Deutschlands Sicherheitslage

Politologe Terhalle plädiert für atomare Bewaffnung

Russland zeigt eine Topol-M-Atomrakete auf dem Trainingsgelände in Alabino bei Moskau am 07.04.2010.
Droht ein neues Wettrüsten? – Interkontinentalrakete "Topol-M" während einer Militärparade auf dem Roten Platz. © picture alliance / dpa / Yuri Kochetkov
Maximilian Terhalle im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 15.02.2019
Wir können uns nicht länger auf die NATO-Sicherheitsgarantie verlassen, warnt Politologe Maximilian Terhalle. Wenn Deutschland nicht zur leichten Beute Russlands werden wolle, müsse man über gemeinsame Nuklearanstrengungen mit Frankreich nachdenken.
Handelsstreit, INF-Vertrag gekündigt, Säbelrasseln in Moskau und Washington: In der Weltpolitik geht es wieder rauer zu. Der in England lehrende Politikwissenschaftler Maximilian Terhalle rät Deutschland, die Zeichen der Zeit nicht zu übersehen und über eine atomare Bewaffnung nachzudenken.
Mehrfach hätten die USA in den letzten zwei Jahren die Sicherheitsgarantie durch die NATO infrage gestellt, warnt der Experte für Sicherheitspolitik. Artikel 5 des NATO-Vertrages, der den Bündnisfall auslöst, habe inzwischen erhebliche Risse bekommen. Gleichzeitig sei von Frankreich zu hören, dass es eine Ausweitung des französischen Nuklearschirms auf Deutschland nicht geben werde.
"Dann stehen wir an dem Punkt, an dem wir für den Worst Case keine Garantie haben", betont Terhalle. "Dann stehen wir da, ohne eine tatsächliche Verteidigungsmöglichkeit zu haben, sind damit also für jedermann, vor allem nach Osten hin gerichtet, erpressbar."

Putins leichte Beute?

Für besonders gefährlich hält Terhalle offenbar mögliche Auswirkungen, die eine Eskalation des Konflikts zwischen den USA und China auf Europa haben könnte. Denn wenn die USA in einen Krieg gegen China verwickelt seien, würde damit auch der "amerikanische Deterrence [Abschreckungs]-Schirm nach Asien abgelenkt. "Wenn Sie dann nachdenken, was das heißt für den Schutz Europas, wenn Amerika in einen Krieg gegen China verwickelt ist, dann kann ich mir gut vorstellen, dass das genau der Moment ist, in dem Russland, das seit Jahren davon spricht, dass das Ende des Kalten Krieges nicht das letzte Verdikt der Geschichte ist, hier eine Chance sieht", sagt Terhalle. "Und darauf sollten wir, glaube ich, besser vorbereitet sein."
Der russische Präsident Putin nimmt an einem Treffen mit dem Außenminister und dem Verteidigungsminister im Kreml teil.
Nach den USA setzt auch der russische Präsident Putin den INF-Vertrag aus.© dpa / Alexei Nikolsky / Pool Sputnik Kremlin
Gegenwärtig bleiben dem Politikwissenschaftler zufolge in dieser Frage nur zwei Möglichkeiten. Zum einen zu hoffen, "dass Amerika sich weiter an unsere Seite stellt, und alles daran setzen, Amerika dafür zu gewinnen, das weiter zu tun", sagt er. Zum anderen empfiehlt er, eine gemeinsame Nuklearanstrengung mit Frankreich zu unternehmen. Das heißt konkret: den französischen Nuklearschirm auf Deutschland zu erweitern, möglicherweise perspektivisch mit dem "Zugriff Deutschlands auf Entscheidungsgremien der Nuklearwaffen".

Merkels Weltbild schließe militärische Außenpolitik aus

Die Bereitschaft der Bundesregierung, Außenpolitik so zu denken, hält Terhalle aber offenbar für gering: "Im Kern geht es darum, dass das Weltbild der Kanzlerin die Möglichkeit ausschließt, militärisch Außenpolitik zu denken", kritisiert er. "Wenn allerdings die wesentlichen Großmächte unserer Zeit, Amerika, Russland und China genau das tun, dann kann man sich dem nicht entziehen. Außer man will sich der Wirklichkeit tatsächlich in einer Form entziehen, die man gelinde gesagt als naiv bezeichnen müsste."
(uko)
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