Deutschland - politische Jagdgesellschaft
Wir leben in einer politischen Jagdgesellschaft. Wenn sie erst einmal im Fieber ist, kommt es ihr auf Werte wie Fairness und Wahrheit nicht an. Auf die Achtung vor der Person schon gar nicht. Die jüngsten Fälle zeigen wieder einmal, in welcher Art und Weise Menschen, die nicht bedenkenlos mit den anerkannten Strömungen schwimmen wollen, regelrecht niedergekämpft werden. Dabei scheinen auch unlautere Methoden erlaubt, wenn sie denn nur ans Ziel führen.
Ein Blick auf die reale demokratische politische Kultur Deutschlands und ein Blick zurück. Durch einen antifaschistischen Impuls alarmiert, entfachten durchaus einflussreiche Politiker und Medien eine regelrechte Hatz gegen den Thüringer CDU-Landtagsabgeordneten Peter Krause, der Kultusminister werden sollte. Am Ende – als das Auto von Krauses Lebensgefährtin brannte – warf der Politiker das Handtuch. In der öffentlichen Darstellung durch seine politischen Gegner erschien Krause in einem braunen Dunstkreis, für den sich auch nach genauerer Betrachtung der von ihm verfassten Beiträge keine Belege finden ließen. Mehrere Zitate von ihm waren grob sinnentstellend aus dem Zusammenhang gerissen oder verzerrt worden. Zwar gab es einige Medien, die dies klarstellten, doch bleibt der Politiker durch diese unfaire Kampagne gleichsam kontaminiert.
In bestimmter Hinsicht ähnlich erging es auch den vier hessischen SPD-Landtagsabgeordneten, die durch eine schwierige Gewissensentscheidung für einen Stopp des rot-rot-grünen Tolerierungsbündnisses und damit für eine Sternstunde im deutschen Parlamentarismus sorgten. Extremismusforscher, die wissenschaftlich begründete Zweifel an der Verfassungstreue der Partei "Die Linke" hegen, waren dabei ebenso auf ihrer Seite wie viele Wähler in und außerhalb der SPD – nicht zuletzt, weil sie ihr Wahlversprechen eingehalten hatten, welches lautete: keine Zusammenarbeit mit der "Linken". Die Reaktion darauf war harsch. Von blankem Hass berichtete die Landtagsabgeordnete Carmen Everts. Sie und die anderen als Saboteure und Verräter beschimpften Rebellen, die sich vom Fraktionsmitglied in verantwortliche Individuen zurückverwandelt hatten, galten fortan als "Abweichler".
Da hatten sie ihr Etikett und viele in den Medien etikettierten distanzlos mit. Als "Abweichler" galten einst Stalins treue Parteivasallen, die sich ein wenig Eigensinn bewahrten - ein Begriff also aus dem Wörterbuch des Linkstotalitarismus. Ist dies das Modell, das der SPD vorschwebt? Und warum machen so viele Vertreter der Medien gedankenlos mit?
Konfliktfälle bringen ans Licht, was sonst in den Routinen des Alltags verborgen schlummert. Betrachtet man solche Vorgänge mit den Augen des deutsch-jüdischen Soziologen Norbert Elias, lassen sich durchaus Übereinstimmungen mit bestimmten Zügen mentaler deutscher Grundeinstellung entdecken. In seinen auf vergleichende historische Untersuchungen gründenden "Studien über die Deutschen" bescheinigt er diesen einen geschichtlich bedingten kriegerisch-aggressiven Habitus.
Innenpolitisch bedeutete dies eine Neigung zu innerstaatlichen Feinderklärungen, zum Beispiel gegenüber der Arbeiterklasse, den Juden oder den "vaterlandslosen Gesellen". Man verhielt sich ihnen gegenüber als gehörten sie nicht dazu, grenzte sie aus – ganz im Gegensatz zu Elias’ anderem Modell Großbritannien. Dessen politische Kultur wird eher bestimmt von egalitär-bürgerlichen Normen, von Kompromiss und Respekt vor anderen Meinungen.
Beachtliche Teile der bundesdeutschen Gesellschaft scheinen davon nach wie vor weit entfernt. Immer wieder zeigt sich hier der Wille, den Gegner rücksichtslos niederzuringen, ihn als Feind zu behandeln. Dass ausgerechnet jene politischen Milieus, in denen sonst alles Nationale unter Verdacht steht, vom kriegerisch-aggressiven Habitus inspiriert werden, nennt man wohl Ironie der Geschichte.
Hans-Joachim Föller, 1958 in Schlüchtern geboren, wuchs in Hessen auf, studierte Politikwissenschaft, Philosophie und Geschichte. Dem Zeitungsvolontariat in Hessen folgte 1992 der Umzug nach Thüringen sowie dort eine mehrjährige Tätigkeit als Redakteur in verschiedenen Regionalzeitungen. Seit 1998 arbeitet Föller als freier Journalist unter anderem für die "Süddeutsche Zeitung", die "FAZ", den "Rheinischen Merkur", "Das Parlament", den "Tagesspiegel" und die "tageszeitung", wobei die Darstellung der Folgen der SED-Diktatur einen Schwerpunkt bildet.
In bestimmter Hinsicht ähnlich erging es auch den vier hessischen SPD-Landtagsabgeordneten, die durch eine schwierige Gewissensentscheidung für einen Stopp des rot-rot-grünen Tolerierungsbündnisses und damit für eine Sternstunde im deutschen Parlamentarismus sorgten. Extremismusforscher, die wissenschaftlich begründete Zweifel an der Verfassungstreue der Partei "Die Linke" hegen, waren dabei ebenso auf ihrer Seite wie viele Wähler in und außerhalb der SPD – nicht zuletzt, weil sie ihr Wahlversprechen eingehalten hatten, welches lautete: keine Zusammenarbeit mit der "Linken". Die Reaktion darauf war harsch. Von blankem Hass berichtete die Landtagsabgeordnete Carmen Everts. Sie und die anderen als Saboteure und Verräter beschimpften Rebellen, die sich vom Fraktionsmitglied in verantwortliche Individuen zurückverwandelt hatten, galten fortan als "Abweichler".
Da hatten sie ihr Etikett und viele in den Medien etikettierten distanzlos mit. Als "Abweichler" galten einst Stalins treue Parteivasallen, die sich ein wenig Eigensinn bewahrten - ein Begriff also aus dem Wörterbuch des Linkstotalitarismus. Ist dies das Modell, das der SPD vorschwebt? Und warum machen so viele Vertreter der Medien gedankenlos mit?
Konfliktfälle bringen ans Licht, was sonst in den Routinen des Alltags verborgen schlummert. Betrachtet man solche Vorgänge mit den Augen des deutsch-jüdischen Soziologen Norbert Elias, lassen sich durchaus Übereinstimmungen mit bestimmten Zügen mentaler deutscher Grundeinstellung entdecken. In seinen auf vergleichende historische Untersuchungen gründenden "Studien über die Deutschen" bescheinigt er diesen einen geschichtlich bedingten kriegerisch-aggressiven Habitus.
Innenpolitisch bedeutete dies eine Neigung zu innerstaatlichen Feinderklärungen, zum Beispiel gegenüber der Arbeiterklasse, den Juden oder den "vaterlandslosen Gesellen". Man verhielt sich ihnen gegenüber als gehörten sie nicht dazu, grenzte sie aus – ganz im Gegensatz zu Elias’ anderem Modell Großbritannien. Dessen politische Kultur wird eher bestimmt von egalitär-bürgerlichen Normen, von Kompromiss und Respekt vor anderen Meinungen.
Beachtliche Teile der bundesdeutschen Gesellschaft scheinen davon nach wie vor weit entfernt. Immer wieder zeigt sich hier der Wille, den Gegner rücksichtslos niederzuringen, ihn als Feind zu behandeln. Dass ausgerechnet jene politischen Milieus, in denen sonst alles Nationale unter Verdacht steht, vom kriegerisch-aggressiven Habitus inspiriert werden, nennt man wohl Ironie der Geschichte.
Hans-Joachim Föller, 1958 in Schlüchtern geboren, wuchs in Hessen auf, studierte Politikwissenschaft, Philosophie und Geschichte. Dem Zeitungsvolontariat in Hessen folgte 1992 der Umzug nach Thüringen sowie dort eine mehrjährige Tätigkeit als Redakteur in verschiedenen Regionalzeitungen. Seit 1998 arbeitet Föller als freier Journalist unter anderem für die "Süddeutsche Zeitung", die "FAZ", den "Rheinischen Merkur", "Das Parlament", den "Tagesspiegel" und die "tageszeitung", wobei die Darstellung der Folgen der SED-Diktatur einen Schwerpunkt bildet.

Hans-Joachim Föller© privat