Deutschlandradio-Intendant Stefan Raue über das TV-Duell

"Man verliert ein Kanzleramt eher, als man es erringen kann"

Die Foto-Montage zeigt die beiden Kanzler-Kandidaten von SPD und CDU, Martin Schulz und Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Martin Schulz (SPD) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) treffen am Sonntag um 20:15 Uhr zu ihrem ersten und einzigen TV-Duell während dieses Wahlkampfes aufeinander. © Michael Kappeler/dpa
Stefan Raue im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 01.09.2017
Schulz gegen Merkel im TV-Duell: Das wird spannend, meint der neue Deutschlandradio-Intendant Stefan Raue - schon wegen der Unterschiede in ihrer jeweiligen Rhetorik. Doch ein Dilemma bleibt: Auf Merkels populäre Ruhig-Blut-Politik finde die SPD keine Antwort.
Bei vorangegangenen Fernsehduellen habe es zwischen Merkel und ihren Kontrahenten Steinbrück oder Steinmeier große Ähnlichkeiten gegeben, meint Stefan Raue. Sie seien jeweils sehr ausführlich und bedächtig in ihrer Wortwahl gewesen. An diesem Sonntag werde der Duell-Charakter viel deutlicher werden: "Martin Schulz ist viel emotionaler, ist viel offensiver in seiner Art, wie er seine Argumente vorbringt. Dadurch kann ein ganz guter Kontrast entstehen."
Stefan Raue, der neue Intendant des Deutschlandradios.
Stefan Raue, der neue Intendant des Deutschlandradios.© Deutschlandradio / B.Fürst-Fastré.
Über die Bedeutung einer solchen Auseinandersetzung meint Raue: "Man kann mit einem Duell (eine Wahl) nicht gewinnen, aber man kann eine Wahl verlieren." Es komme stark darauf an, die eigenen Anhänger zu überzeugen und zu mobilisieren. Das sei Schulz' Aufgabe: "Er wird nicht den Ehrgeiz haben, Frau Merkel auf's Kreuz zu legen oder zu widerlegen oder CDU-Wähler abzuwerben. Sondern er wird gucken, dass er sein Potential erreicht." Im Wahlkampf seien das Fernsehen und Boulevard-Medien wie die "Bild" aufgrund ihrer Reichweite ein "wichtiger Faktor", so Raue. Man dürfe sie allerdings auch nicht überschätzen.

Jede Zeit hat ihren Kanzler, ihre Kanzlerin

Er persönlich sei der Überzeugung, dass jede Zeit ihren Kanzler, ihre Kanzlerin habe. Zuzeiten Willy Brandts sei es um "Mehr Demokratie wagen" gegangen - was der Stimmung dieser Zeit entsprochen habe. Helmut Kohl habe den Menschen in unruhigen Zeiten signalisiert, dass er sich auskenne und kümmere. Gerhard Schröder wiederum war aus Sicht Raues ein "Ruck-Mensch", was ebenfalls dem Zeitgeist entsprochen habe: "Es gab eine Wechselstimmung."
Und Merkel? Angesichts der Verwerfungen und Kriege der letzten Jahre habe sie offensichtlich "den Ton getroffen, den viele von einem Kanzler, einer Kanzlerin erwarteten", nämlich zu sagen: "Jetzt mal ruhig Blut, keine Aufregung, wir bekommen das irgendwie hin. (...) Das ist natürlich auch das Dilemma der SPD: dass sie gegen diesen Stil, der offensichtlich sehr populär ist über die Parteigrenzen der Union hinaus, dass sie da keine richtige Gegenantwort findet." Raues Fazit: "Man verliert, glaube ich, ein Kanzleramt eher, als man es erringen kann." (bth)
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