"Deutschland ist auf Russland angewiesen"
Der Geschäftsführer der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer, Michael Harms, hat dafür plädiert, die Wirtschaftskooperation zwischen beiden Ländern fortzusetzen. Russland ist und bleibe ein strategischer Wachstumsmarkt für deutsche Exporte, sagte Harms. Damit würden auch Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum in Deutschland gesichert.
Christopher Ricke: Der Ton im Kaukasus-Konflikt ist gestern nochmal etwas schärfer geworden. Der französische Außenminister Bernard Kouchner hat im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft der Franzosen gesagt, man werde beim Krisengipfel am Montag in Brüssel auch über Sanktionen gegen Russland nachdenken. Wirtschaftssanktionen dürften damit gemeint sein, und darüber spreche ich jetzt mit Michael Harms. Er ist der Geschäftsführer der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer in Moskau. Guten Morgen, Herr Harms!
Michael Harms: Guten Morgen!
Ricke: Lassen Sie uns praktisch beginnen. Wie könnten wir denn als EU den Russen am einfachsten wehtun?
Harms: Ja, sicher gibt es viele Möglichkeiten, weil wir gegenseitig wirtschaftlich stark abhängig sind. Man könnte bei Visafragen gewisse Beschränkungen einführen, man könnte das neue Partnerschafts- und Kooperationsabkommen auf Eis legen, man könnte die WTO-Mitgliedschaft Russlands verschieben. Hier gibt es natürlich Möglichkeiten, aber ich muss sagen, das sind Szenarien, über die wir sehr ungern nachdenken, weil wir plädieren eher dafür, die Wirtschaftskooperationen fortzusetzen, weil sie zu unserem gegenseitigen Vorteil reicht.
Ricke: Es wäre ja auch für Deutschland nachteilig, wenn Russland dann ebenfalls mit Maßnahmen antworten würde. Deutschland als Exportnation mit Rohstoffmangel ist im doppelten Maße auf Russland angewiesen. Wie könnten die Russen uns wehtun, Gashahn zu?
Harms: Das wäre eine theoretische Möglichkeit. Aber ich muss noch mal darauf verweisen, dass in all den Jahren, auch des Kalten Krieges, wo wir wesentlich schärfere politische Konfrontationen mit der damaligen Sowjetunion hatten, dies nie passiert ist. Und ich sehe auch keine praktische Möglichkeit, dass das diesmal passieren wird.
Ricke: Weil Deutschland Russland braucht und Russland Deutschland. Ich habe mir mal Zahlen rausgesucht. Im ersten Halbjahr hat Deutschland an die Russen für 16 Milliarden Euro Güter verkauft, Maschinen sind das, Anlagen, Chemieprodukte. Und die Russen haben uns für 17 Milliarden Güter verkauft, vor allem Gas und Öl. Wir sind also auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen?
Harms: Das ist richtig und wir freuen uns über eine solche Entwicklung. Russland ist und bleibt ein strategischer Wachstumsmarkt für Deutschland, für deutsche Exporte. Damit sichern wir natürlich auch Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum in unserem Land. Russland wird nach unseren Prognosen in diesem Jahr China als exportbeste Nation ablösen unter den BRIC-Ländern für Deutschland. Wir können uns hier eigentlich nur freuen über diese sehr positive Entwicklung.
Ricke: In der deutsch-russischen Auslandshandelskammer muss man ja optimistisch sein. Allein an den Börsen ist man es nicht zwingend, als der Kaukasus-Konflikt militärisch eskalierte, haben die Börsen in der Region dramatisch reagiert. Das zeigt doch auch, dass die Investoren. Das zeigt doch auch, dass die Investoren dennoch Angst haben.
Harms: Ja sicher. Solche politischen Verunsicherungen führen immer auch zu Turbulenzen an den Börsen. Aber ich muss sagen, das ist nicht der einzige Grund, warum die Börsen so reagiert haben. Hinzu kommen der Rückgang des Ölpreises, die internationale Finanzkrise, auch die kürzlich gemachten Aussagen von Wladimir Putin bezüglich eines russischen Montankonzerns, das hat alles zu dieser Unruhe beigetragen, und ich hoffe, dass sich das wieder geben wird in den nächsten Monaten.
Ricke: In den Bemühungen um eine gute wirtschaftliche Zusammenarbeit haben wir in den letzten Jahren häufig über Rechtssicherheit diskutiert. Die im Ausland aktive Wirtschaft braucht die, damit man weiß, dass nicht gleich etwas mit Sondersteuern belegt wird oder das Eigentum beschlagnahmt. Jetzt haben sich die Russen im Kaukasus ja nicht gerade völkerrechtlich korrekt verhalten. Macht das der Wirtschaft nicht auch Sorge, dass ein solch nicht rechtstaatliches Verhalten auch auf Wirtschaftsbereiche durchschlagen könnte?
Harms: Ich würde hier keine unmittelbare Parallele ziehen. Ich glaube, das Thema Rechtstaatlichkeit beschäftigt uns auch so in Russland. Natürlich gibt es hier noch Defizite, das bringen wir immer wieder gegenüber unseren russischen Partnern an. Es gibt in Russland immer noch viele administrative Barrieren. Es gibt eine ausufernde Bürokratie. Es gibt Korruption. All das macht uns natürlich hier bei den täglichen Geschäften zu schaffen, und wir erhoffen uns hier weitere Fortschritte. Insgesamt kann man aber sagen, dass wenn man jetzt über einen längeren Zeitraum das betrachtet, dass es doch zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen oder auch der restlichen Rahmenbedingungen in Russland in den letzten Jahren gekommen ist.
Ricke: Wir befinden uns in einer Phase der politischen Abkühlung, noch nicht im Kalten Krieg. Aber man muss natürlich über Szenarien nachdenken. Wie würde sich denn bei einer weiteren Verschärfung der Lage das Investitionsklima Ihrer Meinung nach entwickeln?
Harms: Ja, sicher ist eine Verschlechterung der EU-Russland-Beziehung insgesamt auch schädlich für das Investitionsklima. Wir hatten ja schon am Anfang darüber gesprochen, wie verflochten unsere Volkswirtschaften sind. Russland ist Teil der globalisierten Wirtschaft und eine Isolation Russlands, eine mögliche Isolation Russlands würde vor allen Dingen Russland selbst schaden, würde der russischen Modernisierung schaden, aber wäre, glaube ich, auch sehr negativ für uns, weil es damit auch das globale Wirtschaftswachstum bremsen würde.
Ricke: Wir haben in diesem Sommer etwas ganz Spannendes erlebt, eine Diskussion über Menschenrechte in China. Da hat der Sport die Position bezogen, Sport ist Sport und politische Dinge müssen von der Politik geklärt werden. Kann man diese Haltung auch auf die Wirtschaft übertragen? Ist das für die Wirtschaft auch ein Punkt zu sagen, Politiker macht eure Politik, wir Wirtschaftler machen unsere Wirtschaft?
Harms: Natürlich müssen sicherheitspolitische und militärpolitische Konflikte vor allen Dingen von den Politikern geklärt werden. Aber natürlich leben wir nicht isoliert, wir leben in keiner isolierten Welt. Natürlich sind wir von der Politik auch abhängig, sind von den Rahmenbedingungen abhängig. Und die Wirtschaft ist auf Ruhe und verlässliche Rahmenbedingungen angewiesen. Wir wünschen uns hier eine Stabilisierung. Wir glauben aber auch, dass gerade gute wirtschaftliche Beziehungen, ein intensiver wirtschaftlicher Austausch die beste Grundlage ist, um hier auf politischer Ebene zu Kompromissen zu kommen.
Ricke: Michael Harms, der Geschäftsführer der Deutsch-Russischen Außenhandelskammer in Moskau. Vielen Dank, Herr Harms.
Harms: Danke auch nach Berlin.
Michael Harms: Guten Morgen!
Ricke: Lassen Sie uns praktisch beginnen. Wie könnten wir denn als EU den Russen am einfachsten wehtun?
Harms: Ja, sicher gibt es viele Möglichkeiten, weil wir gegenseitig wirtschaftlich stark abhängig sind. Man könnte bei Visafragen gewisse Beschränkungen einführen, man könnte das neue Partnerschafts- und Kooperationsabkommen auf Eis legen, man könnte die WTO-Mitgliedschaft Russlands verschieben. Hier gibt es natürlich Möglichkeiten, aber ich muss sagen, das sind Szenarien, über die wir sehr ungern nachdenken, weil wir plädieren eher dafür, die Wirtschaftskooperationen fortzusetzen, weil sie zu unserem gegenseitigen Vorteil reicht.
Ricke: Es wäre ja auch für Deutschland nachteilig, wenn Russland dann ebenfalls mit Maßnahmen antworten würde. Deutschland als Exportnation mit Rohstoffmangel ist im doppelten Maße auf Russland angewiesen. Wie könnten die Russen uns wehtun, Gashahn zu?
Harms: Das wäre eine theoretische Möglichkeit. Aber ich muss noch mal darauf verweisen, dass in all den Jahren, auch des Kalten Krieges, wo wir wesentlich schärfere politische Konfrontationen mit der damaligen Sowjetunion hatten, dies nie passiert ist. Und ich sehe auch keine praktische Möglichkeit, dass das diesmal passieren wird.
Ricke: Weil Deutschland Russland braucht und Russland Deutschland. Ich habe mir mal Zahlen rausgesucht. Im ersten Halbjahr hat Deutschland an die Russen für 16 Milliarden Euro Güter verkauft, Maschinen sind das, Anlagen, Chemieprodukte. Und die Russen haben uns für 17 Milliarden Güter verkauft, vor allem Gas und Öl. Wir sind also auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen?
Harms: Das ist richtig und wir freuen uns über eine solche Entwicklung. Russland ist und bleibt ein strategischer Wachstumsmarkt für Deutschland, für deutsche Exporte. Damit sichern wir natürlich auch Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum in unserem Land. Russland wird nach unseren Prognosen in diesem Jahr China als exportbeste Nation ablösen unter den BRIC-Ländern für Deutschland. Wir können uns hier eigentlich nur freuen über diese sehr positive Entwicklung.
Ricke: In der deutsch-russischen Auslandshandelskammer muss man ja optimistisch sein. Allein an den Börsen ist man es nicht zwingend, als der Kaukasus-Konflikt militärisch eskalierte, haben die Börsen in der Region dramatisch reagiert. Das zeigt doch auch, dass die Investoren. Das zeigt doch auch, dass die Investoren dennoch Angst haben.
Harms: Ja sicher. Solche politischen Verunsicherungen führen immer auch zu Turbulenzen an den Börsen. Aber ich muss sagen, das ist nicht der einzige Grund, warum die Börsen so reagiert haben. Hinzu kommen der Rückgang des Ölpreises, die internationale Finanzkrise, auch die kürzlich gemachten Aussagen von Wladimir Putin bezüglich eines russischen Montankonzerns, das hat alles zu dieser Unruhe beigetragen, und ich hoffe, dass sich das wieder geben wird in den nächsten Monaten.
Ricke: In den Bemühungen um eine gute wirtschaftliche Zusammenarbeit haben wir in den letzten Jahren häufig über Rechtssicherheit diskutiert. Die im Ausland aktive Wirtschaft braucht die, damit man weiß, dass nicht gleich etwas mit Sondersteuern belegt wird oder das Eigentum beschlagnahmt. Jetzt haben sich die Russen im Kaukasus ja nicht gerade völkerrechtlich korrekt verhalten. Macht das der Wirtschaft nicht auch Sorge, dass ein solch nicht rechtstaatliches Verhalten auch auf Wirtschaftsbereiche durchschlagen könnte?
Harms: Ich würde hier keine unmittelbare Parallele ziehen. Ich glaube, das Thema Rechtstaatlichkeit beschäftigt uns auch so in Russland. Natürlich gibt es hier noch Defizite, das bringen wir immer wieder gegenüber unseren russischen Partnern an. Es gibt in Russland immer noch viele administrative Barrieren. Es gibt eine ausufernde Bürokratie. Es gibt Korruption. All das macht uns natürlich hier bei den täglichen Geschäften zu schaffen, und wir erhoffen uns hier weitere Fortschritte. Insgesamt kann man aber sagen, dass wenn man jetzt über einen längeren Zeitraum das betrachtet, dass es doch zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen oder auch der restlichen Rahmenbedingungen in Russland in den letzten Jahren gekommen ist.
Ricke: Wir befinden uns in einer Phase der politischen Abkühlung, noch nicht im Kalten Krieg. Aber man muss natürlich über Szenarien nachdenken. Wie würde sich denn bei einer weiteren Verschärfung der Lage das Investitionsklima Ihrer Meinung nach entwickeln?
Harms: Ja, sicher ist eine Verschlechterung der EU-Russland-Beziehung insgesamt auch schädlich für das Investitionsklima. Wir hatten ja schon am Anfang darüber gesprochen, wie verflochten unsere Volkswirtschaften sind. Russland ist Teil der globalisierten Wirtschaft und eine Isolation Russlands, eine mögliche Isolation Russlands würde vor allen Dingen Russland selbst schaden, würde der russischen Modernisierung schaden, aber wäre, glaube ich, auch sehr negativ für uns, weil es damit auch das globale Wirtschaftswachstum bremsen würde.
Ricke: Wir haben in diesem Sommer etwas ganz Spannendes erlebt, eine Diskussion über Menschenrechte in China. Da hat der Sport die Position bezogen, Sport ist Sport und politische Dinge müssen von der Politik geklärt werden. Kann man diese Haltung auch auf die Wirtschaft übertragen? Ist das für die Wirtschaft auch ein Punkt zu sagen, Politiker macht eure Politik, wir Wirtschaftler machen unsere Wirtschaft?
Harms: Natürlich müssen sicherheitspolitische und militärpolitische Konflikte vor allen Dingen von den Politikern geklärt werden. Aber natürlich leben wir nicht isoliert, wir leben in keiner isolierten Welt. Natürlich sind wir von der Politik auch abhängig, sind von den Rahmenbedingungen abhängig. Und die Wirtschaft ist auf Ruhe und verlässliche Rahmenbedingungen angewiesen. Wir wünschen uns hier eine Stabilisierung. Wir glauben aber auch, dass gerade gute wirtschaftliche Beziehungen, ein intensiver wirtschaftlicher Austausch die beste Grundlage ist, um hier auf politischer Ebene zu Kompromissen zu kommen.
Ricke: Michael Harms, der Geschäftsführer der Deutsch-Russischen Außenhandelskammer in Moskau. Vielen Dank, Herr Harms.
Harms: Danke auch nach Berlin.