Fußball

Der DFB umwirbt den Schiedsrichter-Nachwuchs

06:12 Minuten
Schiedsrichterin Antonia Tucholski beim Regionalligaspiel der Frauen, Hamburger SV II gegen SpVg Aurich
Nicht einmal vier Prozent der Schiedsrichter beim DFB sind weiblich. © Imago / Oliver Baumgart
Von Eduard Hoffmann · 23.07.2023
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Gut 50.000 Unparteiische verzeichnet der DFB zurzeit - das sind deutlich weniger als vor zehn Jahren. Die Nachwuchssorgen sind vor allem bei den Schiedsrichterinnen groß. Mit der Kampagne "Jahr der Schiris" will der Verband eine Trendwende einleiten.
Tina Bürschgens ist eine von drei weiblichen Unparteiischen im Fußballkreis Aachen, wo insgesamt rund 200 Schiris jedes Wochenende unterwegs sind. Mit vier Jahren hatte sie angefangen, Fußball zu spielen.
Später dann wollte sie die andere Seite kennenlernen und machte einen Schiedsrichterlehrgang. Regelkunde und Fitnesstest waren für sie kein Problem.
„Nach meinen ersten Spielen habe ich gesagt, das machst du nicht lange. Man ist sehr unsicher, aber man wächst mit den Spielen, mit der Erfahrung.“

Spielbegleitung von Paten als große Hilfe

Die anfängliche Spielbegleitung von Paten, also erfahrenen Schiedsrichterkollegen, war für Tina Bürschgens eine große Hilfe. Ebenso die regelmäßigen Fort- und Weiterbildungen. Mehr und mehr machte ihr der Schiri-Job Spaß.
Seit 2007 verbringt die junge Frau ihre Wochenenden als Regelhüterin auf dem Fußballplatz. Egal ob es regnet, schneit oder die Sonne vom Himmel brennt.

Ich pfeife eigentlich alles von der Kreisliga C, B, A hin zu Frauen-Bezirksliga, Frauen-Landesliga, auch im Jugendbereich A- und B-Jugend, auch Mädels - und bin als Assistent auch noch unterwegs in der Bezirksliga.

Ein Hobby für die Persönlichkeitsentwicklung

In den unteren Klassen gibt es 19 Euro Aufwandsentschädigung und eine Fahrtkostenerstattung. Tina Bürschgens geht es nicht ums Geld.

Für die ledige Rheinländerin war und ist das herausfordernde Hobby wichtig für ihre Persönlichkeitsentwicklung.

Ich war 15 oder 16 und sehr schüchtern - und das hat mir schon irgendwie viel gebracht. Gerade als Jungschiedsrichter war ich dann auch auf Auslandsturnieren, habe Kollegen kennengelernt - wie pfeifen die. War in der Bezirksliga an der Linie, als Assistent mit in der Landesliga. Das sind alles Erfahrungen, die einen auch im Leben weiterbringen. In Berlin kennt man Schiedsrichter, in Italien habe ich Schiedsrichter kennengelernt und da ist so eine Freundschaft entwickelt worden. Es ist einfach die sportliche Aktivität am Wochenende und die Gemeinschaft in der Schiedsrichterei.

Dieter Schröder ist 81 Jahre alt. Zwar hat der Hüne mit schlohweißem Haar im letzten Jahr seine deutsch-deutsche Schiedsrichterkarriere offiziell beendet, aber bei Schulturnieren ist der fitte Sportsmann heute noch aktiv - und hilft so, die großen Nachwuchssorgen etwas abzumildern.
In der DDR hatte der gelernte Stellmacher Ende der 60er-Jahre mit der Pfeiferei begonnen. Mit dem Ausreiseantrag 1981 begann eine lange Pause. Erst 2004, als Rentner, griff Dieter Schröder in Aachen erneut zur Pfeife.

Taschengeld für jedes Spiel

Frauen, so sagt der erfahrene Unparteiische, seien ebenso gute Spielleiterinnen wie Männer. Er selbst war nie der unnahbare Schiri, sondern suchte immer das Gespräch mit den Spielern.
"Ich habe auch nach dem Spiel manchmal gesagt, ja, paar Fehler waren war drin. Dann sagen die Spieler, wir machen ja auch Fehler. Ja, mir hat es Spaß gemacht im Großen und Ganzen, ein bisschen Taschengeld nebenbei, war an der frischen Luft, kam unter Menschen."

Übel beschimpft und beleidigt oder gar körperlich angegriffen wurde der ausgeglichene Senior nie.

Verbale Aggressionen von Spielern

Das ist bei Tina Bürschgens anders. Es gab zwar noch keine tätlichen Übergriffe, aber vor anderthalb Jahren wurde die junge Schiedsrichterin in kurzer Zeit mehrmals überaus aggressiv verbal von Spielern angegangen.

„Dann habe ich auch kurz überlegt, meine Schiedsrichterkarriere zu beenden. Habe es aber dann nicht gemacht. Hatte aber zwei, drei Wochen mal Pause, um das zu verdauen, runterzukommen und abzuschalten.“

Junge Schiris hören schnell wieder auf

Immer häufiger kommt es zu Handgreiflichkeiten und Angriffen auf die Unparteiischen. Die Gewalt gegen Schiedsrichter und Schiedsrichterinnen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen.
Es gibt ein großes Imageproblem. Die Folge: Der Nachwuchs bleibt aus oder die jungen Schiris schmeißen den Job schnell wieder hin.

Deutlich weniger Schiris als vor zehn Jahren

In den letzten zehn Jahren ist die Zahl der Unparteiischen um 20.000 gesunken.

Im März rief der DFB die Kampagne „Jahr der Schiris“ aus. Ob Best-Practice-Beispiele oder etwa eine Toolbox für Vereine mit Social-Media-Grafiken, Plakaten und Flyern junge Menschen tatsächlich motivieren können, sich dem Schiri-Dasein mit all seinen Widrigkeiten auszusetzen, das bleibt abzuwarten. 

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