Devisenmanipulationen

"Menschen sind betrogen worden"

Hans-Peter Burghof im Gespräch mit Gabi Wuttke · 12.02.2014
Im Skandal um die Manipulation von Devisen hätten die Aufsichtsbehörden die Neigung, die Banken mit Strafzahlungen zu belegen, als aufzuklären, sagt Hans-Peter Burghof, Professor für Bankenwirtschaft an der Universität Hohenheim.
Gabi Wuttke: Mal für Spaß sorgen – auch wer vom Libor nie gehört hatte, weiß seit eineinhalb Jahren, man kann damit betrügen. An die 20 Banken waren in die Manipulationen dieses Zinses verwickelt, der Schaden ging in die Milliarden. Wie viel Geld sich mit der Manipulation von Devisen verdienen lässt, das werden wir womöglich bald erfahren, denn in den USA, Großbritannien und Deutschland ist man einem weiteren Großbetrug auf der Spur. Wieso das auch auf Ihre Kosten gehen könnte, erläutert Michael Braun .
Es ist offensichtlich mehr als ein bloßer Verdacht, der die Aufsichtsbehörden umtreibt. Hans Peter Burghof ist Professor für Bankenwirtschaft und Finanzdienstleistung in Hohenheim und jetzt am Telefon. Einen schönen guten Morgen, Herr Burghof!
Hans-Peter Burghof: Guten Morgen!
Wuttke: Haben Sie Zweifel, dass im Währungshandel manipuliert wurde?
Burghof: Die Indizien sind wohl sehr, sehr stark, sonst hätten wir das Thema nicht in der Breite auf der Agenda. Das heißt, dass manipuliert wurde, das scheint zweifelsfrei so zu sein. Wer in welchem Umfang, in welchem Ausmaß das ganze nachweisbar ist, all das ist offenbar noch nicht geklärt und wird eine ganze Weile dauern. Allerdings, wir haben im Moment so ein bisschen das Problem, die Aufsichtsbehörden haben eine Neigung, anstatt das Ding wirklich aufzuklären im Einzelnen, was Jahre dauern würde, weil das unendlich viele Geschäfte sind, straft man die Banken mit Strafzahlungen und danach deckt man den Schleier drüber und sagt, das ist jetzt gut.
Wuttke: Wollen Sie damit sagen, der Libor-Skandal war womöglich größer als wir wissen, und diese Manipulation von Devisen könnte auch größer sein, als wir jemals erfahren werden?
Burghof: Wir wissen es nicht. Und es ist ja auch der Punkt dabei, einerseits, dass die Börsen natürlich manipuliert wurden und dass man deswegen diese Banken bestrafen muss, wenn man ihnen das nachweisen kann. Andererseits aber auch, dass sehr viele Menschen natürlich falsch abgerechnete Geschäfte bekommen haben, das ist Betrug. Menschen sind betrogen worden. Und das im Einzelnen aufzuklären, da scheint man im Moment nicht so richtig hinterher zu sein. Und das ist auch dann sehr mühsam. Man müsste im Grunde genommen diesen Menschen Schutz gewähren, Unterstützung dabei gewähren, ihr Recht durchzusetzen. Und das sehe ich nicht.
Wuttke: Jeder, der eine Lebensversicherung hat, wir haben es gehört, fragt sich jetzt, in welchem Maße kann das den eigenen Ruhestand schmälern, und das in Zeiten, wo die Verzinsung durch die Versicherer ja sowieso schon immer weiter nach unten geht.
Burghof: Das ist sicher ein gewisser Zoll, den man da gezahlt hat an die großen Banken. Ich sehe das immer wie so einen Wegezoll an, wie im Mittelalter. Die großen Banken sitzen am Weg zum Kapitalmarkt und sie kassieren dafür, weil sie da im Grunde genommen als einzige diesen Zugang haben. Und das haben sie offenbar nicht nur auf legalem Wege, durch Gebühren getan oder durch vereinbarte Entlohnung für ihre Tätigkeit, sondern das haben sie offenbar auch auf illegalem Weg getan. Das ist dann Wegelagerei, wenn man so will.
Was wir auch sehen, ist, und das ist, glaube ich, auch noch gar nicht richtig diskutiert. Es wird immer über mehr neue Regulierungen in dem Kontext geredet; das Problem ist ja offenkundig, dass einige wenige Banken diesen Zugang zum Kapitalmarkt in der Hand haben, und in diesen einigen wenigen Banken im Grunde genommen ein Netzwerk von relativ wenigen Menschen, die eng miteinander verbunden sind, die miteinander ständig kommunizieren und die das im Grunde genommen in ihrem Interesse steuern können.
Wuttke: Wie muss man sich so was überhaupt vorstellen? Wenn wir auf den Libor zurückkommen beziehungsweise jetzt beim aktuellen Fall bleiben, der ja noch etwas undurchsichtig ist. Aber braucht man Hunderte, Tausende von Leuten, die da mitmachen, oder besteht so ein Netzwerk aus einer Handvoll?
"Einige wenige halten den Markt für Derivate in den Händen"
Burghof: Es ist sicher mehr als eine Hand voll. Aber Hunderte und Tausende braucht man offenkundig nicht. Das heißt, an diesen Märkten sind wenige Händler der großen Institute ganz ausschlaggebend. Das ist erst mal das Problem, dass einige wenige, große Institute den Markt für Derivate – und da werden die Preise letztlich gemacht – den Markt für Derivate und für Zinsprodukte im Wesentlichen in den Händen halten. Das heißt, das sind nicht irgendwie hundert Banken, sondern das ist wirklich eine Handvoll von Banken, und in denen sind es dann einige wenige. Und wenn die sich zusammenschließen, dann haben wir ein ganz großes Problem. Und anscheinend ist das passiert.
Wuttke: Das Bundesfinanzministerium ist durch die BaFin auch schon auf den Plan gerufen worden, was diesen Fall anbelangt. Wären denn aus Ihrer Sicht Devisenbetrügereien über regulierte Börsen, das ist das Stichwort, ausgeschlossen?
Burghof: Nein, das sind sie nicht, denn natürlich werden zum Beispiel Order, bei denen Kunden Devisen kaufen oder verkaufen, über diese Banken gesteuert. Und da kann dann eine Bank natürlich schon entscheiden, welche Order sie zum Beispiel zu welcher Zeit in den Markt gibt. Ob die das zum Beispiel in das vorhin genannte Fixing hineingibt oder vielleicht später freibleibend mit einem Gegenpart abschließt. Und dadurch kann – und verändert, natürlich, der Fixingkurs beeinflusst werden. Also das ist nicht so einfach, wie man sich das vorstellt, das zu regulieren an der Stelle.
Richtig ist natürlich, wir haben einen Fortschritt an Transparenz, wenn das Angebot und die Nachfrage an regulierten Börsen zusammengeführt werden und dort dann auch von einem Marktaufseher kontrolliert werden, der dann, wenn er mit modernster Methodik, also mit ökonometrischer Methodik die Entwicklung der Kurse anguckt und dann Auffälligkeiten bemerken kann und denen dann nachgehen kann. Wenn das in dem sogenannten Over-the-counter-Markt, das heißt also im nicht regulierten Markt, direkt zwischen den Banken alles abgewickelt wird, dann sehen wir das gar nicht. Dann sehen wir die Manipulationen auch teilweise nicht.
Wuttke: Wenn wir noch mal auf die Versicherer zurückblicken: Da will ja Wolfgang Schäuble auch die stützen, die sagen, wir stehen am Rande des Abgrunds. Jetzt Ihre Einlassung zu dem Vorstoß, dass es regulierte Börsen geben könnte, auch darüber denkt Wolfgang Schäuble nach. Alles in allem sind das nur Aktionswölkchen, die den Eindruck erwecken sollen, die Politik kümmert sich?
"Schaffen wir es, eine Aufsicht zu installieren"
Burghof: Es gibt zwei Aspekte dabei. Einerseits, es gibt ja regulierte Börsen, nur das meiste Geschäft läuft außerhalb. Und die Frage ist halt, kriegen wir das Geschäft zurück in die regulierten Börsen. Und dann ist die zweite Frage, schaffen wir es an diesen regulierten Börsen tatsächlich, eine Aufsicht zu installieren, die so stark ist, dass sie diese Kursauffälligkeiten wirklich bemerkt und denen dann auch wirklich im Einzelnen nachgeht und so die Anleger schützt. Das Zweite, bei den Versicherungen – ich meine, die Versicherungen leiden natürlich unter solchen Dingen, wenn sie zu schlechten Konditionen zum Beispiel Währungsabsicherung abschließen müssen, weil da manipuliert wurde am Kurs.
In erster Linie leiden aber die Versicherungen unter dem größten Manipulator, den wir im Moment haben – das sind die Zentralbanken. Die Zentralbanken, die also die Zinsen nach unten manipulieren aus politischen Gründen. Und das ist natürlich für die Versicherungen, aber auch für viele andere Unternehmen auf die Dauer sehr ungünstig. Am Ende ist es sehr ungünstig für jeden, der spart und der langfristig Geld anlegt, weil er sich zum Beispiel für die Zukunft sichert. Wir haben jetzt einen negativen Realzins, das heißt also, jeder Euro, den wir sparen, bei dem verlieren wir Geld, anstatt, dass wir nachher mehr Geld haben. Das ist eigentlich keine gute Situation.
Wuttke: Sagt Hans-Peter Burghof von der Universität Hohenheim mit seiner Einschätzung auch über den wohl zunächst anstehenden neuen Bankenskandal. Herr Burghof, ich danke Ihnen sehr. Schönen Tag!
Burghof: Bitte schön! Tschüs!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema