DGB-Chef Sommer: Linksbündnis stärkt Konservative

Moderation: Christopher Ricke |
Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, hat vor der Gründung eines Linksbündnisses gewarnt. Das wäre "ein falscher Schritt", sagte Sommer. Davon profitierten am Ende die Konservativen und die Rechten.
Ricke: Haben Sie denn schon einen Waffenbruder gefunden im Kampf gegen den Raubtierkapitalismus?

Sommer: Ich glaube, da braucht man mehr als einen Waffenbruder, wenn man in der Sprache bleibt. Wir brauchen den Gestaltungswillen der Politik und auch eine soziale Ausrichtung von Politik, dann kann man ihn auch zähmen, ja und da mangelt es im Moment sehr, von der Steuerpolitik bis hin zur Arbeitsmarktpolitik.

Ricke: Wie sehr könnten Ihnen denn da Oskar Lafontaine und Gregor Gysi Arm in Arm helfen?

Sommer: Es kommt nicht nur auf die bessere Gesinnung an, um es mal so zu zitieren, sondern es kommt darauf an, ob man politische Kraft entfalten kann. Meine große Sorge ist, dass sich die Erfahrung der deutschen Linken einmal wiederholen wir, dass es eine Abspaltung gibt, die Linken untereinander sich bekämpfen und die Konservativen bis hin zu den Rechten davon profitieren. Deswegen halte ich das für einen falschen Schritt. Ansonsten bin ich Vorsitzender des Dachverbandes der Einheitsgewerkschaften. Wir haben PDS-Kollegen genauso in unseren Reihen, genauso wie CDU-Mitglieder und wir haben sicherlich auch Leute von der Wahlalternative da. Das heißt, wir werden da parteipolitisch nicht Stellung nehmen, aber wir werden unsere Themen in den Wahlkampf einbringen, und dann müssen die Menschen sich selber ein Urteil bilden.

Ricke: Aber wenn Sie hier die Zersplitterung der Linken beschreiben, das Gegenteil ist doch der Fall, die Zersplitterung haben wir doch. Es gibt ein paar bei der SPD, man hört sie kaum noch, es gibt ein paar bei den Grünen, gelegentlich noch den einen oder anderen im Arbeitnehmerflügel der Union, aber jetzt eine vereinbarte, eine gemeinsame Plattform von PDS und Wahlalternative, das wäre doch eine Vereinte Linke?

Sommer: Nein, das sehe ich anders. Es werden große Teile der sozialdemokratischen Linken in der Sozialdemokratie bleiben, ich habe ja Kontakt mit denen. Es wird auch die CDA weiter geben und es wird eben auch eine radikalisierte Auseinandersetzung zwischen einem deutschen Linksbündnis und der SPD geben und das schwächt nach meiner Einschätzung. Sie können übrigens auch ins Ausland gucken, es gibt eine Erfahrung, die die meisten in Deutschland nicht kennen, meine Kollegen in Israel, die Histradut, die haben eine eigene Partei gegründet mit dem wirklichen Wahlerfolg, dass sie drei Mitglieder im Parlament haben und ansonsten nichts mehr zu sagen haben. Also den Weg können und werden wir nicht gehen, wir müssen den Weg gehen, dass wir für eine sozial gerechte Politik Mehrheiten finden und nicht nur die bessere Gesinnung.

Ricke: Sie haben natürlich, das müssen Sie ja auch tun, die parteipolitische Unabhängigkeit des DGB betont, dennoch weiß jeder, wo ein Gewerkschafterherz schlägt. Aber will man das wirklich? Will man wirklich ein paar so prominente Köpfe abgehen lassen in die politische Bedeutungslosigkeit, um dann von der Opposition heraus ein bisschen an soziale Gerechtigkeit zu appellieren?

Sommer: Als Oskar Lafontaine den Vorsitz der SPD niedergelegt hat, hab ich ihm gesagt: "Oskar, ich kann verstehen, dass du als Finanzminister aufhörst!" Es gab ja damals schlimme Kampagnen gegen ihn, aber den Weg zu gehen, den Parteivorsitz niederzulegen, ist falsch. Und für ihn ist damals schon die Entscheidung gefallen, dass er sich von der SPD trennt. Das ist seine persönliche Entscheidung, nur ich fand sie damals nicht gut und ich finde sie heute nicht gut, weil ich eben der Überzeugung bin, dass das insgesamt zu einer Schwächung führt und wir werden uns nicht daran beteiligen, ob das gut oder schlecht ist. Ich sage das jetzt auch als jemand, der immer darauf gehofft hat, dass es in Deutschland eine Wende hin zu einer sozial gerechteren Politik geben kann und geben wird und ich sehe das durch diesen Schritt nicht gestärkt, sondern geschwächt.

Ricke: Aber nichts desto trotz muss man natürlich ein bisschen die Potenziale auch abwägen können, und wenn eine linke Sammlungsbewegung der Herren Lafontaine und Gysi tatsächlich den Einzug in den Bundestag schafft, dann könnte das ja heißen, dass es für Schwarz-Gelb nicht reicht, dass man aus der Not dann Schwarz-Rot machen muss, dass man einer Bundeskanzlerin Merkel, einen Arbeitsminister Müntefering an die Seite stellt. Wäre dann das Schlimmste verhindert?

Sommer: Man muss dann sehr konkret gucken, welche Politik da entwickelt wird. Bisher muss ich davon ausgehen, dass die Union mit ihrer Programmatik ganz nah bei der FDP ist, das heißt, sie wollen Arbeitnehmerrechte schleifen, sie wollen endlich Lohnsenkung und Arbeitszeitverlängerung durchsetzen, sie wollen die sogenannten betrieblichen Bündnisse, was nichts anderes ist als der Versuch, die Belegschaften in diesen Betrieben zu erpressen, durchsetzen. Die wollen die Gewerkschaften schwächen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das wirklich eine erfolgreiche Politik ist, auch nicht, wenn man so eine Politik in einer großen Koalition versucht zu betreiben. Andererseits muss man sich ja konkret angucken, was geplant wird, und was gemacht wird. Es gibt sehr, sehr schlechte Erfahrungen mit großen Koalitionen, ich kenne eigentlich nur eine gute, die in Bremen, obwohl die es auch ökonomisch nicht geschafft haben, von daher, ich glaube auch nicht, dass das eine wirkliche Alternative ist. Aber wir sind jetzt schon in dem Bereich der Mutmaßungen, wir müssen sehen, wie der Wahlkampf läuft, wir müssen sehen, welchen Themen nach vorne gestellt werden, und dann muss der DGB, dann müssen die Gewerkschaften mit jeder Regierung leben können, mit der einen besser, mit der anderen schlechter. Aber unsere Aufgabe ist und bleibt es auch am 18. September, also an dem wahrscheinlichen Tag danach wieder politikfähig zu sein und die Interessen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu vertreten. Das ist meine Aufgabe und nicht parteipolitische Präferenzen zu äußern.