänger, also für ALG-II-Empfänger die Möglichkeit gibt, zusätzlich Geld zu verdienen, 165 Euro im Monat. Da ist ein riesiger Kombi-Schwarzarbeitmarkt entstanden. 50.000 Selbstständige arbeiten damit. Die geben 165 Euro Zuverdienst an, leben ansonsten von Hartz IV und der Rest geht schwarz. Es gibt mittlerweile erste Zeitungsanzeigen, wo Arbeitgeber 165-Euro-Arbeitsverhältnisse anbieten, weil sie auf Dauer einen Kombilohnmarkt schaffen, wo der Staat den Hauptteil des Lohnes bezahlt und damit muss Schluss sein.
Sagenschneider: Und was sollte man dagegen unternehmen?
Sommer: Man muss die Zuverdienstgrenzen deutlich herabsenken. Man muss Kombilohnmodelle machen, zielgerichtet für Problemgruppen, ältere Arbeitslose, ganz junge Arbeitslose, zeitbefristet, aber auf keinen Fall als Gießkannenprinzip für irgendwelche Arbeitgeber, die sich beim Staat bedienen wollen.
Sagenschneider: Es gibt ja viele, die sagen, wir haben eigentlich längst Kombilöhne in Form eben von Hartz IV plus Zuverdienstmöglichkeiten. Ähnlich haben Sie es ja gerade auch formuliert und die Wirtschaftsweisen ziehen aber einen ganz anderen Schluss daraus, denn sie meinen, man sollte das Arbeitslosengeld II um 30 Prozent kürzen und dafür die Zuverdienstgrenze für Langzeitarbeitslose erhöhen. Also es wäre gerade der umgekehrte Weg.
Sommer: Das ist die Fortsetzung der Perversion. Dann zahlt der Staat die Löhne für einen Großteil von Arbeitgebern im Niedriglohnbereich. Den Leuten ist nicht wirklich geholfen. Die leben weiter in Armut, weil sie arbeiten ja und leben trotzdem in Armut und wir leben von Armutslöhnen und wir wollen eine Politik, dass Arbeit nicht arm macht. Und deswegen muss der Niedriglohnsektor insgesamt abgeschafft werden und unsere Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn von 7,50 Euro zielt ja darauf, dass wir eine Grenze nach unten einziehen. Das ist ja auch nicht komfortabel, was das Einkommen anbetrifft.
Sagenschneider: Das stimmt. Und die Krux an Mindestlöhnen ist ja, sind sie zu hoch, gelten sie eher als Jobkiller. Diese 7,50 Euro als Minimum pro Stunde, wieso sind Sie sich denn sicher, dass dies auch funktioniert?
Sommer: Weil wir aus Westeuropa wissen, dass es funktioniert. Wir haben in Großbritannien einen Mindestlohn, der liegt bei 7,80 Euro umgerechnet. Wir haben in Frankreich einen, der liegt bei 8,15 Euro. Der Arbeitsmarkt reguliert sich so, dass die untere Grenze anerkannt wird und darauf dann der Wettbewerb einsetzt. Von daher gibt es überhaupt keinen empirischen Beleg für die Behauptung, dass zu hohe Mindestlöhne irgendwie Beschäftigung zerstören würden. Das Gegenteil ist der Fall.
Sagenschneider: DGB-Chef Michael Sommer im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Ich danke Ihnen!