Deutschland und die EU-Verfassung
Die europäische Musternation Deutschland hat ein seltsam gespaltenes Verhältnis zu diesem Europa. Da streitet der halbe Kontinent über die neue EU-Verfassung, da quälen sich die Franzosen mit dem Kleingedruckten, die Briten stellen die wirklich wichtigen Fragen nach Souveränität, der Abschaffung des Parlaments und des Pfundes, die Niederländer rechen penibel Kosten und Nutzen eines Verfassungs-Deals auf - nur in Deutschland will sich keiner so recht mit der künftigen Ordnung des Kontinents befassen.
Hierzulande wäre es vermutlich nicht anders als in den anderen Staaten der EU: Würde man die Menschen abstimmen lassen - die Verfassung hätte nicht automatisch eine Mehrheit. Dies ist die Crux mit der Europapolitik in Deutschland: Sie ist eine Sache der politischen Elite und einer Gruppe von Fachleuten. Weiß wirklich ein durchschnittlich politisch interessierter Mensch, was genau verstärkte Zusammenarbeit bedeutet, oder was genau der Rat tut - anders als etwa die Kommission?
Schon Helmut Kohl hat nach dem Vertrag von Maastricht jede öffentliche Debatte um die Abschaffung der D-Mark gescheut. Abstimmungen werden dem Parlament anvertraut, wie jetzt am Donnerstag im ersten Durchgang des deutschen Ratifizierungsverfahrens. Dabei kann man 4den Eindruck gewinnen, dass die Abgeordneten politische Leidenschaft mit politischer Korrektheit verwechseln.
Wieder ist eine wunderbare Gelegenheit verstrichen, Europa vernünftig zu verkaufen. Denn in der Tat: Dieses Europa ließe sich verkaufen, Europa ließe sich interessant machen. Nur wenn Europa verstanden wird, kann es auch akzeptiert werden.
Es ist höchste Zeit, dass die Menschen sich mehr mit diesem Europa befassen, weil kein Vertragstext in der Geschichte von EWG, EG oder EU so stark in das Leben jedes einzelnen Bürger eingegriffen hat wie eben jene Verfassung, die in Wahrheit eine Ansammlung verschiedener Verträge ist.
Weil Europapolitik kompliziert ist und sich kein Bundeskanzler wirklich in die Offensive traut mit dem Thema, entsteht ein gefährliches Vakuum, das die Populisten von links und von rechts in großer Einmütigkeit zu füllen versuchen. Von Links: Die Verfassung sei neoliberal, sie schütze die Arbeitsplätze nicht, sie zertöre das soziale Netz und sei undemokratisch. Von Rechts ebenfalls undemokratisch, außerdem werde das nationale Parlament entmachtet, überhaupt: der Nationalstaat, die Außenpolitik gehe verloren, und damit auch irgendwie die Identität fürs Volk. Die gleichen Argumenten werden in Frankreich oder den Niederlanden ausgetauscht - aber auch widerlegt. Denn: In Frankreich wird ernsthaft über die Verfassung gestritten. Sollte die Verfassung im Referendum angeommen werden - sie wäre bei den Bürgern tatsächlich verankert.
Drei Gründe gibt es, warum auch die Deutschen ihre Skepsis ablegen und die neue Ordnung in Europa als Fortschritt begreifen sollten. Erstens kann Europa nicht mehr ohne: Die Verfassung ist notwendig, wenn die EU weiter funktionieren soll. Die Alternative heißt nämlich Nizza, jener Vertrag also, der als größtes Unglück in die Geschichte der Europäischen Union eingehen kann. Mehrheitsverhältnisse, Abstimmungsprozedere, Kompetenzen - wenn Europa mit 25 Staaten funktionieren will, braucht es die Regeln der Verfassung.
Die Alternative wäre der Rückfall in die Nationalstaaterei, denn Nizza hat schon bei einem kleineren Europa nicht funktioniert. Das kann nicht wirklich jemand wollen, denn wenn man schon von Globalisierung spricht, dann muss man auch ehrlicherweise sagen, dass ein durchschnittlicher mitteleuropäischer Staat - sagen wir Dänemark - nun wirklich kein Gewicht mehr auf die Waage bringen würde etwa in Handelsfragen oder in der Außenpolitik. Und außerdem gibt es die Lehre aus der Geschichte: Wer in Europa das Gewicht von Nationalstaaten ausspielt, der fördert den Zerfall des Kontinents in Lager. Europa hat zu viele Kriege erlitten, als dass es eine Wiederkehr dieser Zeit wünschen könnte.
Zweiter Grund: Die Verfassung korrigiert viele Fehler, die in Europa bisher begangen wurden. Die Nationalen Parlamente werden Brüssel besser kontrollieren, ebenfalls das Europaparlament. Der Kommissionspräsident wird aus dem Europaparlament kommen, zum ersten Mal wird es so etwas wie einen europäischen Spitzenkandidaten geben, wenn die Straßburger Abgeordneten gewählt werden. Die demokratische Ordnung in Europa wird also erheblich verbessert. Und wer sein nationales Modell darin nicht wieder erkennt und deshalb ein Demokratiedefizit beklagt, der sollte immer daran denken, dass Europa auch kein Staat ist sondern eine Ansammlung von Staaten, die ihre Kernsouveränität behalten sollen.
Und drittens: Mit der Verfassung wird ein Stück europäische Identität gestiftet. Die braucht die EU dringend, um von den Menschen angenommen zu werden. Schon allein deshalb hätte es gelohnt, diese Verfassung in Deutschland besser zu erklären und Begeisterung dafür zu wecken.
Schon Helmut Kohl hat nach dem Vertrag von Maastricht jede öffentliche Debatte um die Abschaffung der D-Mark gescheut. Abstimmungen werden dem Parlament anvertraut, wie jetzt am Donnerstag im ersten Durchgang des deutschen Ratifizierungsverfahrens. Dabei kann man 4den Eindruck gewinnen, dass die Abgeordneten politische Leidenschaft mit politischer Korrektheit verwechseln.
Wieder ist eine wunderbare Gelegenheit verstrichen, Europa vernünftig zu verkaufen. Denn in der Tat: Dieses Europa ließe sich verkaufen, Europa ließe sich interessant machen. Nur wenn Europa verstanden wird, kann es auch akzeptiert werden.
Es ist höchste Zeit, dass die Menschen sich mehr mit diesem Europa befassen, weil kein Vertragstext in der Geschichte von EWG, EG oder EU so stark in das Leben jedes einzelnen Bürger eingegriffen hat wie eben jene Verfassung, die in Wahrheit eine Ansammlung verschiedener Verträge ist.
Weil Europapolitik kompliziert ist und sich kein Bundeskanzler wirklich in die Offensive traut mit dem Thema, entsteht ein gefährliches Vakuum, das die Populisten von links und von rechts in großer Einmütigkeit zu füllen versuchen. Von Links: Die Verfassung sei neoliberal, sie schütze die Arbeitsplätze nicht, sie zertöre das soziale Netz und sei undemokratisch. Von Rechts ebenfalls undemokratisch, außerdem werde das nationale Parlament entmachtet, überhaupt: der Nationalstaat, die Außenpolitik gehe verloren, und damit auch irgendwie die Identität fürs Volk. Die gleichen Argumenten werden in Frankreich oder den Niederlanden ausgetauscht - aber auch widerlegt. Denn: In Frankreich wird ernsthaft über die Verfassung gestritten. Sollte die Verfassung im Referendum angeommen werden - sie wäre bei den Bürgern tatsächlich verankert.
Drei Gründe gibt es, warum auch die Deutschen ihre Skepsis ablegen und die neue Ordnung in Europa als Fortschritt begreifen sollten. Erstens kann Europa nicht mehr ohne: Die Verfassung ist notwendig, wenn die EU weiter funktionieren soll. Die Alternative heißt nämlich Nizza, jener Vertrag also, der als größtes Unglück in die Geschichte der Europäischen Union eingehen kann. Mehrheitsverhältnisse, Abstimmungsprozedere, Kompetenzen - wenn Europa mit 25 Staaten funktionieren will, braucht es die Regeln der Verfassung.
Die Alternative wäre der Rückfall in die Nationalstaaterei, denn Nizza hat schon bei einem kleineren Europa nicht funktioniert. Das kann nicht wirklich jemand wollen, denn wenn man schon von Globalisierung spricht, dann muss man auch ehrlicherweise sagen, dass ein durchschnittlicher mitteleuropäischer Staat - sagen wir Dänemark - nun wirklich kein Gewicht mehr auf die Waage bringen würde etwa in Handelsfragen oder in der Außenpolitik. Und außerdem gibt es die Lehre aus der Geschichte: Wer in Europa das Gewicht von Nationalstaaten ausspielt, der fördert den Zerfall des Kontinents in Lager. Europa hat zu viele Kriege erlitten, als dass es eine Wiederkehr dieser Zeit wünschen könnte.
Zweiter Grund: Die Verfassung korrigiert viele Fehler, die in Europa bisher begangen wurden. Die Nationalen Parlamente werden Brüssel besser kontrollieren, ebenfalls das Europaparlament. Der Kommissionspräsident wird aus dem Europaparlament kommen, zum ersten Mal wird es so etwas wie einen europäischen Spitzenkandidaten geben, wenn die Straßburger Abgeordneten gewählt werden. Die demokratische Ordnung in Europa wird also erheblich verbessert. Und wer sein nationales Modell darin nicht wieder erkennt und deshalb ein Demokratiedefizit beklagt, der sollte immer daran denken, dass Europa auch kein Staat ist sondern eine Ansammlung von Staaten, die ihre Kernsouveränität behalten sollen.
Und drittens: Mit der Verfassung wird ein Stück europäische Identität gestiftet. Die braucht die EU dringend, um von den Menschen angenommen zu werden. Schon allein deshalb hätte es gelohnt, diese Verfassung in Deutschland besser zu erklären und Begeisterung dafür zu wecken.